Psychotherapeutische Komparatistik

Es ist schwer und bis heute noch nicht ausreichend gut genug gelungen, verschiedene Psychotherapieverfahren miteinander zu vergleichen. Psychoanalyse und Verhaltenstherapien sind oft in umfangreichen Studien auf ihre Effektivität untersucht worden, aber Effektivität hinsichtlich Gesundung oder Heilung ist nicht das einzige Kriterium für einen Vergleich. Gerade bei seelischen Erkrankungen kann man das Augenmerk auch auf so etwas wie Reifung oder Einsicht lenken, was bei einem Vergleich ganz andere Ergebnisse zu Tage fördern würde. Aus diesem Grund hört man heutzutage gar nicht mehr so viel über die Wertung  der unterschiedlichen psychotherapeutischen Methoden. Es gibt

höchstens eine Klärung darüber, welche Therapie von den Krankenkassen bezahlt wird und welche nicht.

Außer Psychoanalyse und Verhaltenstherapie, die heute bezahlt werden, kann man noch andere Verfahren auflisten, die zumindest eine gewisse Bedeutung, Nutzungshäufigkeit und Ernsthaftigkeit aufweisen. Dazu würde ich das Psychodrama, einfache Gesprächstherapien, Gestalttherapie, verschiedene Traumatherapien oder meditative Verfahren rechnen, die einen wissenschaftlich zu belegenden oder religiösen Hintergrund haben. Freilich existieren noch zahlreiche andere Methoden oft mehr esoterischer, suggestiver oder sonstiger Art, so dass ein Vergleich möglichst vieler Verfahren gar nicht möglich ist. Möglich ist aber ein Vorgehen, bei dem man zuerst zwei, von dem Ergebnis ausgehend erneut eines damit und so weiter fortschreitend viele Methoden untereinander vergleichen kann. Man könnte solch ein Vorgehen Konjekturalwissenschaft, Vermutungswissenschaft, nennen, wie sie ja auch in der Mathematik benutzt wird.

Ich habe angefangen Psychoanalyse mit Meditation zu vergleichen und dies einen ersten Schritt in die psychotherapeutische Komparatistik genannt. Noch während meiner psychoanalytischen Ausbildung habe ich mich mit passiven Formen des Yoga beschäftigt, bei denen körperliche Übungen nicht im Vordergrund stehen, sondern rein meditative Übungen zu absolvieren sind. Ich bin erst nach Abschluss und einigen Jahren Ausübung der analytischen Psychotherapie sowie Studien einiger psychoanalytischer Richtungen und der gleichzeitiger Anwendung des autogenen Trainings, katathymen Bilderlebens und schließlich des rein meditativen Surat Shabd Yoga dazu gekommen, einen Schlüssel, ein wissenschaftliches, vorwiegend mit der Linguistik zusammenhängendes Instrument zu finden, das Psychoanalyse und Meditation miteinander auf wissenschaftlicher Basis vergleichen lässt.

Dieses Instrument besteht in zwei übergeordneten Elementen, Wesenheiten oder Signifikanten (primäre Bedeutungseinheiten oder –körper), egal wie man sie nennen will,  nämlich eines Es, das Strahlt und einem Es, das Spricht. Ich erkläre dies in diesem Artikel nicht ausführlicher, weil dies in sämtlichen meiner Veröffentlichungen dargelegt ist. Dieses Konzept der beiden Grundelemente passt vor allem gut zur Psychoanalyse wie auch zum meditativen Verfahren. In der Psychoanalyse ist das Es Strahlt mit dem dort so genannten Primärprozess des Wahrnehmungs-, bzw. Schautriebs, dem ‚ultrasubjektiven Ausstrahlen‘ (Lacan), identisch. Hinsichtlich des Es Spricht gilt dies für den Primärprozess des Entäußerungs-, bzw. Sprechtriebs, der ‚Sprachstruktur des Unbewussten‘ (Lacan). Genauso verhält es sich auch im meditativen Yoga und den meisten Meditationsverfahren.

