Gottes Drecksarbeit

Niemand kann Gott sein, aber bei seiner Arbeit können wir ihm schon helfen. In seinem Buch „Der junge Mann Luther“ schrieb der Psychoanalytiker E. Erikson, dass Luther dies recht deutlich erkennt hätte, nämlich in der Form, dass einer ja schließlich die Drecksarbeit machen müsse und das könne man ja schlecht immer nur Gott überlassen. Als dieser eine musste Luther sich schließlich selber sehen und auch E. Erikson dachte dies von sich. Denn unter den Ärzten der Wiener Psychoanalytiker war er als Laie nicht so anerkannt und seine Schriften fanden nicht die gleiche Bestätigung wie die der akademisch-medizinischen Psychoanalytiker. Er musste also echte psychoanalytische Arbeit leisten, während die anderen Freudianer sich auf ihrer Professionalität ausruhen konnten. So dachte er wohl zumindest.

 

Doch auch Luther hat nicht wirklich nur die Drecksarbeit machen müssen und auch ich schreibe dies ja nur, weil ich ebenso manchmal denke, ich müsste es tun, obwohl es nicht so ganz stimmen kann. Ich glaube aber, dass wir Gottes Job machen müssen und zwar weniger deswegen, weil er so überlastet wäre, sondern mehr deswegen, weil wir ihn nur so kennen lernen können. Einfach nur vom Baum der Erkenntnis essen ging freilich nicht, aber auch als etablierte sogenannte Stellvertreter von ihm. Lernen wir nicht genug. Wir eignen uns dadurch Theorie an, aber nicht Praxis. Natürlich sind Patres, Priester und Diakone Helfer in Sozialfragen und Alltagsproblemen. Sie sind Verhaltenstherapeuten, denn sie helfen uns auf die Sprünge uns richtig hinsichtlich der Religion zu verhalten. Doch sind sie keine Psychoanalytiker, sie dringen nicht tief genug ins wahre Seelenleben vor. Schon lange haben sie diesen Job an die wissenschaftliche analytische Psychotherapie abgegeben. E. Drewermann, Theologe und Psychoanalytiker wird dies jederzeit nachdrücklichst bestätigen.
Nun dringt Gott, der Eine,  selbstverständlich tiefer in die Seele ein als ein Psychoanalytiker, der von seinen Patienten immer wieder für einen anderen gehalten wird, was man dort Übertragung nennt. Doch muss es einen Punkt geben – wenn ich dies jetzt so pauschal und unwissenschaftlich sagen darf -  an dem sich beide treffen. Denn für den Psychoanalytiker ist Gott ja nicht ein personaler Geist, sondern ein rein struktureller. Der Psychoanalytiker nennt ihn daher auch nicht mehr so, sondern spricht einfach – wie etwa J. Lacan – vom großen Anderen (verkürzt A), vom „Schatzhaus der Signifikanten“, was heißen soll, vom Ort, wo das Wort des Vaters auch der Vater des Wortes ist. Es so zu sagen ist ein Trick von mir oder besser: ein hilfreiches Konstrukt. Denn was wiederum ist ein Vater? Gott wird gerne als universeller Vater gesehen, schließlich hat gerade Christus immer betont vom „Vater“ gesprochen, der im „Himmel“ ist. Ich setze das alles in Anführungszeichen, weil jedes Wort, jeder Begriff, jeder Signifikant eine Unschärferelation in sich birgt. Unschärferelation ist wiederum ein Ausdruck des Physikers W. Heisenbergs für die letzten Dinge im Bereich des Mikrokosmos. Unschärfen gelten auch für den Makrokosmos und der Semantiker Gamm ist der Ansicht, dass man sowieso nichts mit Bestimmtheit sagen kann, egal, ob man es jetzt als Dichter oder als Wissenschaftler tut, ob man von Sex redet oder von sonst etwas (Nicht nichts, Studien zu einer Semantik des Unbestimmten, Suhrkamp (2000) S. 227).
Ein Signifikant – könnte ich jetzt weiter sagen – ist eine unscharfe, wenn auch sehr reale Einheit des Sprechens und der Sprache. Doch so schließe ich den Kreis der Unklarheiten und Unbestimmtheiten nur noch mehr und ziehe die Schlinge meiner Aussagen endgültig zusammen. Versuchen wir es so: wir bleiben jetzt bei dem Anderen (A), der nur das Andersherum des Einen ist. Schließlich heißt es ja immer, dass wir nach den Bild des Einen gemacht sind, aber wir sind doch eben andersherum gemacht, weshalb ja schon Adam und Eva schwer sündigen konnten. Nun möchte ich aber trotz aller Unschärfen die Verbindung oder Kombinatorik finden, die von Einem zum Andern und wieder zurück geht. Dabei kann man den Anderen ruhig als den unbewussten Andern sehen, wie ihn Lacan fasst. Denn letztendlich ist ja gerade diese Verbindung oder Kombinatorik unbewusst, was freilich einschließt, dass auch Gott nicht in dem Sinne bewusst ist, wie wir das verstehen. Auch die Mathematik ist sich ja ihrer eigenen Exaktheit nicht bewusst, oder ist sie dies doch? Weiß sich die Mathematik nicht irgendwie, wo sie doch das strukturell Fassbare des Ganzen ist. Das Verifizierte des Universellen ohne jetzt „Vater“ sein zu müssen. Nicht umsonst sind viele Mathematiker gerade an diesem Punkt verrückt geworden z. B. G. Cantor und K. Gödel. Die beiden Mathematiker haben sich speziell mit dem Unendlichen beschäftigt und es vielleicht zu erst genommen. Egal, es geht nur darum, dass es, um das es hier geht,  unbewusst ist, und dass man es vielleicht mit reinen Zahlentheorien nicht richtig zu fassen bekommt. Mit anderen Worten: die Mathematiker machen nicht die Drecksarbeit. Wir müssen sie machen, aber wie?
