Heilung körperlicher Krankheiten durch Analytische Psychokatharsis

Die Analytische Psychokatharsis stellt nicht nur ein neues Verfahren der Psychotherapie dar. Sie kann auch bei körperlichen Erkrankungen ein Hilfe sein. Es ist ja auffallend, dass Lacan ausgerechnet die Leere, die Null, das Loch in einen Zusammenhang mit dem gebracht hat, was er in Anlehnung an Kant das „Ding“ genannt hat. Zwar ist klar geworden, dass es für Lacan typisch ist, von so etwas wie einer dinghaften Leere zu sprechen, hat er doch auch vom „Körper ohne Gestalt“ oder von etwas Substanziellem, das nicht existiert außer eben doch Wesenhaftigkeit, Elementares zu sein. Wenn wir in der Analytischen Psychokatharsis also an das „Ding“ rühren, rühren wir an das „Ding“ im übergeordneten Sinn, den das „Ding“ ohnehin hat.

 

Wir könnten im „Ding“ baden und dabei das Gefühl haben, wir sind die Gewinner der strittigen physikalischen Theorien, die sich nur im Trockenen einer nüchternen Akademik aufhalten. Wer im „Ding“ badet sieht die Schwingungen der hauchdünnen Saiten vor sich, wo sie diese endogenen Bildmuster oder Topologien annehmen. Und er hört auch den analytischen Kommentar dazu, weil unsere Identität natürlich vom psycho-physischen „Ding“ her angestimmt wird, bestimmt wird, ihr die Stimme dazu gegeben wird. Das alles hat etwas mit der Neurologie zu tun, die sich auch der Psychoanalyse angenommen hat. Die Psychoanalytikerin Schmidt-Hellerau hat sehr schön gezeigt, wie die hierarchischen Schichten des Gehirns, wie sie der Neurologe A. R. Lurija dargestellt hat, mit  Freuds  Trieb-Struktur - Konzept in  Einklang zu bringen sind.[1]

Die untersten Gehirnbereiche, die noch mit dem verlängerten Rückenmark zusammenhängen repräsentieren so den basalen Triebbereich bei Freud. Weiter nach oben hin entwickelte stehen dann mehr mit dem Ich, Über-Ich etc. in Verbindung. Konzepte dieser Art sind dann insbesondere von M. Solms und O. Turnbull erweitert worden.[2] So haben diese Autoren z. B. gezeigt, dass das Verdrängte der Teil der Hirnaktivität ist, der von der Dominanz in den präfrontalen übergeordneten Gehirnzentren ausgeschaltet wird. Na ja, da hat aber Freuds Konzept des Verdrängten als eines verpönten Wunsches z. B. einfach immer noch mehr Pfeffer und Stringenz. Die neurophysiologische Aussage ist zwar richtig, aber für das Wesen von Trieb und Verdrängung wenig relevant. Ich denke man kommt eher noch damit weiter, dass man Spiegel-Neuronen von Echo-Neuronen unterscheidet. Die ersten Spiegelungen im Kopf ergeben das Ich, doch indem dieses sich dann auch noch im Äußeren spiegelt, wird auch die andere Art der Neuronen tätig, die für das Echo, für die erwähnten Widerhalleffekte zuständig sind. Diesbezüglich habe ich schon eingangs Maiellos ‚Klangobjekt‘ erörtert. Diese Neuronenkombination wird von der Analytischen Psychokatharsis auch im Hirnstamm und in der hypothalamischen Region erreicht, während die klassische Psychoanalyse nicht dorthin kommt.

Ich will also auf etwas Psychosomatisches hinaus, das mich an die Theorie der „Grundregulation“ von Pischinger erinnert.[3] Pischinger war Arzt im letzten Jahrhundert und erklärte als das wichtigste Organ zur Energieausbreitung im Körper bestimmte Strukturen des Bindegewebes. Man sprach auch vom Pischinger´schen Raum, der heute durch die nachgewiesene Signalinduktionen zwischen den Zellen neue Bestätigung bekommt. Doch ob es diese „Grundregulation“ nun wirklich gibt oder nicht ist wieder ähnlich wie die Frage nach all den spekulativen Theorien, von der Psychoanalyse bis zur Stringtheorie und anderen. Aber was passiert in den Zellen im Körper ganz allgemein?

