SPIEGEL- und ECHO - Neuronen

SPIEGEL- und ECHO-Neuronen, ein umfassendes Konzept zur Analytischen Psychokatharsis

Nicht nur Fledermäuse haben Echo - Neuronen. Auch Informatiker können experimentell ein Netzwerk aufstellen, das aus einer großen Anzahl von neuronenartigen Netzteilen besteht, die sehr komplex miteinander verbunden sind.

Obwohl die Neuronen nur durch die Echostruktur reagieren, können sie doch z. B. ein Gedächtnis herstellen, indem ein einmal oder mehrmals eigegebener Input in eine kreisende Erregung  gerät oder einen Strichcode erstellt, die lange Zeit spiegelneurobild123bestehen bleiben können. Mir ist nicht bekannt, ob es auch beim Menschen Echo-Neuronen gibt, aber ich bin mir sicher, dass dies so ist und so kann ich es zumindest plausibel erklären (das nebenstehende Bild dient nur der Kuriosität, wie Neurowissenschaftler vorzeitig Schlüsse aus ihren Bildern ziehen. Dass Autismus nur ein Mangel an Spiegelneuronen ist, stellt eine sehr vereinfachte Aussage dar, trotzdem ist zu sehen, was mit dem Begreiff Spiegel-Neuronen gemeint ist). Ob es nun wirklich Echo - Neuronen gibt, ist auch gar nicht wichtig, denn es geht mir gar nicht wesentlich um den Beweis von solchen. Im Gegenteil, ich glaube, dass die Verlagerung von psychologischen oder philosophischen Begriffen hin zur Neurowissenschaft nur eine moderne Zeiterscheinung ist.  Mir geht es vielmehr darum, was der Begriff, das Bild oder die Metapher „Echo - Neuron" in der psychoanalytischen Wissenschaft oder auch einfach nur in einem generellen Dialog über das Wesen der Psyche, des Geistes, des Bewusstsein etc. bedeutet und was man damit darüber hinaus anfangen kann.

Denn wie bei den Spiegel -Neuronen, die beim Menschen schon seit langem nachgewiesen wurden, gibt es in der Psychoanalyse das berühmte Lacansche „Spiegelstadium" der kindlichen Entwicklung. Etwa mit eineinhalb Jahren erkennt sich das Kind im Spiegel und wird dabei von einem „jubilatorischen Taumel" erfasst. D. h., dass das Kind seine Großartigkeit zu erkennen glaubt, die vor allem dadurch vermittelt wird, dass es auf dem Arm eines Erwachsenen gehalten dessen Größe und Reife in sich antizipieren kann, also während des Spiegelungsvorgangs vorausgreifend in sich aufbaut. Nach Lacan bildet sich so die Ich-Struktur heraus samt der Eigenliebe, die man Narzissmus nennt, oder der Geltungssucht und anderer psychischer Dinge. Dies ist für das Kind eine notwendige Größenerfahrung, die es später natürlich der Realität anzupassen lernt.

Die Psychoanalytikerin D. Birksted-Breen hat diese Spiegelstadium - Erfahrung durch eine andere, gleichwertige und gleichwichtige bereichert. Sie sagt, dass in der menschlichen Psyche neben meist unbewusst ablaufenden Spiegelungsprozessen auch sogenannte "Widerhalleffekte" eine wichtige Rolle spielen. Der "Widerhall" ist wie der vom Linguisten F. de Saussure gefundene Signifikant ein lautlicher „ Prozess von Gegensätzen", von seelischen Echovorgängen, indem er zwischen Mutter und Säugling (Kleinkind), nämlich zwischen dem Reverie-Geplapper der Mutter und eben dem "widerhallenden" Antworten des Kindes entsteht.  Es findet also eine erste Hall -Widerhall, Anklang / Widerhall oder Signifikanten-Kombination statt, die noch keine ausgereifte Sprache darstellt, dennoch aber schon symbolische Grundlage hat. Es verlautet etwas, und in diesem Hin und Her der Verlautungen entsteht ein erstes Identitätsgefühl zwischen Mutter und Kind. Ja mehr noch, es entsteht ein Identitätsklang, eine Art eines ersten Losungswortes, wenn es auch vorerst nur Klänge, Laute und Vokale sind, aus denen dieses Wort-Klang-Widerhall-Geschehen besteht. Schon der Säugling kann sogar meist die rhythmische Lautfolge wiedergeben, die ihm vorgelallt wurde, dieses erste Es, Da oder Das also bestätigen, anerkennen.[1] D. Birksted-Breen zeigt Fälle auf, an Hand derer sich ganz klar nachweisen ließ, dass Menschen, denen diese Fähigkeit fehlt, nicht träumen können und daher auch meist schwere Schlafstörungen und psychische Probleme haben.

