Die-Bild-Wort-Kombination

Schon mehrmals habe ich darüber geschrieben, dass Lacan das Freud´sche Trieb-Struktur-Konzept etwas umformuliert hat. Satt der Eros-Lebens- und der Todestriebe stellte Lacan den auch von Freud schon mehrfach erwähnten Schau- bzw. Wahrnehmungstrieb und den Invokations- bzw. Sprechtrieb als die primären psycho-physischen Kräfte heraus. Letztlich ist diese Konzeptualisierung viel plausibler als die Freud´sche, weil sein umfassender und komplexer ist. Wahrnehmung gibt es schon im biochemischen Bereich, wenn etwa ein simpler Eiweißkörper durch Zusammentreffen mit einem anderen chemischen Substrat seine Faltstruktur ändert. Es hat dann nämlich nicht nur eine Perzeption (primitive Wahrnehmung), sondern auch eine Speicherung dieses Vorgangs stattgefunden, ist also ein Gedächtnis entstanden. Ähnliches gilt für die Entäußerung von Lauten (Invo-kation). Zur völligen Vereinfachung habe ich diese beiden psycho-physischen Kräfte auch als STRAHLT (Zeigt, Erscheint) und SPRICHT Verlautet, Invoziert) bezeichnet.


Es ist nicht schwer diese Vereinfachung in Form solcher Kurzformeln innerhalb der Psychoanalyse unterzubringen. Aber für den allgemeinen Leser mag dies anders sein. Theoretisch kann man vielleicht noch nachvollziehen, dass das STRAHLT z.B. ein universelles Ausstrahlen ist, egal ob substanzlos oder materiell, aber beim SPRICHT wird dies schon schwieriger. Noch schwieriger wird es, wenn  man sich eine gelungene Kombination der beiden Kurzformeln vorstellen soll. Von der Seite des STRAHLT her habe ich schon viele geometrische,  topologische und andere möglichst formale Figuren oder gar nur Zeichen dargestellt. Durch derartige Vereinfachungen, Schematisierungen, gelingt es, dem STRAHLT ein Bild zu geben ohne die wichtige Funktion des SPRICHT als Worthaften durch das Bild hafte zu vernachlässigen. Die Katharsis soll nicht durch ein eindeutiges Bild hervorgerufen werden, da ein solches als Attraktor weitere Bilder nach sich zieht. Kurz: es kann dann ein anamorphotischer Effekt entstehen, bei dem aus einem Bild ein anderes sich automatisch wandelnd ergibt. Man wird sozusagen in eine optische Halluzination geführt. Künstler haben solche Bildwandlungen gerne dargestellt. In dem oben nebenstehenden Bild von S. Dali sieht man zwei Personen in der Mitte mit schwarzen Hüten, die jedoch auch die Augen einer Büste des Philosophen Voltaire sind und somit das Bild sich in diese zwei Richtungen wandeln kann. In einem Film, der ja nicht so wie dieses Bild statisch ist,  können sich jedoch noch viel mehr Wandlungen ergeben.


Eine eindrucksvollere Anamorphose allerdings zeigt das Bild „Die Gesandten“ von H. Holbein (links nebenstehend). Unten mittig-links ist dort ein verzerrt dargestellter Totenschädel zu sehen, der erst bei einer Betrachtung von ganz links oben her als solcher zu erkennen ist (siehe das entzerrte Bild rechts). Das Bild enthält auch noch andere Verschlüsselungen, die auf den Kreuzestod Christi und dessen  Datum und Uhrzeit verweisen. Es verhält sich wohl so, dass der Totenschädel einfach ein „Memento mori“ (Verkürzter Ausdruck für „Bedenke, dass du sterben musst“) darstellt, was aber auch eine hintergründige Botschaft der Gesandten an denjenigen sein könnte, zu dem sie geschickt wurden. Hier erreicht also das reine Bild, sein STRAHLT, schon ein gewisses SPRICHT. Hier wäre also eine Kombination beider Kurzformeln erreicht. Jedoch kann sie nur zu einer kunsthistorischen und religionsbezogenen Bedeutung beitragen. Ich will jedoch eine psycho-physisches Therapieverfahren entwickeln. Dazu sind derartige Bilder nicht verwendbar. Wie oben geschildert, würde eine meditative Beschäftigung mit auch noch so  interessanten und anamorphotisch aufgebauten Bildern nur zu einer ungesteuerten Bilderflut, zur Blickverwirrung führen.