Eine gute Entspannung hat ja schon einen Einfluss auf Herzdurchblutung und Stoffwechsel generell. Schlägt das auch durch auf Enzyme, gar auf die berühmten und von mir erwähnten Kinasen, die die Protoonkogene oder die Supressorgene beeinflussen? Wenn man sehr tief ins Unbewusste eindringt, landet man nicht nur bei den Pass-Worten. Die erhöhte Raumbewusstheit, dieses Gefühl der Raum-In-Raum-Verschachtelungen, die auch mit der Jouissance einhergehen, kann dies nicht über das vegetative Nervensystem bis tief in den Körper eindringen und dort Regulationen ermöglichen? Noch kann ich nicht sagen, welches Formel-Wort, welches Phonem, welche psycholinguistische Einheit hier wirksam ist. Ich überlasse dies wie gesagt weiteren Erfahrungen Nach Lacan und nach mir. Auf jeden Fall sind Auffassungen Krankheiten rein imaginativ zu heilen recht naiv. So behauptet etwa C. Simonton, dass durch die reine Vorstellung und Autosuggestion von Lymphzellen (Killerzellen), die Krebszellen angreifen, dieser Vorgang wirklich in Gang gesetzt wird.[4]

Die Übungen der  Analytischen Psychokatharsis  ordnen sich  nicht nur nach ihren b(r)uchstabenartigen Elementen, sondern auch nach phonematisch-phonologischen Aspekten. Damit habe ich persönlich zwar nur geringe Erfahrungen gesammelt. Ich kann aber bezeugen, dass ich beim Üben mit bestimmten Sanskritworten, die sehr viel dunkle ‚r’ und ‚a’ oder ‚u’ – Laute enthielten, Veränderungen im Körper, meist in der Mittelbauchregion, verspüren konnte. Man müsste also Formel-Worte kreieren, die sowohl den Bedeutungsschnittstellen wie auch den akustischen Anklängen verstärkt Rechnung tragen.[5] Schließlich hat Lacan den Signifikanten auch ein „akustisches Bild“ genannt, also auf lautmalerische, phonematische und ähnliche Bezüge hingewiesen wie sie ja auch im gerade zitierten ‚Klangobjekt vorkommen.

Damit wäre ein Durchbruch zu erweiterten Heilungsmöglichkeiten geschaffen, wobei freilich der analytische Teil, der sich mit der Wahrheitsfindung der Pass-Worte beschäftigt, nicht vergessen ist. Reine Psychoanalytiker wehren sich immer heftigst gegen den Begriff der Heilung, weil sie ja in erster Linie Einsicht und (meist bittere) Wahrheit fördern. Ich kann lediglich an den ‚kreativen Aspekt’ des Unbewussten erinnern, den der Psychoanalytiker S. Leikert besonders hervorgeheben hat. Er legt den Schwerpunkt auf das „rhythmisch Kreative“ und nicht so sehr auf das „lexikalisch Sprachliche“.[6] Die Musik, insbesondere der absolute ‚Klang‘ hat etwas Monadisches an sich, wie Leikert sagt. Man kann diesen ‚Klang‘ nicht fixieren, nicht festhalten, und so dient die Musik nicht dem Erkennen der Wahrheit, sondern ihrem Vollzug und Genießen.[7]

Die Musik ist „sinnfreier Sprachklang“ und in einer Symphonie – so Leikert weiter – begegnen sich der Klangleib des Orchesters mit dem undefinierbaren Klangpunkt im Hörer, so dass man immer denken kann, die Töne kämen eigentlich von irgendwoher, aus dem nicht bestimmbar Unbewussten (dem ‚Es Verlautet, dem Spricht). Während das Sprachliche ein Objekt repräsentiert, suggeriert die Musik eine unbestimmbare, aber umso intensivere, intimere Präsenz. Damit kann man also auf Heilung reflektieren und nicht nur auf Einsicht und Erkenntnis. Allein die Konzentration auf das Spricht als ‚Laut’ in der zweiten Übung der Analytischen Psychokatharsis kann ebenso körperliche Effekte erzielen, wie der den Formel-Worten innewohnende und gerade oben beschriebene (phonematisch-phonologische)‚Laut’. Ich erinnere hier auch nochmals an Lacans „Knocked“ (geklopft, gelautet).

