La 'Jouissance', das Genießen als solches

In diesem Text verwende ich manchmal den Ausdruck 'Revolte' oder 'Revolte des Selbst'. Er bezieht sich auf das Verfahren der Analytischen Psychokatharsis, das auf dieser Webseite oft beschrieben ist. Ich nehme hier jedoch Stellung zu einem sowohl in diesem Verfahren wie auch in den Texten Lacans oft verwendeten Begriff. Bei Lacan wird 'Jouissance' nicht immer ganz klar und einheitlich verwendet. Er spricht auch von der 'Jouissance phallic', also dem phallischen Genießen oder eigentlich der sexuellen Lust, was also besser mit 'Plaisir phallic' beschrieben wäre. Lacan tut dies auch, trennt dann aber wieder das eigentliche, mehr dem weiblichen zuzurechnende und ganzheitlich körperbezogene Genießen davon ab. 


Viele Autoren haben darauf hingewiesen, dass eine zu extreme Selbst-Sublimierung in Folge des damit verbundenen Glücks- oder Ekstase-Zustandes in wahnhaftes Geschehen oder Perversion umkippen kann.[1] Denn die psycho-physische Struktur des menschlichen Subjekts ist so gestaltet, dass sie nicht in der Lage ist, sich aus sich selbst in ein Nichts zu katapultieren. Wie im totalen Vakuum, in dem die wildesten Energiefluktuationen auftreten, gerade weil keine Materie mehr im Raum ist, so tauchen auch mit der völlig sublimierten und isolierten ‘Jouissance’ die am meisten verdrängten und abgespalteten Triebphänomene und Halluzinationen auf, die möglich sind. Aus diesem Grund gelten ja Arbeit, Kunst, Kultur, Religion und weiß Gott was noch als die gedeckelten Bereiche üblicher Sublimation. Mit der ‚Revolte des Selbst‘ sollen diese jedoch übertroffen werden, was nur gelingen kann, wenn sie einen gesicherten Halt in der Grenzsprachlichkeit sogenannter Formel-Worte, rein formaler Signifikanten finden, wie sie in der Analytischen Psychokatharsis verwendet werden und die die Ur-Verdrängung zumindest formal gesichert überbrücken..

Dass jeder Einzelne diese Revolte alleine, für und mit sich selbst und ohne Hilfe eines anderen ausfechten muss, führt überhaupt erst dazu, dass man von der ‚Jouissance‘ sprechen kann. Man wird sich dem Nichts, der spaltenden Wand, dem Kampf im Inneren selbst aussetzen müssen, aber gerade dadurch wird die ‚Jouissance‘ sichtbar. Im Gegensatz zu den sozialen und politischen Revolten kann man sich zur Gewinnung der ‚Jouissance‘ nicht mit anderen verbünden und einen gemeinsamen Verein gründen. Man muss alleine gehen, doch dafür wird man gut entlohnt..

Was des Genießen, also die körperhafte ‚Jouissance‘ per se angeht, finden sich bei Lacan ganz klare Angaben. Lacan wehrt sich gegen den Materialismus und dessen rein physikalisches Sein genauso wie gegen das Sein des ‚Spirituellen‘. Er sagt, das eigentliche Sein ist das Sein der Signifikanz. Man muss „den Seinsgrund der Signifikanz erkennen im Genießen, dem Genießen des Körpers.“[2] Doch ist mit dem Körper in erster Linie nicht der biologische Aufbau gemeint, den der Körper hat, sondern eben das Genießen selbst, die ‚Jouissance‘ als zwar etwas Körperhaftes, aber letztlich zwischen Materie und Geist, zwischen Irdisch und Überirdisch, ja zwischen Mann und Frau als ein Genießen jenseits des Phallus zu begreifen. Es ist etwas, was der Gourmet sich nicht vorstellen kann, weil er nur mit der Zunge genießt.

Die eigentliche ‚Jouissance‘ zu verstehen ist nur möglich im Zusammentreffen der Ur-Verdrängung mit der Ur-Übertra-gung, indem sich dort etwas Körperhaftes ereignet, etwas, das zugleich Strahlt und Spricht. „Das Genießen kann für uns nur identisch sein mit jeder Gegenwart des Körpers, das Genießen lässt sich nur vom Körper her erfassen,“[3] aber damit ist im speziellen Fall der ‚Jouissance‘ nicht der rein physische Körper gemeint. Denn man kann weder den Körper des anderen Geschlechts, den sexuell Anderen, in toto genießen; es wird immer nur ein Aspekt des Sexuellen sein, der hier genossen wird oder besser: der hier ein ‚plaisir phallic‘ eine Lust darstellt. Man kann das vielleicht meinen oder zu spüren glauben, aber wie Lacan stets betont, existiert ein solches geschlechtliches Verhältnis gar nicht. Es lässt sich nicht sagen, definieren oder schreiben. Es lässt sich nur hintenherum sagen, wenn man von der ‚Jouissance‘ ausgeht.

