Die Signifikanten des Todes als Informanten des Lebens

Es ist gewiss bekannt, dass wir in einer Überinformations-Gesellschaft leben, in der wir von dem Übermaß an Informationen nicht mehr genau wissen, was eigentlich wichtige Information ist und was nicht So können wir uns auch kaum noch etwas merken, weil das eine das andere überdeckt oder gar auslöscht. Was stand in der Zeitung, wie hießen die Filme gestern Abend, welche Meldungen kamen per Email oder aufs Smartphone und wer hat heute nochmals angerufen? Wer bin ich überhaupt? Meine Methode der Analytischen Psychokatharsis stellt geradezu das Gegenteil dieser Überinformation dar. Man bekommt überhaupt keine Information mehr über all das, was einem suggeriert wird,

sondern erfährt nur noch das, was zwingend im Inneren nach außen drängt. Ähnlich wie das Wesen der Gegensprache, wirkt hier nur eine Art der Gegeninformation. Sie ist eine Information, die ebenso jede Information auslöscht, aber nicht durch ein Zuviel an Übermaß, sondern durch das kompakteste Minimalmaß, das möglich ist. Es braucht nur noch ein paar Buchstaben oder Laute.

Die sind jedoch nötig,  weil sich die absolute Leere der Nichtinformation gar nicht halten lässt und nicht ertragbar wäre. Denn es drängt wie gesagt immer etwas von Innen nach außen, und damit dies gerade noch vermittelbar wird, benötigt man wenigstens ein paar Zeichen, also Phoneme z. B., Buchstaben, die die minimalst mögliche strukturelle Ordnung beinhalten und die Lacan Signifikanten nennt. „Der Signifikant materialisiert die eindringliche Instanz des Todes“, schreibt er,[1] was am besten zeigt, wie eine wirklich wichtige Information, nämlich die, dass man sterben muss, symbolisch, sprachlich – sozusagen gut gesagt – vermittelt werden kann. Die Überinformation vermittelt die Dinge zwar ebenso symbolisch, aus den erwähnten Gründen aber nur chaotisch. Die reine Nichtinformation übermittelt aber nur Leerzeichen, nur Bilder ohne jede Bedeutung. In einer Methode, in der jedoch die Minimalstruktur der Signifikanten der eigentliche Vermittler ist, spricht in jeder Information – die nunmehr hauptsächlich aus dem eigenen Inneren stammt – der Tod ein Wörtchen mit.

Das darf man sich jetzt nicht allzu dramatisch vorstellen. Ein Schriftsteller oder ein Dramatiker wie F. Dürrenmatt kann sich dagegen schon eine heftige Art der Vermittlung leisten. Wie erwähnt betont er unter anderem, dass es im Drama nach kurzer Schilderung normaler Vorgänge zur „katastrophischst möglichen Wendung“ kommen muss, mehr oder weniger also der Tod im Hintergrund die Hauptrolle spielt. Im Drama ‚Der Besuch der alten Dame‘ fordert diese von der Dorfgemeinschaft, dass man ihren Exgeliebten umbringen müsse, wenn sie eine Milliarde für den Ort spenden würde. Erst lehnen alle entrüstet ab, doch dann bröckelt die moralische Haltung, und man trickst die Sache irgendwie so hin, dass der Exgeliebte – selbstverursacht oder nachgeholfen – letztendlich stirbt und die alte Dame den Scheck zücken muss. Doch der Tod und die von Dürrenmatt in diesem Stück dramatisierte Korruption und Käuflichkeit der Menschen wird auch durch Aspekte der Signifikanten verstärkt herausgestellt.

So heißt der Ort des Dramas ‚Güllen‘, was an die Gülle der dargestellten Unmoral des Dorfes erinnern soll, und der Versuch, den Ort in ‚Gülden‘ umzubenennen, weist nur ebenfalls wieder auf die Verderblichkeit der Menschen durch Geld und Gold hin. Am deutlichsten aber wird der Tod durch den ‚schwarzen Panther‘ signifikantisiert und verbildlicht, den die alte Dame angeleint mit sich führt und der im Verlauf des Dramas sich losreißt, so dass er gesucht und gejagt werden muss. Auch das eine Signifikanz des Todes, nämlich dass wir ihn ständig versuchen einzufangen, was uns nie gelingt. Oder doch? Man kann ihn doch zähmen wie es auch Saint-Exupéry von dem wilden Fuchs berichtet, der zum ‚Kleinen Prinzen‘ sagt: ‚Si tu m'apprivoises ma vie sera comme ensoleillée‘ (wenn du mich zähmst, wird meine Leben wie Sonnenschein sein).    

Durch die Anwendung der Analytischen Psychokatharsis kann man eine derartige Zähmung – auch des Todes – viel einfacher haben. Die paar Buchstaben, die zur Gegeninformation nötig sind, kommen nämlich wie aus dem Off. Zumindest klingen sie so. Hätte der Tod eine Sprache, würden sie diesem Klang ähneln, und so wird die Angst vor dem Tod gezähmt. Es ist höchste Zeit, dass wir uns aus der Überinformation dadurch befreien, indem wir in diese Gezähmtheit übergehen, in der jede Information vom Sonnenschein begleitet ist. Vor kurzem vernahm ich bei der Ausübung der Analytischen Psychokatharsis einen Gedanken, der so lautete wie: ‚Zur Presse gehen‘. Ich dachte nicht sofort an die Presse im Sinne der Medien, der freien Presse, sondern an ein ‚Gepresstwerden‘, also dorthin zu gehen, wo man ausgepresst wird. Doch dann gefiel mir gerade diese Doppeldeutigkeit. Wir sollten unsere eigene Presse sein, wir brauchen nicht die Überinformation der Medien, aber auch nicht die von Kirche und Staat, von Kultur und Meinungsmachern. Vielmehr sollten die Phoneme, die unbewussten Signifikanten in uns laut werden, so dass wir sie selbst niederschreiben können, indem sie vorher durch die Presse der Formel-Worte wie etwa dem ENS-CIS-NOM gegangen sind. Durch die Presse der Signifikanten, die die Instanz des Todes materialisieren, der dadurch zur Information des Lebens wird.



[1] Lacan, J., Écrits, Ed. Seuil (1966) S. 24