Paralleluniversum und Esoterik

Laut der bekannten amerikanischen Physikerin L. Randall leben wir in einem Multiversum. Es gibt zumindest zu dem uns bekannten noch ein Paralleluniversum, das jedoch nicht weit von uns entfernt ist. Im Gegenteil, es ist nur 10-31 cm von uns getrennt, und das heißt

eigentlich fast mit dem unseren identisch. 10-31 cm ist eine so ungeheuer kleine Distanz, dass sie überhaupt nur schwer messbar und schon gar nicht mehr vorstellbar ist.

Doch gerade diese enge Verbundenheit liefert den Physikern von heute die beste Möglichkeit so unklare Dinge wie die Dunkle Materie und Dunkle Energie und den Zusammenhang zwischen Quantenmechanik und Relativitätstheorie (die sogenannte Quantengravitation) zu interpretieren. Aber sie liefert auch Wasser für die Mühlen der Esoteriker, die nunmehr glauben, alle geheimnisvollen Kräfte, die dem Menschen direkt zugänglich sind - wie etwa Psychokinese - zu erklären.

Doch L. Randall widerspricht einem solchen Zusammenhang aufs heftigste. Es gibt nämlich nur sehr vereinzelte enge Stellen, Durchtunnelungen, an denen ein Durchgang von einem Teil des Multiversums in einen anderen (Paralleluniversum) möglich ist. Auch wenn das zweite Universum direkt in uns versteckt ist, ja bis zum Geht-Nicht-Mehr mit uns verklebt und zusammenhängend ist, gibt es keine Chance einer Verbindung als nur die genannte Durchtunnelung, die hohe Energien und Materie-Masse-Umwandlungen erfordert.

Dennoch ist die Tatsache der 10-31 cm nahen Trennlinie so faszinierend, dass man damit spekulieren muss. Ich schlage dafür jedoch eine andere Wissenschaft als die Physik vor. Auch in der Psychoanalyse sprechen wir von derartigen Phänomenen einer äußerst engen Durchtunnelung, nämlich der vom Bewussten zum Unbewussten. Lacan spricht hier von den „défilés logiques“ oder „défilés signifiantes“, den logischen oder signifikanten Engführun­gen, die im Traum, im Sich-Versprechen oder psychischen Fehlhandlungen sichtbar werden. In Mystik und Religion hat man ähnliche Durchtunnelungen vom Diesseits ins Jenseits behauptet.

In dem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis konnte ich diese eher psycho-physisch zu nennenden Phänomene noch besser theoretisieren und auch direkt erfahrbar machen. Doch auch wenn ich hier psycho-physisch sage, hat dies nichts mit den physikalischen Vorstellungen von L. Randall zu tun. Physik bleibt Physik, während ich mich hier auf den generellen Substanzbegriff beziehen kann, wie er uns seit Aristoteles bekannt ist.

Die Substanz, griechisch die Usia, beinhaltet nicht ein physikalisches Sein, sondern das Wesenhafte, Elementare, das Eine als solches. L. Randall wird natürlich lachen und sagen: da haben wir es wieder, die Metaphysiker wollen die Gesetze der Materie und Energie, der Quantengravitation und anderer neuerer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse nicht anerkennen. Doch darum geht es nicht. L. Randalls neuestes Interesse gilt der Stringtheorie, die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals wird experimentell beweisen lassen wird, wie die Physikerin selbst zugibt. Damit tritt sie selbst in einen mehr mathematisch-konjekturalwissenschaftlichen Bereich ein, und dies ist genau der, von dem ich auch – von der Psychoanalyse her kommend – sprechen möchte. Dies tue ich in einem Folgeartikel mit dem Titel: Konjekturalwissenschaft, Multiversum und Psyche.