Oder anders: es gibt keinen direkten Garanten für dieses Genießen des Anderen, des anderen Körpers. „Es gibt keinen Garanten, dem man im Genießen des Körpers des Anderen begegnen könnte.“[4] Es gibt auch keinen Garanten der Wahrheit des Anderen, „der einzige reale Andere – denn es gibt keinen Anderen des Anderen, nichts, was die Wahrheit des Gesetzes garantieren würde –, der einzige reale Andere ist derjenige, dessen man ohne das Gesetz genießen könnte. Diese Virtualität definiert den Anderen als Ort: das Ding, das insgesamt ausgelöscht ist, auf seinen Ort reduziert, dies ist der Andere mit großem A.“[5] Während A das Spricht ist, wenn eventuell auch nur als ‚Ton‘, als Verlautet, ist das ‚Ding‘ das Strahlt, wenn auch nur als ‚Ultrasubjektives‘. Beides kann nur das Subjekt für sich selbst verwirklichen, weshalb die originäre ‚Jouissance‘ nur auf diese Weise ihren Platz hat: außergesetzlich, d. h. ohne jede Regel, die sie eingrenzen würde.

Hilfe für die Urkraft dieses Genießens als solchen, als ‘Jouissance’, kann nur mittels einer wissenschaftlich vorgeformten Hilfe zur Selbsthilfe kommen wie es in der Analytischen Psychokatharsis praktiziert wird. Exakt dies erst wäre ‚Revolte des Selbst‘ oder anders gesagt, muss diese Revolte krönen, in der die Kette der Signifikanten eben wirklich authentisch und signifikant ist. Wenn das Universum die Summe der Signifikanten ist, wie Lacan sagt, dann liegt die eigentliche Störung dort, wo der Kette, der Folge der logischen Aneinanderkettung der Signifikanten nicht mehr gefolgt wird. Ψ und Φ werden dann nicht mehr als durchgehende Kette artikuliert.

Ich verwende also der Lacanschen Nomenklatur folgend den griechischen Buchstaben Ψ für das Gesamt der Psyche so wie Freud sie in seiner sogenannten zweiten Topik als Ich-Es-und-Überich konzipiert hat. Den Buchstaben Φ dagegen bezeichnet bei Lacan wie erwähnt das, was er den ‚symbolischen Phallus‘ nennt, die sexuelle Metapher, die sozusagen das Umgekehrte ist wie der ‚schwarze Peter‘ in dem bekannten Kartenspiel. Den ‚schwarzen Peter‘ muss man loswerden, Φ dagegen drängt sich immer vor und will der erste sein, und wer wirklich versteht, was das heißt: symbolisch F, kann damit reüssieren, indem er ihn sprachlich, poetisch, lyrisch oder eben gar meditativ umsetzt. In der Meditation erfährt man – wenn sie wirklich funktioniert – eine Katharsis, die der Anfang der ‚Jouissance‘ ist, das Strahlt, der Schluss kommt mit den Pass-Worten, wo die ‚jouissance‘ bzw. jenes Ander(er) Spricht.

Lacan betont nämlich ganz deutlich, dass die wirkliche ‚Jouissance‘ nicht nur das Erfahren der körperbezogenen Katharsis, des – wie ich es gerne nenne – ‚Durchrieselns‘ zustande kommt, sondern auch etwas mit dem Wissen zu tun hat. Es handelt sich jedoch um eine Wissen, das nur jeder selbst in sich hat so wie es in der Psychoanalyse verstanden wird. Man kann dieses ureigentliche Genießen daher nicht beschreiben noch sich etwas dazu vorstellen. Es muss persönlich selbst erfahren werden und zwar in einer eben wirklich ‚erfahrenen‘ um nicht zu sagen erlebten Weise. Und diese Weise muss auch eine gewisse Dauerhaftigkeit, Kohärenz mit sich tragen.

