Selbstvergeistigung und Selbstsublimierung

Selbstvergeistigung ist ein Ausdruck, der oft in Bemühungen christlicher Ethik, in der Anthroposophie, im Buddhismus oder zahlreicher esoterischer Schulen verwendet wird. Manche sind immerhin schon so schlau, dass sie – sich dem Zeitalter der Sprachwissenschaften anpassend – einzelne Buchstaben zur Selbstvergeistigung verwenden. Doch wie sie dies tun bleibt genauso wie das Verhaftetsein am konfessionell Religiösen höchst unwissenschaftlich und frei erfunden. Dies hat auch mit dem Begriff des ‚Geistes‘ zu tun, den man vereinfacht in den Raum stellt ohne zu wissen, was er bedeutet. Der Neurowissenschaftler A. R. Damasio schreibt, dass Bienen und Ameisen ‚Geist‘ haben, weil er

nicht weiß, wie er dieses unglaubliche biologische und neurosoziale Netzwerk sonst bezeichnen soll. Aber geht er nicht ein bisschen zu weit damit? Immerhin ist doch das Gehirn der Ameisen noch eher mit einem einfachen Computer vergleichbar und auch so zu nennen als das Gehirn des Menschen. Wenn man vom menschlichen Gehirn als einer Maschinerie des Geistes sprechen würde, könnte man dies vielleicht noch akzeptieren. Das menschliche Gehirn ist doch sehr komplex und wenn ich es mit dem Geist gleichsetze, komme ich dann nicht in die Schwierigkeit es mit sich selbst zu erforschen. Der Gehirngeist erforscht dann den Gehirngeist, das kann nicht gut gehen.

Damasio würde also besser daran tun das Wort Geist nicht zu verwenden. Er könnte vom neuronalen oder algorithmischen Netzwerk sprechen. Der Begriff Geist ist schon zu lange und so intensiv von der Philosophie und der Theologie beherrscht. Dort wird er natürlich auch zu vielseitig, missverständlich  und völlig unterschiedlich verwendet. Die Theologen sprechen vom „spiritus purus“, als ob die Schreibung mit lateinischen Namen das Problem lösen würde. Sie stützen sich auf sprachlich verfasste Offenbarungen. Aber wäre hier nicht Psychologie, Linguistik und Mythologie viel eher gefragt? Und von den Philosophen sprach Sigmund Freud gleich als sublimen Hysterikern, weil sie versuchen würden sich am Schopf ihrer eigenen Gedanken aus dem Sumpf zu ziehen und dies dann Geisteswissenschaft zu nennen. Gewiss kann man über das Thema „Was ist Geist“ ganze Bibliotheken füllen. Ich kann hier nur meine wesentliche Skepsis anmelden, die sich um den Begriff ‚Geist ’ wickelt.

Trotzdem verstehen die meisten Menschen mit dem Wort Selbstvergeistigung eher als mit dem Wort Selbstsublimierung, wie es in der Psychoanalyse verwendet wird, etwas anzufangen. Beiden ist eigentlich der selbe Zug eigen. Es ist ein Zug zur Verfeinerung, zur Höhe und zu Vorstellungs- und Phantasiebildungen. Lacan meint sogar, dass es sich um den einzigen, einzelnen – man könnte auch sagen – charakteristischen Zug handelt. Hier geht es nämlich um den Ursprung der Identifizierung, also jeder identitätsbildenden Wahrnehmung und somit mit der generellen Entstehung des Seelischen aus psychoanalytischer Sicht. Will man klar wissenschaftlich und logisch vorgehen – vor allem im Sinne einer logischen Praxis wie sie die Psychoanalyse darstellt – kann man nicht anders argumentieren. So steht am Anfang einfach erst die Spiegelung, eine Spiegelung mit etwas vom eigenen Körper  und dann beim Hindurchgehen durch den Spiegel das Auftauchen des Anderen, der bereits symbolischen, sprachlichem Aspekt hat.

Damit bin ich bei dem grundlegenden Dualismus angelangt, der jede Wissenschaft kennzeichnet und den ich ein Es Spricht und ein Es Strahlt nenne. Das nebenstehende Schema mag diesen Dualismus in seiner Vielschichtigkeit darstellen. Dabei sind einige Positionen nur rein analogisch zu verstehen, aber es geht dabei vor allem um diejenigen, die hier im Text am ehesten relevant sind. Von der Psychoanalyse Lacans her wären die zentralen Begriffe das Imaginäre und das Symbolische, die sich mit dem Realen (durch den Schrägstrich vermittelt) verbinden. Mit diesem Schema wird auch sichtbar, dass die Spiegelungen etwas rein Imaginäres, Szenisches sind, die mit dem Schautrieb und den Elementarteilchen unserer optischen Welt zu tun haben.[1] Die primäre Spiegelung, Selbstspiegelung, ist ein ‚Glitzern, ein Es Strahlt. Mit meinen hier im Zusammenhang mit der Psychoanalyse erstellten und praktisch verkürzten Ausdrücken eines Es Spricht und Es Strahlt wird die beste Zusammenfassung für die Primärvorgänge im Seelischen |erreicht. Sie stimmen mit dem Primärprozess des Sprech- und Schautriebs ebenso bestens überein. Im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse geht die von mir entwickelte Analytische Psychokatharsis von diesen Primärformen aus. Nur so lassen sich jetzt auch klare Bemerkungen zur Selbstvergeistigung und Selbstsublimation machen.

