Konjekturalwissenschaft, Multiversum und Psyche

Fortsetzung des Artikels mit dem Titel „Paralleluniversum und Esoterik“.

Nikolaus von Kues spricht in seinen philosophisch - theologischen Schriften von jener linea maximalis et infinita, der größten und unendlichen Linie, die die Wesen in Liebe verbindet. Er geht von den Konjekturen aus, präzisen Bahnen der Vermutung, die man in immer weitere Präzision treiben kann. (Werke, Meiner, 2002). Die höchste Präzision ist seiner Meinung nach Gott, aber der Mensch kann an sie sehr nahe heran kommen.

Auch in der Mathematik nutzt man die Konjekturen, die Vermutungen, die man dann durch Rechenschritte präzisieren muss. Auch in der Psychoanalyse geht man so vor. Man gibt den Assoziationen des Patienten immer präzisere Deutungen, bis schließlich ein Maximum erreicht ist, das das krankhafte Symptom zum Verschwinden bringt.

Besser also als mit der Physik lässt sich mit der Konjekturalwissenschaft arbeiten, wenn es um Grundsatzfragen geht. Physikalische Gesetze werden dadurch nicht gestört. Es ist jedoch so, dass die Physik ihre Gesetze durch einen gewissen Eingriff in die Natur und gleichzeitig durch eine Fixierung aufs Objekt erzeugt. Es ist die Frage, ob es immer so relevant ist übder die aller- allerkleinste und extrem weit entfernte Materie Bescheid zu wissen, wenn dies nur mit ungeheurem und möglicherweise eines Tages auch gefährlichen Experimenten gelingt. Andererseits ist es ebenso die Frage, ob die ganz moderne Physik mit Ihrer Supersymmetrie, Quantengravitation und vor allem der Stringtheorie überhaupt noch Physik ist, sondern eben auch eher Konjekturalwissenschaft, die sich um die präziseste Konjektur mittels einer an Physikalisches und Mathematisches angelehnten Sprache bemüht.

Dann muss man sich fragen, ob Strings nicht eher etwas rein Substanzielles sind, also weder durch Energie, Masse noch sonstige Eigenschaften von Materie im strengsten Sinne bedingt sind. Bedingt heißt aufs Dinghafte, Substanzielle zurückzuführen. Ob wir vom Kantschen oder Lacanschen „Ding“ reden, oder von einem Nichts als Etwas, es ist egal, wie wir es nennen. Gehen wir von der Psychoanalyse als Konjekturalwissenschaft aus, wissen wir, dass der Gedanke sehr wohl den Körper beeinflussen kann, das weiß sogar jedes Kind. Aber natürlich kann er nicht einen anderen Körper beeinflussen, auch wenn dieser wie beschrieben mit dem unseren so verwachsen ist wie das Paralleluniversum mit dem unseren.

Man kann dem anderen Körper ein „Ding“ anbieten, ein sprachliches wie in der klassischen Psychoanalyse durch die Übertragungsdeutung oder in der Religion durch die Beseelung einer Offenbarungsgewissheit. Sicher kann man das „Ding“ auch durch einen Kurzschluss in der Physik erreichen, wenn man den anderen Körper z. B. mit schnellen Protonen bestrahlt, auch wenn dies seine Nebenwirkungen hat. Auch die Religion und die Psychoanalyse haben Nebenwirkungen. Sie sind vielleicht nicht mehr auf der Höher der Konjekturalwissenschaft, auf der sie einmal waren. Ich empfehle deswegen die Analytische Psychokatharsis, weil sie ein „Ding“ vermitteln kann, das konjekturalwissenschaftlich diesem „Psycho-Physischen am nächsten kommt. Es ist ein Wort-Klang-Bild (ein Ausdruck den schon Freud mehrfach benutzt hat), jedoch eines, das von der Topologie (der Einsteinschen Geometrie her) und vom Sprachlichen her besondere Bedeutung hat. Ic h habe es in der Broschüre „Die körperlich kranke Seele“ beschrieben.