Es geht um die Kohärenz der gerade oben genannten Signifikanten-Kette, die allerdings meist schon deswegen nicht mehr ganz gegeben ist, weil jede Leerstelle in ihr sofort von F oder dem Tod besetzt wird und Y es hier schwer hat dagegenzuhalten. Nur wenn beide im Gleichgewicht sind und Y dabei wissenschaftlich noch ganz wenig dominiert, kann die ‘Jouissance’ mit von der Partie sein. Es liegt an diesem ‚Fast Nichts’, dass Y als das revoltierende Selbst überwiegt und so der libidinösen Metapher des F ein Gleichgewicht anbieten kann. Es klingt blöd, aber wie bei Hiob, wo Gott und Teufel eine gleichgewichtete Einheit sind, lässt sich F gut in der Rolle des Teufels verstehen und Y in der von Gott. Doch es ist ein Dritter, der letztlich die Revolte gewinnen muss eben in dieser ‚Jouissance‘, die nicht materiell und nicht geistig, sondern substanziell ist.

So kann die Signifikanten-Kette das symbolisch Sexuelle tolerieren und der Tod ist dann nicht mehr relevant, denn wenn die Summe der Signifikanten im Leben eines jeden Menschen abgezählt oder sonst irgendwie mathematisch gelöst ist, stellt sich die Frage nach Leben und Tod nicht mehr (psychoanalytisch gesagt: hat man keine Frage und keine Assoziation mehr, die man an den Analytiker richten könnte oder wollen würde).Man muss sich aufgeben in der Revolte, was rein äußerlich schon in der Erfahrung der ersten Übung der Analytischen Psychokatharsis geschieht:  das ‚Durchrieseln‘, die ‚Phosphoreszenz‘, das ‚schwarze Licht‘, das Strahlt.[6] Das heißt, der Andere bekommt hier nur noch den Aspekt eines „‚ultrasubjektiven Ausstrahlens‘, ein Begriff Lacans, der mich immer ein bisschen an das Fegefeuer erinnert, das man in sich nährt, und das man wahrscheinlich ein bisschen aushalten muss, bevor man es in der ‚Konstanz des guten inneren Objekts‘ überwunden hat, mit dem man sich besprechen kann.

Die ‚Jouissance‘ vereint beide Aspekte (Strahlt / Spricht) indem auch L’Autre zu seinem Spricht kommt, wie ich es nun mehrmals beschrieben habe. Dort liegt auch ein revoltisch-psycho-semiotischer Punkt, weil es um etwas geht, das nämlich die Bedeutung eines Mangel-Signifikanten, also eines Mangels an reifem Genießen, an reifer ‚Jouissance‘. Ich will vorwiegend ein Buch für Laien schreiben, die mit solchen termini technici nicht so leicht klarkommen und erinnere nochmals an Φ als der sexuellen oder libidinösen Metapher, an die psychosemiotische Grundstruktur des libidinös-unbewusst Psychischen, an die phallische Genussstruktur schlechthin, die eben nicht alles ist, was man vom Genießen sagen kann. Bei der ‚Jouissancve‘ geht es nämlich auch um die schon eingangs zitierten ‚Wonnen des Todes‘.

Im ‚horizontalen Fallen‘[7] der ‘Jouissance’, in dem ‚Durchrieseln‘ des Körperbildes legt man sich den Tod nicht selber auf. Ich erinnere diesbezüglich nochmals an R. Golans ‚Jouissance feminine‘ als einer Identität, die mehr dem Weiblichen zugehört. Die weibliche Form des Genießens schließt auch Schmerz und Leid ein, „beinhaltet aber auch Universalität, Höhe, Grenzenlosigkeit, Erkenntnis / Erleuchtung, Wissen, Freiheit und Glückseligkeit“, wie sie schreibt.[8] Es muss nicht unbedingt eine ‚Verschmelzung‘ sein. Vielmehr hat es auch etwas mit der Liebe des Vaters zu tun. Er liebt die Geschöpfe alle im ‚Namen‘ dieser Beziehung, im ‚Namen‘ dieser Art von Adoption, die mehr bedeutet als die Zeugung und mit der er das Kind unter seine Verantwortung stellt. Genauso verhält es sich mit der Liebe der ‚Frau‘, indem sie Frau voll im Namen dessen ist, was es  eben heißt, wirklich eine solche zu sein. Die Subjekt- und Namensbezogenheiten stehen im Vordergrund. Nur mit ihnen kann die Wahrheit benannt werden.