Diese Fähigkeit von bereits primitiven symbolischen Echos ist für das Kind und seine seelische Entwicklung also äußerst wichtig. Es ist egal ob wir diese Vorgänge nunmehr durch Echo-Neuronen bewirkt sehen oder nicht. Auch der Philosoph  A. Noë schreibt in seinem Buch „Du bist nicht dein Gehirn", dass wir uns heutzutage viel zu sehr von den Neurowissenschaften beeindruckt zeigen. Gewiss ist es gut, wenn man bei Psyche-, Geist- und Bewusstseinsfragen die Rolle des Gehirns miterklären kann, aber wesentlich ist es nicht. Für A. Noë liegt das Bewusstsein und das Seelische in erster Linie nicht im Gehirn, sondern im Kontext, in dem das Lebewesen mit seiner Umwelt und anderen Lebewesen steht und dynamisch interagiert. Dieser Kontext ereignet sich also eher in einer Art von hypersphärischem Raum, zu dem das Gehirn wahrscheinlich eine intensivere und komplexere Beziehung hat als ein einfacher Stein. Deswegen kann man also gelegentlich mal ruhig von Echo-Neuronen sprechen, wenn einem neurowissenschaftliche Bilder mehr liegen als andere. Aber der Begriff eines Echokontextes wäre vielleicht noch naheliegender.

In diesem Zusammenhang hat die Psychoanalytikerin S. Maielleo hat zum Beispiel aus ihrer Arbeit mit psychisch gestörten Patienten  heraus das „Erlebnis"- und das „Klang-Objekt" als erste seelisch-psychische Objekte des Menschen beschrieben.[2] Während das „Erlebnis-Objekt" wiederum genau mit unserem Spiegelungsvorgang korreliert (das Kind bzw. der Säugling erlebt erste Beziehungsaspekte zur Wärme, Bewegung und Emotionen der Mutter wie Spiegelungserfahrungen), stellt das „Klang-Objekt" exakt jenem zweiten,   ebenfalls schon frühzeitig auftretenden Vorgang dar, der mit dem „Widerhall", den Echo-Neuronen oder der Signifikanten-Kombination beschrieben ist. Auch Maiello geht davon aus, dass das Kind durch die Wahrnehmung erster Klanggeräusche, wie etwa der Stimme der Mutter, ihres Herzschlags etc., durch Laute also, deren Einordnung in das beim Menschen bereits früh ausgeprägte Hör-Sprech-System schon während der Schwangerschaft stattfindet, ein erstes (bzw. hier gleichzeitig zum Spiegelungsvorgang nunmehr zweites) seelisches „Objekt" aufbaut.[3]

In gleicher Weise äußert sich die Daseinsanalytikerin C. Spitzer: „Anklang und Widerhall können verstanden werden als Angesprochen-werden und Entsprechen, aber das Bild klingt viel tiefer, es resoniert so tief, wie wir es zulassen. Ein alter Aufsatz des leider fast vergessenen Psychiaters und Phänomenologen Eugen Minkowski aus dem Werk Vers un cosmoloqie hilft' uns nun zu vernehmen, wie das gelassene Wechselspiel von Anklang und Widerhall eine Form entstehen lässt, die das Gemeinsame erklingen lässt, indem sie die Tiefe des Eigenen berührt und zum Antworten bringt. Hinter der sinnlichen Wahrnehmung eines Klanges gilt es, das ganze Phänomen des Widerhalls zu sehen, so dass es zu einem lebendigen Ganzen gefügt werden kann:

Die Welt soll beseelt werden durch die Fülle durchdringender und tiefer Wellen, die auch wahrgenommen werden und harmonisch sind. Sie sind in der Lage, den ganzen Klangreichtum des Lebens zu bestimmen. Und dieses Leben selbst wird im Kontakt mit diesen Wellen in der Tiefe seines Wesens widerhallen. Sie sind gleichzeitig klangvoll und geräuscharm. Das Leben  
wird davon durchdrungen werden, damit zusammenstimmen und es wird leben und durch das Leben sich zu einem Ganzen vermischen. Das ist das Wesen des Phänomens des Widerhalls.[4]

Der Anklang spricht uns an, im Widerhall nehmen wir diesen Anklang auf und antworten. Die Anklänge zerstreuen sich über die Oberflächen dieser Welt, der Widerhall ermöglicht die Vertiefung unseres Daseins. . . .Widerhall ist daher mehr als Reflexion oder Echo. . . .  Das Dasein ist die offene Stelle in der Natur, dort, wo diese sich ihrer selbst bewusst werden kann. Damit diese Welt aus Schall und Vibration aus dem Verborgenen treten kann, braucht es ein daseinsmäßig erschlossenes Seiendes, in dessen Lichtung all dies zur Erscheinung kommt."

Auch wenn die Ausführungen Spitzers poetisch und daher vielleicht spekulativ sind, vermitteln sie doch gerade recht gut den Zusammenhang vom „Erlebnis" - und „Klang - Objekt", von Spiegel-  und Echo-Neuronen, von der Kombination der mehr bildhaften mit den mehr worthaften Signifikanten. Doch für was hat das Ganze jetzt einen Sinn? Was sollte man daraus entwickeln? Bereits Birksted-Breen und Spitzer haben ja betont, dass der „Widerhall" nicht eine simple Resonanz oder ein banales Echo sind. Sie wollen ihm eine größere Bedeutung zumessen, nämlich die einer Art erster Verständigung - wenn auch ohne wirkliche Kommunikation oder gar sprachlicher Enthüllung. Auch soll es nicht nur um Rhythmenwiedergabe gehen. Genauso wie das „Spiegelstadium" Lacans nicht eine reine Reflexion ist, sondern mit der Bedeutung des fast wahnhaften Größenselbsts, der antizipierten Machtbeherrschung einhergeht, so ist der Widerhall eben bereits eine Basissilbe, eine Wortwurzel, ein abgekürzter Name. Einen Grenzfall stellt die Musik dar, worauf ich hier der Kürze wegen nicht eingehen kann, denn man könnte sich musikalische Sequenzen vorstellen, die tatsächlich so etwas wie eine gezielte Bedeutung vermitteln. Ich greife jedoch hier lieber das AHAVA - Beispiel nochmals auf, weil die Widerhall - Effekte durch die drei As in diesem Wort besonders eindrucksvoll sind. [5] Vokalähnliche Laute könnten also vielleicht am ehesten das repräsentieren, um was es hier gehen soll.

Denn natürlich greifen Trommellaute ins Unbewusste ein, aber sie vermitteln zu wenig das, was zwischen Mutter und Säugling  ja in ausgedehnterer, intensiverer und eben auch bedeutungsgeladenerer Weise sich abspielt. Doch auch die fertige Sprache der Mutter dringt nicht so ins Unbewusste des Kleinkindes ein, dass dort ein basaler Halt, die Basis für späteres eigenes sich Verlautenlassen, eine perfekte Stütze des eigenen Ichs entsteht. Eben so etwas muss jedoch umgekehrt, will man therapeutisch arbeiten, dem Unbewussten angeboten werden. Birksted-Breen verweist deswegen auch darauf, dass insbesondere die „Reverie des Analytikers" diese Arbeit übernehmen kann. Es ist nicht die vordergründige Rede des Therapeuten, sondern die Tatsache, dass er fast schweigend und mit „schwebender Aufmerksamkeit", also fast mit Träumereien (Reverien) beschäftigt dem Patienten sich zuwendet, um die Stelle im Unbewussten aufzurufen,  die, erweckt und errichtet als „Anklang / Widerhall" - Objekt, als Kombination des „Erlebnis-Klang-Objekts" im Patienten fehlt.