Dort wird auf der einen Seite stets von der inneren Lumineszenz- oder ‚Licht’-Erfahrung gesprochen, wenn man mit geschlossenen Augen den inneren Raum wahrnimmt. Es geht also um ein Es Strahlt. Auf der anderen Seite werden auch sprachliche Vorgänge beschrieben. Entweder es verlautet innerlich ein ‚Ton‘ oder ‚Laut‘, oder man muss ein Mantra oder eine rein gedanklich formulierte Phrase (Mantra, Koan, Vorsatzbildung etc.) meditieren, also ein Etwas, das Spricht, das letztlich zu einem symbolischen Ausdruck führt. Nachdem ich also diese beiden Ur-Signifikanten gefunden hatte,[1] konnte ich zeigen, dass sowohl die Psychoanalyse wie auch die Meditation gleichwertige Methoden sind, die psychotherapeutisch wirksam sind und helfen. Dies ist vor allem in meinen Buch ‚Yoga und Psychoanalyse‘ ausführlich beschrieben.

Sie wirken auf unterschiedliche Weise, haben jeweils andere Schwerpunkte, die ich alle gegeneinander abgewogen habe, aber im Endresultat sind sie gleichwertig, drängen jedoch auch ganz klar zu einem beide verbindenden neuen psychotherapeutischen Zugang, den ich als Analytische Psychokatharsis bezeichnet habe. Auch dieses Verfahren ist auf meiner Webseite und zahlreichen Büchern, insbesondere in dem Buch mit dem gleichen Titel beschrieben. Zugrundelegend – auch für viele weiter Methoden in Psychotherapie und anderen mehr meditativen Methoden – ist die für den Menschen so wichtige und bedeutende Symbolisierungs-(Spricht) Gesetzmäßigkeit (Strahlt), die jeder Mensch letztlich für sich selbst, wenn auch gestützt oder begleitet durch ein Therapieverfahren – leisten muss. Um diese subjektbezogene Eigenleistung kommt niemand herum.

In meinem Buch 'Signifikant Gott?' habe ich nun auch noch die Analytische Psychokatharsis mit ihrem psychoanalytischen Hintergrund mit der Psychotharapie verglichen, die ich in Neuen Testtament bei den Gesprchen von Jesus mit etlichen Frauen gefunden habe. Ich konnte nachweisen, dass Jesus hier - cum grano salis - wie ein Vorläufer der modernen Psychotherapie vorgegangen ist. Er nutzt die freie Assoziation, die Übertragung und die Übertragungsdeutung wie dies auch heute, selbstverständlich nach diesen neuzeitlichen und wissenschaftlich begründeten Formulierungen gehandhabt wird. Damit konnte ich meine Methodik verbessern, sie von der Psychoanalyse deutlicher abheben und eigenstndiger machen, aber auch auf ihre Beziehung zur 'Jesustherapie' klar darlegen. Jetzt ist es wirklich psychotherapeutische Komparatistik geworden, die jeder  Anwender der Analytischen Psychokatharsis noch weiter fördern kann.



[1] Die Signifikanten gelten als Bedeutungseinheiten, wobei ein einzelner allein keiner Bedeutung fähig ist, aber in der Gegenüberstellung oder Kombination mehrere Signifikanten kann Bedeutung und weiterhin auch Sinn erzeugt werden. Dies kann man aber für die beiden ersten Signifikanten so nicht sagen, bei ihnen ist jeder einzelne schon stark mit Bedeutung aufgeladen, auch wenn sie den letzten Bedeutungsschliff erst in der Zweiheit erreichen. Es verhält sich ähnlich wie eben auch die Grundtriebe in der Psychoanalyse, die mit ihren Namen ja auch schon die Richtung angeben, in die sie wirken..