Licht und Asche

Licht und Asche

Diese zwei Worte gingen mir durch den Kopf während einer Übung der Analytischen Psychokatharsis, einer Methode, die gleichzeitig  Entspannung und Psychoanalyse ist. Kurz zuvor war es ein Spruch oder ein Satzfetzen gewesen, der ebenso wie gar nicht von mir selbst gedacht auf der Tiefe des Unbewussten auftauchte (natürlich wusste ich, dass es doch auch mein Gedanke war): ‚sind nicht da'.

Aber doch, dachte ich, da ist doch etwas da: das, das da sagt: ‚sind nicht da'. Diese Worte sind da, oder sollte ich sagen, diese Stimme? Viele Psychoanalytiker sagen, dass das Unbewusste eine Stimme hat. ‚Die Stimme des Objekts' nennen es manche, weil es wie objektartig ist und ‚psychische Realität' hat (ein Ausdruck, den Freud verwendete). Es ist eine tröstende Stimme, eine Stimme, die einem weichen Klang hat, unglaublich vertraut, wohltuend - und vielleicht enthält sie ja sogar etwas von der eigenen Stimme. Ich will nicht ausschließen, dass das Unbewusste auch nörgelnd, harsch oder böse sein kann. Lacan nennt es das ‚universale Gemurmel", denn manchmal hört man keine Stimme so richtig klar heraus, hat aber den Eindruck, dass es universal verpflichtend, also doch eben vertrauensbildend und Sicherheit gebend ist. Man muss es ein bisschen unterscheiden vom ‚Überich', das ins Unbewusste hineinragt und die Stimme des Gesetzgebers, Übervaters und schlechten Gewissens ist.

Doch also: ‚sind da' und sagten von sich dann auch: ‚Licht und Asche'.Ich verstand das sofort. Normalerweise spricht man von Licht und Finsternis, Licht und Dunkel oder Licht und Schatten. Aber beim Unbewussten geht es nicht ums ‚normalerweise', meistens sogar geht es ums ‚umgekehrt' oder ums ‚anders herum'. Das Unbewusste denkt nicht, kalkuliert nicht - sagt Freud - aber es weiß. Es weiß anders herum als wir bewusster Weise wissen. Es weiß, dass dem ‚Licht' die ‚Asche' gegenübersteht und zwar in einer besonders metaphorischen Weise. Denn dass es Schatten gibt, wo Licht existiert, ist lediglich eine materialistische Alltagsweisheit. Meist wird damit viel Unfug getrieben so im Sinne von: wo gehobelt wird fallen auch Späne. Wo Gutes ist, gibt es immer auch Schlechtes, Böses. Damit kann man alles reglementieren. Doch mit dem ‚Licht', das der ‚Asche' die Waage hält, hat es etwas anderes auf sich.

So habe ich es jedenfalls sofort empfinden müssen, denn es ist ja nicht üblich, dass man Gedanken hat, die wie von weit oder aus der Fremde her kommen, obwohl sie doch wohl die eigenen sind. Man kann dies nur unterscheiden, wenn man das bewusste Denken abstellt und dafür das unbewusste zulässt. Wie man das macht, erwähne ich später. Auf jeden Fall ist die ‚Asche', die mit dem ‚Licht' kombiniert auftritt, nicht der Endzustand irgendwelcher Objekte, die zu den ihren Urbausteinen zurück und bis zur Unkenntlichkeit hin verbrannt sind. Eben, wie bei dem Spruch wo das ‚sind nicht da' gerade dadurch da war, weil es wie von einem Urknall her, aus unbewusster Tiefe, quasi aus dem Jenseits kommend sich zur Stelle meldete, ist auch die ‚Asche' eher der Anfang, die Geburt eines noch ungestalteten Seins. Im Gegensatz zu den unglücklichen Priestern, die pessimistischer Weise einem Asche aufs Haupt streuen, die einem Angst machen mit dem Tod, mit dem man angeblich wieder zu Staub und Asche werden wird, war diese gemurmelte, wie fremdsprachlich und leicht aufgezwungene und gedankengeraunte ‚Asche' mehr als lebendig.

Denn man kann alles aus ihr formen. Niemand kann mich hindern, daraus z. B. ganz abgründige erotische Wesen zu machen, solange der Partner dieser ‚Asche', das ‚Licht' nämlich, dadurch nicht zu sehr getrübt wird. Schließlich ist auch diese ‚Licht' nicht etwas, das wirklich leuchtet oder scheint, sondern nur etwas, das die Asche im Sichtbaren hält, gerade so, dass man sie noch wahrnehmen kann. Es kann hier nicht um ein lästig strahlendes, grelles oder zu fahles, zu flackeriges Licht gehen. Es ist vielleicht genau so wenig, wie die ‚Asche' wirklich verbranntes Zeug ist, gar kein Licht, sondern mehr universale, grenzenlose Bewusstheit, wären solche Ausdrücke nicht gefährlich nahe an so esoterischen Spinnereien. Ich lasse es also beim einfachen ‚Licht' und ‚Asche', beim Bild eines fernen Planeten, der - wie es schon in der Bibel heißt - wüst und leer' ist, aber eben sichtbar, gerade noch etwas erhellt.