Erst jetzt kann ich auch entscheidend auf die Effektivität der ‚Metapher des Genießens‘ hinweisen, wie ich sie in meinem Buch ‚Nach Lacan‘ beschrieben habe. Denn ganz offensichtlich gehören so etwas wie das dunkle ‚r‘, ‚a‘ und ‚u‘ zu dieser Metapher. Nicht nur der Sinngehalt, der sich im Formel- und Pass-Wort versteckt ist möglicherweise entscheidend, sondern auch der phonematisch-phonologische Sprachanteil, der mit dafür sorgen könnte, dass es ein Genießen gibt, das sogar zur Heilung beiträgt. Ich könnte hier also einer optimistischen Einstellung frönen, die der  pessimistischen Freuds, die der des Literaturwissenschaftlers E. Goebel bezüglich Freud Trien-Struktur-Theorie gegenübersteht. Dieser Autor ist der Ansicht, dass sich Freud mit der Entdeckung des Destruktions- bzw. Todestriebs das Sublimationskonzept, nämlich dass man die Triebe auch weitgehendst verfeinern, kultivieren und umlenken kann, vermasselt hat.[8] „Wenn die Strebung zu Destruktion und Tod tatsächlich ein Trieb ist, aktiv und dynamisch, dann zwingt ein solches Konzept miteinander legierter Eros- und Todestriebe zu viel Verzicht und Askese und mündet in Pessimismus. Es kommt dann etwas Ähnliches heraus, gegen das sich Freud so gestemmt hat, nämlich eine Zwangsreligion, die durch glorreiche Versprechungen im Jenseits das Diesseits recht schwarzseherisch gestaltet. Goethe habe es besser verstanden das Fortleben erotischer Triebregungen jenseits purer Sexualität aufzuweisen,“ schreibt der Literaturwissenschaftler E. Goebel. Und noch hilfreicher hierfür erscheint die Philosophie Ludwig Marcuses.

Laut Wikipedia[9] „geht Marcuse im Unterschied zu Freud davon aus, dass ein solcherart durch weitgehende Sublimierung befreiter Eros nicht zum Untergang der Kultur führen würde, im Gegenteil: ‚Die Befreiung des Eros könnte neue, dauerhafte Werkbeziehungen schaffen.´ Es käme zu einer Selbst­sublimierung der Sexualität, die kultiviertere Beziehungen der Individuen untereinander ermöglichen würde.“ Diesen Gedanken greift auch R. Pfaller auf.[10] Auch er sieht einerseits eine falsche Sublimierung am Werk, wenn der Eros durch politisch-ideologische Steuerung nur auf eine Pseudokultur trifft bzw. eine solche mit Hilfe dieser Steuerung als Endziel erreicht. Oder andererseits, wenn der Eros, das Begehren, nur durch das Brechen kulturerstellter Verbote Fahrt aufnimmt und so eigentlich nur ein Pseudoeros ist. Eine echte Sublimierung würde in Geboten bestehen, im Imperativ. „Verharre nicht in deinem Narzissmus, sondern füge dich einem Standard von öffentlicher Kultur.“ Von erotischer, von kathartischer  Kultur, könnte man hinzufügen. Übe Selbstanalyse und Selbstsublimation (Katharsis), dann lässt sich evtl. auch körperliches Leiden positiv beeinflussen..

Im Übrigen ist durch zahlreiche Versuche belegt, dass auch nur gedachte Worte, und Buchstabenkombinationen im Gehirn genauso repräsentiert sind, wie ausgesprochene. Ihre Wirkung in den Neuronen ist bewiesen und ist auch Teil jeder wissenschaftlichen Untersuchung von Meditationsformen.[11] Auch weiche ich mit meinen Hinweisen auf die „Akustik“ (Phonematik-Phonologie) der Signifikanten nicht von Lacan ab. Alles andere mag Spekulation sein. Aber durch Hinzunahme einfacher alter Körperegeln kann ich mir vorstellen, dass alles zusammen (Analytische Psychokatharsis und körperbezogene Methoden) epigenetische Wirkungen hat. Über die Epigenetik habe ich mich schon eingangs geäußert. Methylierungsprozesse an der DNS und andere Mechanismen sind bekannt dafür, dass sie bestimmte Gene abschalten oder in ihrer Wirkung verändern können. Damit kann jeder sein Leben erheblich beeinflussen, wenn er damit auch nicht die eigentliche genetische Hardware verändert und somit seine Errungenschaften nicht vererben kann. Aber es gibt ja noch eine andere „Vererbung“, die mit der Übertragung und mit dem „Ding“. Seit jeher haben große Geister versucht, ihre Weisheit und Größe auf ihre Schüler zu übertragen, was meist nicht gelungen ist, wenn das Lehr-Vorgehen zu direkt war. Die umfassendere Übertragung, die ich schon als Pixel-zu-Pixel-Übertragung bezeichnet habe, besteht jedoch in einer direkten und indirekten Form, wie man sie meiner Ansicht nach gerade bei Freud und Lacan sehr gut beobachten kann.