In den meisten meiner Veröffentlichungen habe ich als wirksames Element dieser Erweckung die Kombination Bildhaft (Spiegel, Erlebnis-Objekt) / Worthaft (Echo-Rede, Klang-Objekt) in den Vordergrund gestellt, während hier scheinbar die Worthafte Seite mit der Widerhallbetonung mehr ins Gewicht fällt und an ihr  das festgemacht werden kann, was in der Analytische Psychokatharsis als dem Ziel meines hier erstellten Artikels zentral ist: die Formel-Worte. Sie sind die idealen Anklang-Widerhall-Elemente (weil aus lateinischen vokalreichen Worten zusammengesetzt), sie enthalten die besten Reverien (weil in einer Formulierung mehrere Bedeutungen enthalten sind wie in einem komplexen Traum), und sie wirken speziell durch ihre Bild-Worthaftigkeiten (weil kein eindeutiger Sinn schon von vornherein vorgegeben ist). Eine Übung mit diesen Formel-Worten kann also diese fehlende Anklang-Widerhall - Instanz im Unbewussten aufbauen helfen, so wie es der Analytiker tut. Doch bevor ich genau darauf eingehe, nochmals einige allgemeine Bemerkungen.

Widerhalleffekte des Unbewussten enden da, wo diese Art des „Klang-Objekts", des VERLAUTET oder SPRICHT, wie ich diesen „Widerhall" auch nenne, auf das STRAHLT oder SCHEINT trifft (wie ich die Spiegelungen, die Spiegelneuronen als kompakte Elemente auch bezeichne). Diese Bezeichnungen sind aus vielerlei Gründen idealer, weil sie einerseits zwar allgemeiner gehalten sind, andererseits aber auch zutreffender wirken. Ob jemand von einem esoterischen STRAHLT spricht (was einfach mythisch ist) oder davon, wie Quanteneffekte für die Wirkungen der Psyche und des Bewusstsein zu verstehen sind (was unsinnig ist, wenn man den Bezug rein physikalisch begründen will) oder ob jemand - wovon wir ausgegangen sind - neurologische Aspekte in den Vordergrund stellt, ein Es, das SCHEINT oder STRAHLT ist ein recht zutreffender Ausdruck für das Es der Neuronenenergie (hier wird allerdings oft vom „Feueren" der Neuronen gesprochen, was eher poetisch klingt als wissenschaftlich). Und nicht anders ist es beim VERLAUTET oder SPRICHT.

Hier kann nämlich der Widerhall zwar eben doch zum Echo werden, aber es ist ein Echo der anderen Art. Denn an seinem tiefsten Punkt ist das Unbewusste gleichzusetzen mit dem „Urverdrängten", das, wie Freud meinte, eine reine libidinöse Gegenbesetzung ist. Die energetische Besetzung im menschlichen Unbewussten kehrt sich einfach um, man hat dies auch als die Umkehrfunktion des Unbewussten und des Traums bezeichnet. „Die Umkehrung, die Verwandlung ins Gegenteil, ist übrigens eines der beliebtesten, der vielseitigsten Verwendung fähigen Darstellungsmittel der Traumarbeit", schreibt S. Freud.[6] Auch bei kleinen Kindern (und nicht nur dort) finden wir ja oft diese völlige Umkehrung: Hans behauptet, nicht er habe Fritz geschlagen, sondern Fritz Hans, auch wenn alle das Gegenteil beobachtet haben. Der arme Kerl kann nichts dafür, die Umkehrung hat etwas mit der Urverdrängung zu tun, der ersten, tiefsten und generellsten „Gegenbesetzung". Immerhin ist diese Reaktion eine der erstaunlichsten Leistungen der unbewussten Psyche, denn sie ist es auch, die mitwirkt, dass wir eine Sprache sprechen. „Das Wort ist Mord an der Sache", sagt Hegel, was heißen soll: verändert die Sache ins Gegenteil, in ein reines abstraktes Symbol anstelle der wirklichen Gegebenheit. Wenn wir sprechen stellen wir - verkürzt ausgedrückt - die Welt sozusagen immer ein bisschen auf den Kopf.