Nützt das etwas? Doch, man muss auch in einer Psychoanalyse zurück zum Ursprung kommen, sprechend regredieren, gelenkt zurückkehren zu den verschütteten Erinnerungen. Vielleicht sind sie von meiner ‚Asche' verschüttet. Mit derselben Stimme, mit der man zurückkehrt, muss man dann wieder nach vorwärts sprechend das Vergangene aufarbeiten. Mit derselben Hand, mit der man in der Kindheit herumstöbert, muss man seine Geschichte neu schreiben. Das ist die psychoanalytische Spielregel. ‚Licht' und ‚Asche' hat Es (das Unbewusste) mir gesagt und ich greife das ganz anders auf, als wenn mir irgendjemand, ein Lehrer, selbst ein Weiser, das gesagt hätte. Es ist klar, dass das, was aus dem eigenen Unbewussten kommt, aus dem eigenen Transzendenten, mehr Gewicht hat als alles äußere Reden. Daran ändern auch die Wissenschaften nichts, es sei denn, sie berücksichtigen diese Mitbeteiligung des Subjekts am Erkenntnisvorgang. Gerade lese ich (10. November 2010), wie man im Teilchenbeschleuniger, am Cern bei Genf, ein Quark-Gluonen-Gemisch (nach Zerstörung von Protonen und Neutronen also hin zu den kleinsten Materie- und Energieeinheiten)  vermittels der Energie von 287 Tera-Elektronenvolt hergestellt hat. Das ist alles sehr interessant, wenn auch sehr teuer. Es wird die Grundlage für großartige technische Neuheiten sein, aber auch für noch vernichtendere Waffen. Wahrscheinlich ist das meine ‚Asche'. Ja, meine ‚Asche' ist vielleicht noch elementarer und ich habe es samt und nur in Zusammenarbeit mit meinem ‚Licht' in der Hand, daraus etwas Gutes zu machen.

Denn das Unbewusste ist Bejahung, es kennt keine Negation. Es ist eine Infothek, eine Logistothek und eine Erotothek, eine der Liebe unterstellte Möglichkeit zur Wissenschaft. Ich habe schon angedeutet, wie man in einer Psychoanalyse dahin kommt, diese Theke zu nutzen. Man spricht sich bis zu Blödheiten und Peinlichkeiten aus. Es kommen dann ähnliche Wahrheiten heraus wie die von ‚Licht' und ‚Asche', vielleicht oft etwas mehr auf die eigene Kindheitsgeschichte, auf Beruf-und Liebesleben bezogene Wahrheiten. In der Analytischen Psychokatharsis geht man dem Unbewussten entsprechend gleich von vornherein ‚anders herum' vor. Die Blödheiten und Peinlichkeiten werden hier schon von Anfang an in sogenannte Formel-Formulierungen verpackt. Das sind Formulierungen, die gerade noch eben sprachlich sind, Worte, die durch Ineinanderschichtung durch aus noch verständlich sind, weil von jeweils einem anderen Buchstaben der Formulierung aus gelesen sich immer wieder eine andere Wortbedeutung ergibt.

Bleiben wir doch bei ‚Licht'und ‚Asche':  in C I N I S U S z. B. steckt cinis, die Asche, und gleichzeitig nisus, erleuchtet. Dann auch noch sus, aufwärts und in, ini, hinein sowie is, der. Dies ist jetzt zwar keine ideale Formel-Formulierung wie ich sie in vielen Artikeln auf dieser und anderen Webseiten geschildert und  aufgebaut habe, wo fast von jedem Buchstaben ausgehend und im Kreis gelesen immer eine vollständige Bedeutung herauskommt. Aber zur Anschaulichkeit mag es genügen. Werden derartige Formel-Formulierungen gedanklich ständig wiederholt, wird eben das bewusste Denken abgeschaltet, um so mehr jedoch das unbewusste geweckt, und zwar eben genau nach den Gesetzen von ineinandergeschichteten Bedeutungen, wie sie im Unbewussten vorkommen. Man hat dadurch eine Leitschiene zum Unbewussten, die dann nur noch geringer analytischer Arbeit bedarf, um die wirkliche Botschaft aus der Tiefe zu verifizieren.