Lacan hat Freud nicht nur gelesen, er hat auch intuitiv, ur-übertragen gespürt, dass – wie er selbst sagte – Freud schon Linguist war, Vertreter einer Wissenschaft also, die erst Anfang des letzten Jahrhunderts so richtig begann. Dennoch würde sich Freud selbst nicht als Linguist bezeichnet haben, doch im „Ding“ steckt etwas von diesem „Innerlich Ausgeschlossenem“, Leerem und doch Vollen, „genießender Substanz“ aber doch versehen mit Leid du Schmerz, das auch mit etwas von einem Losungs-Wort, Tauf-Wort, Identitäts-Wort und dessen besonderer Linguistik zu tun hat. In diesem unnennbaren Namen haben sich Freud und Lacan gefunden. Und jetzt geht es also darum, in diesem Namen weiterzufahren, in dem die beiden begonnen haben. Ich nenne ihn ENS-CIS-NOM. Denn obwohl ENS-CIS-NOM (siehe Artikel auf der Webseite) ganz klar psychosemiotisch aufgebaut ist, ist es doch auch ein Rätselwort. Wer das Rätsel löst bekommt das Königreich geschenkt und die Prinzessin zur Frau.

Und es ist nicht so schwer zu lösen. Man muss sich nur zur Selbstanalyse, zur Selbstsublimierung, Selbstkatharsis entschließen. Man muss nur sein(en) Andere(s)(n), seinen Gott, sein „Ding“ selbst kreieren (sein Selbstobjekt zur Würde des „Dings“ erheben). Und die beste schöpferische Tätigkeit ist eben die, die aus noch weniger besteht als dem weißen Blatt Papier, das sie Dichter und Philosophen – aber auch die Wissenschaftler – vor sich liegen haben und nicht wissen, wie sie anfangen sollen, weil das weiße Blatt sie zwangt, etwas Intelligentes zu schreiben. ENS-CIS-NOM ist eine Nullformel, die es zwar in sich hat, aber nichts präjudiziert. Sie stößt die Lösung nur an, die kreative Seite muss jeder selber leisten.

 

 



[1] Schmidt-Hellerau, C., Lebenstrieb & Todestrieb; Libido & Lethe, Verlag Int. Psychoanalyse (1995) S. 428-31

[2] Solms, M., Turnbull, O., Das Gehirn und die innere Welt, Neurowissenschaft und Psychoanalyse, Patmos (2004)

[3] Pischinger, A., Das System der Grundregulation, Haug-Verlag (1990)

[4] Simonton, C., Getting well again (1973)

[5] Nach Berichten einiger Anwender der Analytischen Psychokatharsis sollen jedoch die Formel-Worte ORS-ACE-RAM und VER-OR-ATE, die in der Broschüre „Die körperlich kranke Seele“ veröffentlicht und erklärt sind, eine derartige Wirkung haben.

[6] Leikert, S., Das kinästhetische Unbewusste, Sonderheft PSYCHE, Sept./Okt. 2013

[7] Leikert, S., Die vergessene Kunst, Psychoanalyse der Musik, Psychosozial Verlag (2005) S. 25 - 44

[8] Goebel, E., Jenseits des Unbehagens, transcript (2009) S. 10 - 14

[9] Siehe unter >Triebstruktur und Gesellschaft<

[10] Pfaller, R., Die Sublimierung und die Schweinerei, PSYCHE Nr. 7, 2009. Weitere Stellungnahme zum Begriff Selbstsublimierung im Text.

[11] Hummel, von, G., Analytische Psychokatharsis, BoD (2015) S. 152 -160