Gerade durch die Umkehrung wird klar, dass es um Bedeutungen gehen muss, um ein Es, das SPRICHT und nicht einfach nur „ist". Um das bisher Gesagte anschaulich zu machen, zeige ich hier eine Graphik. Links stehen die Spiegelaspekte, also das rein Reflektorische zu dem ich hier jetzt auch ein simples Echo gerechnet habe, denn es spiegelt ja nur Schallwellen wieder. Auch der Widerhall ist hier völlig redundant, bedeutet also nichts, verheißt nichts, ist wie das „weisse Rauschen" im Fernsehen. Rechts dagegen ist der Widerhall resonant und rhetorisch, so wie ihn die Psychoanalytikerin Birkstedt-Breen auffasst. Der Signifikant, der ja aus der Linguistik stammt und mit „Bedeuter" übersetzt werden könnte, steht ebenfalls hier. Links ist also der „Effektor" (der durch Speigelungen Effekte macht, „Erlebnis-Objekt"), rechts der „Bedeuter", der etwas sagt. Aber zwischen diesen beiden gegensätzlichen Aspekten findet sich ein Drittes: hier geht es um das, auf das ich in diesem Artikel abziele. Ich fange bei der untersten in der Klammer stehenden Bemerkung an, um diese Mitte der Graphik zu erklären: bei den Offenbarungen.

Offenbarungen waren mehr als eine Kombination von Spiegel- und Echo-Neuronen, mehr als nur ein STRAHLT / SPRICHT. Und doch, gerade in einer innigen und kombinatorisch gelungenen Form könnte eine Offenbarung rein formal zutreffend beschrieben ein derartiges Zusammenwirken zweier elementarer Kräfte in einem Wort-Klang-Bild gut dargestellt werden. Rein formal, denn natürlich ist die Offenbarung ja inhaltlich sehr reich. Sie hat nur - und darum geht es hier eben auch - einen Nachteil: sie ist zu persönlich, zu personal, personenbezogen aufgebaut. Die Götter reden hier wie die Tiere im Märchen: obwohl sie als Geistwesen nicht greifbar sind, haben sie doch Stimme und perfekte Sprachkenntnis (am besten haben dies die alten Ägypter vermittelt. Bei ihnen haben die Götter Tierköpfe, Religion und Märchen sind also ideal vereint).

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Weil die Menschen in den mythischen Zeitaltern also noch stark mit dem verbunden waren, was ihre Väter und Urväter geglaubt haben, weil sie sich Welt, Schöpfung, seelisches Erleben etc. nicht anders vorstellen konnten als durch mythische Figuren vermittelt, hat sich ihre Kombination aus Spiegel- und Echo - Neuronen (ich gebrauche jetzt absichtlich wieder diese Metapher) in Gestalten und deren geradezu dichterischen Wortschwall ausgedrückt. Hier hat nicht Es gesprochen, sondern ein Er, der auch noch dazu gestrahlt hat, und dadurch hat es zweifellos eine gute Wirkung - sogar über Jahrtausende - gezeigt. Wir leben aber heute in einer wissenschaftlichen Zeit und deswegen wird es heute und auch in Zukunft nicht mehr Offenbarungen dieser Art geben. Wer heute eine Gottesvision hat und dazu entsprechende Sprüche in sich hört, wandert zuerst in die Psychiatrie. Wenn es heute jemanden gäbe, der uns eine perfekte Offenbarung vermitteln würde, wäre das wunderbar. Aber es gibt dies eben nicht mehr. Die Menschen haben damals in engster Beziehung zu ihren Ahnen, Toten und guten und bösen Geistern gelebt. Dass es ein Es geben könnte, das STRAHLT und SPRICHT hätten sie nicht verstanden oder für Blasphemie gehalten.