Lacan sagt, das der Signifikant Φ  ein Sein in der Eigenschaft des weiblichen Genießens ist,[9] das die Frau also Φ verkörpert, die also einem ganz anderen Register entstammt. Doch sie verkörpert es speziell für den Mann als das, was der Mann sich vorstellt, während gleichzeitig gilt, dass sie das ihr eigene Genießen JȺ,  die ureigentliche „Jouissance“, zu gering schätzt. Das heißt, die Frau ‚empfindet es, aber sie weiß davon nichts‘, sie kann nichts davon begrifflich sagen.[10] Und deswegen – so sage ich nochmals – kann auch ich nicht mehr davon sagen, als dass man es sich in der von mir empfohlenen Weise erüben muss. In diesem Üben wird es vom Unbewussten her jedem selbst direkt gesagt.

Der Mann geht von seinem Haben aus, von dem er glaubt, dass er es häufig geben muss, oft sogar mehreren Frauen. Anstatt dass er geben würde, was er nicht hat,[11] macht er aus seinem Besitz eine Orgie. So wird Φ zu dem einander entgegengesetzten Hindernis, anstatt dass „es als das, was als Wahrheitsbedingung zu bestimmen wäre,“ funktioniert.23, 81Mit anderen Worten: das Geschlechtsverhältnis lässt sich über das Wesen des ‚Phallischen‘ nicht definieren, es ist grundsätzlich verfehlt, weshalb die Psychoanalytiker hier vom ‚Kastrationskomplex‘ reden. Das heißt: wer zu viel will, bekommt gar nichts.

Wo der Mann also nur ein phallisches Genießen sucht (in φ kleingeschrieben als dem ‚Objekt‘ seiner ‚Mehrlust‘), stellt die Frau sich gerne einen universalen Mann, einen Gott von Mann vor, oder zumindest einen, der partnerschaftlich, familiär, beruflich etc. seinen Mann steht, also den, den ich vorhin schon als den ‚gstandenen‘, stattlichen Mann definiert habe. Das zeigen die Frauen jedoch nicht immer so genau. Die Frauen – meint Lacan daher – wecken diesbezüglich gerne den Anschein (semblant) und halten es mit der Maskerade, d. h., dass sie gern ein bisschen täuschen und häufig wohl ein wenig trügerisch sind[12] wie es schon G. Verdi in seiner Oper Rigoletto mit der Arie ‚la donna è mobile‘ vertont hat. Ein Geschlechtsverhältnis, das sich wirklich definieren und schreiben ließe, gibt es – so Lacan – demnach nicht. Dennoch sind Mann und Frau nicht erfunden, sondern symbolisch, metaphorisch, signifikantenbezogen definiert und müssen demnach auf dieser Ebene weniger ihren Akt als ihr Wort machen.

Doch im sogenannten sexuellen Akt kommt keiner von beiden zum Ziel. Beide, Mann und Frau wirken wie gespalten. Lacan meint sogar, dass der Sexualakt grundsätzlich eine Freud‘sche Fehlleistung sei, ein Danebengehen, ein Patzer. Der Mann würde – so Lacans Ausführungen zu diesem Thema – immer auf dem Höhepunkt seiner Angst, seines Nicht-mehr-weiter-Wissens, ejakulieren. Die sexuelle Diskurs wird nicht fundiert umgesetzt, nicht in ihrem eigentliche Sinne verwirklicht, und schon gar nicht lässt sich etwas Wahres oder gar die Wahrheit über die sexuelle Beziehung sagen oder schreiben. Selbst in der psychoanalytischen Bearbeitung des Ödipusmythos finden sich nur theoretische Annahmen und in der modernen Sexualforschung hapert es total.[13] Das Eigentliche kann nur in der anerkannt therapeutischen Sitzung selbst erfahren werden, jedoch mit dem gleichen Ergebnis, nämlich dass die sexuelle Beziehung nicht definiert werden kann. Das wird auch mit der ‚Revolte des Selbst‘ nicht gelingen, dafür aber authentischer, origineller und praktisch-logischer bestätigt werden können.