Für Freud begann die psychoanalytische Theorie mit denn Trieb-Repräsentanzen, also mit dem, was dem Trieb im Seelischen repräsentiert. Aus was der Trieb selbst bestand blieb unklar. Freud spekulierte mit chemischen Substanzen, dennoch gab er dem Trieb Namen: Eros-Lebenstrieb und Todestrieb. Viel besser jedoch konnte man die Triebe entsprechend der von Lacan ausgearbeiteten Umformulierung definieren, in der der an die Wahrnehmung angelehnte Schautrieb und der an der Entäußerung hauptsächlich wirkende Sprechtrieb die plausibleren Grundtriebe wurden. Denn jetzt konnte man wie an meinem Schema gezeigt die Zusammenhänge besser verstehen. Von den Trieb-Repräsentanzen ausgehend konnte man zwar besser klassische Psychoanalyse betreiben, für die Analytische Psychokatharsis jedoch ist das lacansche System besser geeignet.

Denn in einer Meditation beispielsweise erfährt man das direkte und primäre Wirken der Triebe ohne Umwege. Dies klingt nach einer gefährlichen Ausgangsposition, aber diese verringert sich sehr je nachdem wie die Meditation geleitet ist. Ist sie nach religiösen Glaubensverständnissen geordnet oder nach mythischen Vorstellungen, wird ein gewisser Halt im Zusammenwirken der Triebe gewährleistet. Aber besser und präziser ist dieser Halt natürlich bei einem wissenschaftlich aufgebauten Meditationsvorgang, wie er in der Analytischen Psychokatharsis vorliegt. Denn – und dies ist jetzt das Hauptanliegen dieses Textes – nur von daher lässt sich eine gesicherte Selbstvergeistigung und Selbstsublimierung erreichen. Im religiösen Bereich wird man sich in zugehörige theologische Texte verstricken, in mythischen Bereich in ausufernde Schilderungen verirren. Ein ungesichertes Zuhochsteigen, ein zu weitgehendes Verfeinern oder eine zu stark isolierte Sublimierung führt zur Psychose, Perversion oder depressiver Verstimmung.

Andererseits ist gerade eine vom unmittelbaren Selbst ausgehende Vergeistigung oder Sublimierung eine der besten Möglichkeiten psychotherapeutischer Hilfe. Noch dazu, wenn wie oben angedeutet Linguistik oder Buchstaben ein wesentliches Werkzeug sind. Die Buchstaben oder die Phoneme müssen natürlich in einer dem Unbewussten genau entsprechenden Weise verwendet werden können. Hier spielt der freudsche Begriff der Überdetermination eine große Rolle. Im Traum z. B. sind seelische Elemente oder unbewusste Gedanken von mehreren Quellen her gespeist und determiniert. Genau dies geschieht auch bei den Formel- und Pass-Worten. Im Formel-Wort finden sich nämlich verschiedene Bedeutungen je nachdem von welchem Buchstaben sie aus gelesen werden können. Es findet also eine Überdeterminierung statt, die das Unbewusste zwingt, das Verdrängte oder im tiefsten Seelischen Abgespaltene herauszugeben.

Diese Herausgabe existiert auch im Traum, jedoch ist sie dort sehr entstellt, während sie in den Pass-Worten meist von vornherein klar ist. Nur manchmal muss man ihnen eine weiterführende rationale Deutung geben. Weiteres und Genaueres findet sich auf der Webseite >analytic-psychocatharsis.com<.



[1] Wir wissen inzwischen, dass sich Lichtteilchen (Photonen) in Nanobereich in Elektronenströme verwandeln können, wie es etwa beim Chlorophyll der Fall ist. Umgekehrt hat der hier in Anführungszeichen gesetzte ‚Laut‘ etwas mit der Gravitationskraft der Neutronensterne zu tun, da nachgewiesen wurde, dass diese die gleichen Schwingungen annehmen wie herkömmliche Schallwellen. Vielleicht sind diese Angaben noch spekulativ, sie sind aber für meinen Text hier nicht wichtig.