Neurokatharsis

Neurokatharsis
In seinem Vortrag über „Die vergebliche Suche der Hirnforscher nach dem Ort, an dem die Seele wohnt“ (2007 in Garmisch) zeigt der Hirnforscher G. Hüther, auf welchen Abwegen sich die Neuropsychologie in den letzten fünfzig Jahren bewegt hat. Sie hat ein viel zu starres System von Hirnarealen und deren Verbindungen einschließlich modernster Bildgebungstechniken des Gehirns benutzt, um die menschliche Psyche zu erklären. Hüther will ein dynamisches, ganz subjektbezogenes Vorgehen demonstrieren. Das Gehirn verfügt über eine hochgradige Plastizität und lässt sich zeitlebens umformen. Nichts ist so falsch, wie ihm Lernprogramme, Pädagogik und Optimierungsstrategien überzustülpen. Die Erfolgreichen, so meint er, können am wenigsten erkennen, was sie wirklich machen und wer sie sind. Sie jagen ihrem Gehirn einer bestimmten Methode nach

immer die gleichen Ziele ein.
Hüther will, dass Kinder sich völlig frei entfalten und dies auch später im Leben so fortgesetzt wird. Dann wird das Gehirn nämlich ideal gestaltet, mehr braucht es nicht. Wichtig sind allerdings positive Emotionen, Erfahrungen, die mit starker Empfindungsbeteiligung einhergehen. Wenn solche Erfahrungen vom ‚Körperzustand‘ über ‚Emotion, Gefühl, Empfindung‘ bis zur ‚emotional-kognitiven Entwicklung‘ auf diese Weise fortschreiten, ist alles perfekt. Hüther verurteilt Testverfahren, bei denen nur die Phantasie des Testers getestet wird, denn wirklich testen kann man die freie Entfaltung kaum. Er bringt dann allerdings später ein Beispiel, das nicht so ganz dazu passt. Er erwähnt die Studie, die man schon in den Tageszeitungen nachlesen konnte: Kinder bekommen ein Marshmallow vorgesetzt. Wenn sie fünfzehn Minuten warten, bis sie es essen, bekommen sie noch ein zweites. Rüther lobt diejenigen, die ihr Gehirn so flexibel gestaltet haben, dass sie auch warten können. Aber sind unsere spontanen Sympathien nicht auf Seite der Kinder, die gleich zugreifen?
Diese Testung ist doch fast sadistisch. Viele Kinder haben sich doch sicher die fünfzehn Minuten gequält. Danach waren wahrscheinlich manche  so frustriert, dass sie nur ein Marshmallow gegessen haben. Zwei wären sowieso ungesund. Kinder wissen natürlich genau, dass die Tester darauf hinauswollen, dass man warten kann. Also hat man gar nicht ihr wirkliches Verhalten getestet. Ein Paradebeispiel für das von Rüther zurecht gerügte psychologische Untersuchungsverfahren. Doch gerade dadurch zeigt sich auch, wie schwierig Neuropsychologie eben ist. So gut der Vortrag Hüthers insgesamt war, so sehr lässt er doch vieles offen. Kein Bild, keine Satz ist neutral und unbelastet genug, um wirkliche Aussagen für die Neuropsychologie zu machen.
In meinem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis habe ich den meiner Ansicht nach den neutralsten und unbelastetsten Weg gefunden, um die Plastizität des Gehirns und seine ‚emotional-kognitive Entwickung‘ zu fördern. Ich lasse den Probanden meditieren, jedoch nicht nach irgendwelchen ideologischen, neuropsychologischen oder ‚spirituellen‘ Vorgaben. Jeder kann selbst nachlesen und studieren, wie ich aus der Psychoanalyse Lacans und dem meditativen Vorgang als solchen (Zurückziehen von den eigenen Gedanken) sogenannte Formel-Worte entwickelt habe, die nichts präjudizieren und doch wissenschaftlich aufgebaut sind. Sie enthalten mehrere Bedeutungen in einer Formulierung, wodurch das Unbewusste oder das Gehirn, egal wie man es nennen will, lediglich in seinen tiefsten Schnittpunkten zum Seelischen oder Subjektbezogenem angeregt wird, um dann Eigenstes wieder herausgeben zu können. Denn natürlich bedarf es irgendeiner Anregung. Die gibt Hüther ja auch, indem er sanfte Pädagogiken und Psychotherapien empfiehlt. Die Analytische Psychokatharsis ist jedoch ein einfaches Verfahren, das schnell erlernt werden kann. Notwendig ist nur die zusätzliche intellektuelle Beschäftigung mit all den Rahmenwissenschaften wie etwa der Psychoanalyse oder eben auch so einem Vortrag, wie ihn Hüther gehalten hat.

Die knappe, plastisch konkrete Form der Formel-Worte ermöglicht auch das, was man eine Neurokatharsis nennen kann. Schnittstellen heißen auch in der Computerwissenschaft so, weil sie eine knappe, praktische, wie ‚geschnittene‘  Form der Verbindung von zwei Systemen ermöglichen. Genau diese ist eben nötig, um unter anderem, nämlich der kognitiven Verbesserung, auch eine kathartische, befreiende Erfahrung machen zu können. Diese Erfahrung ist sehr körper- bzw. gehirnnahe, so dass man das von starker Empfingungsbeteiligung her bekannte (z. B. bei bestimmten Musikstücken) „Durchrieseln“, Durchschauerungsgefühl erleben kann, das ja ganz besonders auch unser Gehirn belebt.

Es handelt sich dabei um eine libidinös besetzte Empfindung, die in der frühen Menschheit für die Kommunikation wichtig war. Wichtig war sie auch besonders deswegen, weil zu zudem enthüllende Funktion hatte, die wir auch heute nötig hätten. Bevor man hunderte von Stunden in eine Psychoanalyse geht, könnte man auch das Verfahren der Analytischen Psychokatharsis nutzen, das eine vereinfachte Form sowohl des kommunikativen als auch des enthüllenden Aspekts darstellt.