Und so kann ich jetzt das über das Symbolische, Imaginäre und Reale hinausgehende ‚Vierte‘, das auch als Borromäischer ‚Viererknoten‘ beschrieben wird und das die ‚Revolte des Selbst‘ ermöglicht (wenn auch hier nur in der konzeptionellen Fassung) weiteres sagen. Im Falle des Dichters J. Joyce, dessen psychotischen Hintergrund Lacan anspricht, was heißt, dass der Dreierkonten sich zu sehr gelockert um nicht zu sagen aufgelöst darstellt, findet Lacan ein rettendes ‚Viertes‘: seine virtuose, den modernen Zeitverhältnissen nahe und erotisch gewaltige Dichtung sowie sein Kampf um den Glauben, zeigen Joyce als ‚Sainthomme‘ (Heiliger), was gleichklingend ist wie Symptom (Kranker) und wie ‚Sinthom“ (Sünder). Selbst wenn also die drei Ringe des Knoten auseinandergedriftet sind, diese Dreiheit von Wesensbezeichnungen hält sie wieder als ‚Viertes‘ irgendwie zusammen (siehe oben nebenstehende Abb. des Viererknotens und der zusätzlichen Schlinge).

Dies gilt auch für jeden, der den Ödipuskomplex erfolgreich durchlaufen hat (bei gleichzeitig normalem Zusammenhalt des Dreierknotens). Das ‚Vierte‘ kann auch Gott sein, wenn man ihn nicht durch eine Konfession eingeengt, sondern  durch weitgehende Sublimation und tätige theologische Praxis aus dessen ‚Ex-Sistenz‘ heraus verwirklicht hat. Und es trifft auch für die Analytische Psychokatharsis und die ihr verbundene ‚Revolte des Selbst‘ zu. Dafür werde ich noch die logischen Beweise und die praktischen Beispiele geben. Es wird jedoch auch so schon ersichtlich, wie sehr das von mir inaugurierte Verfahren von der klassischen Psychoanalyse abweicht ohne deren Grundlagen zu verletzen. Lacan hat diesen Viererknoten erst in einem seiner letzten Seminare vorgestellt, nachdem er eben erkannt hat, dass ganz große Kunst oder ähnliche Zugangswege zum Unbewussten von der Psychoanalyse her gewürdigt werden müssen.

Wie ich in den zwei nächsten Kapiteln zeigen werde, beginnt die Analytische Psychokatharsis umgekehrt – oder wie schon besser gesagt: ‚anders herum‘ – wie die Psychoanalyse. Was das Strahlt als Imaginär-Reales angeht beginnt mein Verfahren mit der ‚Faszination eines Flecks‘. Zwar nennt Lacan einen ‚Fleck‘ dasjenige, was im Sehfeld, in der Schaulust den zu aggressiven, ‚gefräßigen‘ Blick verdeckt.[14] Doch kann man dies ganz anders sehen, wenn sich zum ‚Fleck‘ der ‚Laut‘, das ‚weiße Rauschen‘, das musikalische ‚Geräusch‘ gesellt, das primärste Spricht als Symbolisch-Reales und beides noch dazu eingerahmt und gehalten wird von den Formel-Worten als dem ‚Vierten‘.

 



[1] Schneider-Harpprecht, U., Mit Symptomen leben, eine andere Perspektive der Psychoanalyse J. Lacans, Münster Lit (2000)

[2] Lacan, J., Seminar XX, Quadriga (1986) S. 78

[3] Lacan, J., Seminaire XIII vom 27.4.66

[4] Lacan, J., R.S.I, Übersetzung Seminar XXII, M. Kleiner S. 24

[5] Lacan, J., Seminar IX, Sitzung vom 4. April 1962; Übersetzung R. Nemitz nach Version Staferla.

[6] Der französische  Schriftsteller V. Hugo  sprach  diesbezüglich vom ‚schwarzes Licht‘. Ich habe es schon als das Leuchten der Farbe schwarz benannt.

[7] Ein Ausdruck, den einer meiner Patienten einmal zum Besten gab und mit dem er seine meditativen Erfahrungen beschreiben wollte.

[8]  Golan, R. Loving Psychoanalysis, Karnak (2006)

 

[9] Lacan, J., Seminar XVIII, 4. Sitzung vom 17. 2. 71

[10] Lacan, J., Seminar XX, Quadriga (1986) S. 83

[11] Mit dieser Aussage will Lacan definieren, was die Liebe ist, die Liebe in ihrer mehr alltäglichen Form.

[12] Lacan, J., L’Étourdit. Scilicet, 4:5-51 (1973)

[13] Zumindest gilt dies für Sexualtherapien, in denen beispielsweise bei Impotenz – so der Mann z. B. keine Freundin mitbringt – eine Surrogatpartnerin zur Verfügung gestellt wird. Man geht quasi ins Bordell und dafür zahlt auch noch die Krankenkasse.

[14]  Lacan, J., Seminar XI, Walter (1978) S. 90 - 120