Ich schlage Folgendes vor: wo Zahlen nicht helfen, kann man es mit Buchstaben oder anderen Zeichen versuchen. Das Unbewusste, der Schöpfer des Buchstaben, der auch der Buchstabe des Schöpfers ist (A), wirkt beim Traum laut Freud ja so, dass er Verschiebungen und Verdichtungen an bestimmten Schnittstellen im Buchstaben- oder Zeichengefüge erzeugt. Er macht – wie es der französischen Justizministerin Rachida Dati ergangen ist – aus dem Wort Inflation eine Fellatio und die Sprecherin der CSU-Party bei der Bayern- und Bundestagswahl im Fernsehen wollte etwas von der starken Erregung sagen, die bei den Feiernden herrschte, sagte aber Erektion. Das sexuelle Genießen ist eben doch ein Signifikant, den man, wenn es notwendig ist, ins Gespräch einflechten kann und sonst eben nicht. So macht auch der Traum aus Worten und Bildern zusammengesetzte Rätsel, die man entziffern kann, wenn man will. Es ist allerdings sehr umständlich und vor allem auch endlos, denn der Traum erfindet an der Stelle, die Freud den Nabel des Traums nannte, immer wieder etwas. Um hier entgegen zu steuern, empfehle ich also das Gegenteilige zu tun, nämlich Formulierungen mit Schnittstellen zu verwenden und zu meditieren, die mehrere und völlig disparate Bedeutungen enthalten, so dass keine Priorität gewinnt. Priorität gewinnt dadurch vielmehr der Nabel des Unbewussten selbst und gibt sein Geheimnis preis. Dabei gibt es selten auf so peinliche Weise preis wie in den obigen Beispielen, sondern auf eine generelle, aus allgemeinen Lebensbereichen stammende und meist auch noch in leicht verschobener und verdichteter Form. Die ist einfach zu enthüllen und so die Botschaft aus dem Unbewussten zu klären.
Und das heißt auch, die Drecksarbeit machen. Denn man muss mit Reformen bei sich selbst anfangen, mit der Selbstanalyse, der eigenen meditativen Arbeit. Obwohl sie eigentlich gar nicht dreckig ist, macht diese Arbeit aber kaum jemand gerne, bzw. entschließt sich nicht gerne dazu. Die Formulierungen mit den Schnittstellen, die ich verwende, klingen nämlich manchmal seltsam und reizen zum Phantasieren. Gerade dies soll man natürlich nicht tun, sonst bleibt man ja wieder bei seinem alten Ich und wird nicht neu aufgestellt. Ich verwende die lateinische Sprache. So enthält z. B. die Formulierung ADE-OV-ISU mehrere Bedeutungen, wenn man sie im Kreis geschrieben liest. Sie ergeben alle zusammen keinen Sinn, und so gelangt man beim meditieren dieser Formulierung zum Nabel des Unbewussten. Das lateinische A  DEO  VISU  heißt  “Von Gott durch das Schauen”, gelesen als ADEO  VISU heißt es aber auch “Durch das Schauen gehe ich es an” und schließlich heißt SUADEO  VI (wenn man also das Ganze einfach vom Buchstaben S aus liest)  “Mit Tatkraft überzeuge ich”. Im Grunde ist es egal, was die drei (oder mehr) Vorstellungen, Bedeutungen, rein aussagemäßig, expletiv, darstellen. Sie sollen ja gerade in ihrem reinen Wortklang (da kein Sinn zu erfassen ist) gedanklich, meditativ, geübt werden. Natürlich kann man damit auch Schabernack treiben, wie das nebenstehende Bild der Künstlerin T. Heydecker zeigt. Niemand macht eben die Drecksarbeit gerne, dennoch kann auch die Persiflage hilfreich sein, weshalb ich sie hier zeige.

Denn selbst damit weißm man nicht, was wirklich gemeint ist. Man könnte ja auch Ade, OWI, so? sagen oder nach andere Wortklänge heraushören. Aber weil eben keines genügt, bleibt einem - will man damit arbeiten - nicht anderes üblich als beim Buchstabenklang zu bleiben und darauf zu warten, was der Nabel de Unbewussten preisgibt. Denn er ist es, der - wiederholt man gedanklich diese Formulierung - mehr und mehr gezwungen wird, die Schnittstellen zu öffnen und neue, eben möglicherweise recht aufschlussreiche Bedeutungen freizugeben. Denn diese Schnittstellen sind verklebt, verhärtet und verschlossen aus Gründen neurotischer Angst. Ausführliche Informationen finden sich hier auf dieser Webseite.