Wir heute müssen die Wissenschaften jedoch in eine derartige Kombination zumindest einbeziehen. Oder umgekehrt: wir müssen diese Kombination des Strahlt / Spricht in die Wissenschaften integrieren, und dies habe ich ja gerade angedeutet, dass so etwas von der Physik der Quanten angefangen bis zur Religion (Spiritualität), von der Psychoanalyse bis zur Neurowissenschaft durchaus möglich ist. Nun genügt es freilich nicht, nur diesen äußeren rein formalen Rahmen zu haben. Der Rahmen muss ausgefüllt werden, und wenn wir eben heute keine Offenbarungen mehr haben, die ihn ausfüllen würden, und dies auch mit Physik und Spiritualität aus innerer Unlogik heraus ebenfalls nicht klappt, dann müssen wir neue wissenschaftliche Formen dafür finden. Die Psychoanalyse bietet uns hier ein Gespräch an, das, so könnte man sagen, außerhalb von Raum und Zeit stattfindet, denn es wird nichts thematisiert oder besprochen, sondern den freien Einfällen und Entgegnungseinfällen, den Träumen und Gegenträumen überlassen. Die Methode ist gut aber sehr umständlich, weshalb ich einen ähnlichen und eben doch etwas anderen Weg anbiete.

Denn zwischen dem Verlauten als Anklang / Widerhall, als - wie Lacan es auch nennt „universalem Gemurmel", als einem Durcheinander der Buchstaben oder des Satzsinnes, und der totalen Umkehrung des SPRICHT hin zu einem STRAHLT und anders herum, gibt es also ein Drittes: das Formel-Wort, das genau so konstruiert ist wie der Kurz- oder Schlüsselsatz in der Analytischen Psychokatharsis, und das noch übertrumpft werden kann durch das, was man idealerweise ein Kenn- oder Passwort nennen kann. Dazu nochmals ein kurzer Aufriss:

Ich habe ja bereits betont, dass von den Offenbarungen angefangen bis zur Einsteinsche Relativitätstheorie alles wunderbare Kombinationen aus Strahlt / Spricht, aus Spiegel- und Echo - Neuronen sind. Rein formal sicher nur. Inhaltlich stellen sie viel mehr da, aber wie Freud einmal treffend sagte: alle haben sie eine kleine Macke. Die Philosophen und Künstler sind sublime Hysteriker, die Gläubigen und ihre Theologen ein wenig zwangsneurotisch und die Wissenschaftler ein bisschen Paranoiker (darin hat er sich auch selbst etwas eingeschlossen). Dass dies so ist, liegt daran, dass wir - wie bereits gesagt - keine wirklich guten Offenbarungs-Propheten mehr haben oder eben alle anderen Versuche, in denen ein Mensch einem anderen etwas beibringen will, immer von den Eigenheiten, von der Subjektivität und dem Zeitgeist des Beibringers etwas gefärbt sind. Dies ist natürlich, könnte man sagen, bei den von mir entwickelten Formel-Worten genau so. Aber die Sache endet ja nicht damit. Diese Formulierungen sollen ja nur - auf wissenschaftliche Weise aufgebaut - helfen, dass jeder seine eigenen Worte aus dem Unbewussten (oder unter Einbeziehung des Unbewussten) finden kann. Dann nenne ich sie Kenn-Worte. Dazu ein einfaches Beispiel:

Einer meiner Kandidaten, die die analytische Psychokatharsis praktizieren, hörte einmal oder hatte wie aus der Tiefe oder von wie her den Gedanken: „ist´s der Kennvogel". So etwas klingt fast wie ein Traum, aber der Übende war wach und hatte die Formulierung noch „wie im Ohr". Ich muss zugeben, so etwas gibt es manchmal auch beim „Aufträumen". Hat man in dem Moment wo man schon wach wird etwas gehört oder gesagt, klingt das so, als wäre es gerade real passiert. Auch von Berührungen habe ich solches schon oft gehört: man hat im Traum die Hand von jemand gehalten und im Aufträumen spürt man noch den Druck der Finger des anderen eine zeitlang nach, manchmal vielleicht sogar Sekunden. Egal, hier in diesen Fall, war das „ist´s der Kennvogel" durch die Übung mit den Formel-Worten entstanden. Und dem Betreffenden war sofort klar, was gemeint war. Erstens war er ornithologisch interessiert, er musste und wollte jeden Vogel kennen. Zweites hieß sein Chef Vogel. Und drittens dachte er sofort auch an das im Volksmund übliche „der hat einen Vogel".

 

„Ich muss nicht jeden Vogel kennen", sagte er, „aber es ist wohl so, dass man als Ornithologe nach irgendeinem sucht, dem interessantesten, dem ultraschönsten. Sodann dachte ich anfangs schon, die Analytische Psychokatharsis führt vielleicht dahin, dass man einen Vogel kriegt, aber letztlich ist dieses Wort, der „Kennvogel" für mich jetzt ein ideales Instrument zur Selbsterkenntnis. Ich muss meinen Vogel kennen, meinen Chef, vielleicht geht dann manches besser, und all die anderen Leute auch, denen ich vielleicht einen Vogel unterstelle. Der wahre „Kennvogel" aber bin ich selber. Mir gefällt das, was mein Unbewusstes mir da zum Denken gegeben hat."

Es gibt also außer der klassischen Psychoanalyse eine einfache Methode, wie man in diese Zusammenhänge der Signifikanten oder der Spiegel- und Widerhall-Neuronen eingreifen kann, wenn sie nämlich durch irgendwelche Unfälle, Traumen oder sonst etwas gestört sind. Und sie sind eben immer etwas gestört. Man muss nur eine besondere, eigene, wissenschaftlich hergestellte Signifikantenkombination verwenden, also etwa etwas, das wie eine erste Kombination des Birksted-Breenschen Widerhalls oder eine Widerhall-Spiegelungs-Kombination, mit der man ins eigene Unbewusste interveniert. In meinen Artikeln über Sprachentstehung und AHAVA (hebräisches Wort für Eros) habe ich von anderer Seite her diese Phänomene bereits ausführlich abgehandelt. In vielen anderen Veröffentlichungen habe ich erklärt und nachgewiesen, dass anhand psychoanalytischer Voraussetzungen genau die Art der Formel-Worte (ihre Mehrfach-Struktur in einer Fomulierung) das ideale Instrument für die Analytische Psychokatharsis ist. Neu ist in diesem Artikel der Begriff des Kenn-Wortes, und ich glaube es ist klar, dass dies eine eigene Kreation des Übenden ist, zudem eine Erweiterung und teilweise Ersetzung der klassischen Psychoanalyse. Jeder sollte seine Kenn-Worte finden und damit sein Wort machen, d. h. seinen tiefenpsychologisch ausgeloteten Diskurs.

[1] S. Freud sprach hier vom ES, die Daseinsanalytikerin C.Spitzre vom Da des Anklangs / Widerhalls und der Psychoanalytiker D. Symington vom Das, von der Dasheit des Zwischenmenschlichen.

[2] Kaminer, I., Die intrauterine Dimension des Menschen, Psyche Nr. 2 (1999) S. 101-136

[3] Maiello, S., Das Klang-Objekt, Psyche Nr. 2 (1999) S. 137-157

[4] Minkowski (1967: 66); Übersetzung van Roosendahls und Verf ..

[5] Siehe den Artikel AHAVA unter analytic-psychocatharsis.com. Das hebräische Wort AHAQVA bedeutet Liebe in einer äußerst umfassenden Form, hat also sowohl irdische wie auch transzendentale Bezüge.

[6] Freud, S., Die Traumdeutung, GW Bd. II / III, Fischer TB Verlag, S. 332 (1999)