Eine für meditative Zwecke idealere Darstellung und totale Schematisierung wäre eine Kreuzschreibung des STRAHLT / SPRICHT wie hier nebenan unten gezeigt. Bildhaft ist hier nur das Kreuz, das Worthafte drängt sich aber etwas vor, und so beeindruckt es vom  Bildcharakter nicht sonderlich. Das christliche Kreuz ist für viele Menschen ein starkes Symbol, wenn dies auch für meine Betrachtung hinsichtlich der Analytischen Psychokatharsis keine Rolle spielen soll. Dennoch ist das Kreuz ja auch und vorwiegend als eine Überschneidung zweier Linien zu sehen, was an die Topologie des  Möbiusbandes erinnern könnte. Eine derartige Überschneidung der Linien findet man auch im altägyptischen Lebenskreuz, dem ANKH. Dagegen ist es sicher unsinnig wie etliche Autoren zu behaupten, das christliche Kreuz sein vom ANKH her übernommen worden. Viel plausibler ist es, dass es eben diese topologische Überkreuzung zweier Linien vermittelt. Dennoch erscheint mir eine reine Überkreuzung von Linien nicht ausreichend, um die gelungenste topologische Kombina-tion der Kurzformeln darzustellen. All dies ist der Grund, warum ich eher andere Bildsymbole verwenden möchte, insbesondere auch solche, die jeder für sich selbst erfinden kann.


Denn wichtig ist ja nur, dass eine sehr deutliche Vereinfachung des Bildhaften vorliegt und diese gut mit dem Worthaften verbunden ist, wenn man die Analytische Psychokatharsis verstärkt erfahren will. Dazu kann nämlich ein eindrucksvolles Wort-Bild-Schema hilfreich sind. Besser als das oben gezeigte Bild-Wort-Schema kann jedoch Verständnis und Wirkung davon ausgehen, wenn das STRAHLT / SPRICHT auf eine dem oben genannten Möbiusband ähnliche Struktur aufgeschrieben ist. Das nebenstehende Bild zeigt eine solche Figur. Man könnte sie sich verwunden wie das Möbiusband vorstellen. Hinzu kommt jedoch noch, dass es die auf jeder Schreibtastatur zu findende &-Zeichen (und-Zeichen) darstellt. Als solches steht es der Kopula nahe, dem Verbindungs-Zeichen, und Verbindungszeichen spielen bekanntlich in der Psychoanalyse Freuds eine große Rolle, womit sich der Kreis wieder schließt.


Noch hilfreicher freilich ist es, wenn nicht nur die für die Theorie wichtige Darstellung vorhanden ist, sondern auch eine, die direkt an der Schnittstelle Theorie / Praxis sitzt. Exakt dazu dienen ja die Formel-Worte. Wenn diese formelhaften Formulierungen auf eine derartige Figur geschrieben sind, kann man die Darstellung direkt wie ein Meditationsfigur, ein Mandala, ein ikonisches Werkzeug verwenden. Denn dann wird man sowohl der Dynamik der Buchstaben ausgeliefert sein als auch der des bildlichen Zeichens. In anderen Veröffentlichungen habe ich daher auch ein Möbiusband in dieser Weise beschrieben, was die gleiche Wirkung haben dürfte. Auch in der hier nebenan stehenden Abbildung sind die Buchstaben eines Formel-Wortes so geschrieben, dass man sich die schwarzen Buchstaben vorne, die dunkelgrauen hinten auf die Figur geschrieben vorstellen muss, so als sei das Figurenband in sich verdreht.


Wie jedoch oben erwähnt, kann jedes Zeichen, jede Figur, die eine einfache kompakte Struktur haben, dazu verwendet werden. Es kommt ja nur darauf an, dass die Figur nicht zur Bilderflut verführt und man sich so in optische Visionen verstrickt, anstatt bei der konkreten Kombination des Wort-Bild-haften zu verbleiben. Dazu muss man also überhaupt nichts von diesen Hilfsangeboten verwenden, wie ich sie hier aufgeführt habe. Aus der Erinnerung allein kann man das STRAHLT, die Formel-Worte und das SPRICHT direkt anwenden. Dennoch schreibe ich Artikel über verschiedene theoretische, bildhafte, psychoanalytische und andere Zugänge zur Analytischen Psychokatharsis, weil das Verständnis für die Methode, ihre Wissenschaftlichkeit und Logik wichtig ist. Die Praxis selber ist ja sehr einfach, und daher bedarf es eines ausführlicheren Rahmens.