Bild und Sprache

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Felszeichnung aus Hua ´ an, China„Familie", dieser Hort größten Glücks und Unglücks zugleich, voll von Bindungs- aber auch Spannungsliebe, Hort zu naher und doch auch nur schwierig lebbaren Eros. Aus all den gezeigten Bildern könnte dies heraus zu lesen sein. Wir kämen somit einer Sprache / Bild - Wissenschaft (mit psychoanalytischem Hintergrund) zunehmend näher. Diese Wissenschaft liegt ja der Analytischen Psychokatharsis zugrunde, auf deren Seite ich daher diesen Artikel platziert habe. An anderer Stelle habe ich diese Wissenschaft ENS - CIS - NOM genannt (www.ens-cis-nom.com), weil ich eben keinen neuen akademischen, universitären oder sonst üblichen Namen dafür verwenden will. Ich will ja Worte und Bilder alleine sich einen wissenschaftlichen Wert geben lassen. Das Ding soll von alleine laufen. Es soll nicht Kunsttherapie heißen, nicht Bildwissenschaft oder Linguistik und auch nicht Psychoanalyse im herkömmlichen Sinne. Natürlich nenne ich das Verfahren, insofern es um praktische Übungen geht, Analytische Psychokatharsis. Aber das ist nur ein Hilfs-Untertitel. Der eigentliche Titel ist ENS - CIS - NOM, eine lateinische Formulierung, die mehrere Bedeutungen in sich enthält, so dass eben gerade keine wirklich gilt (Näheres siehe unter diesem Begriff).

Der Ausgangspunkt war, dass Bild- und Worthaftes eng verbunden sind. Das ist generell so. Ich kann mich auf viele Wissenschaften stützen (veröffentlicht in „Das konjekturale Denken", BoD, 2010). Hauptsächlich berufe ich mich auf J. Lacans Umformulierung der Freudschen Psychoanalyse mit der Setzung zweier Grundtriebe, -kräfte: vereinfacht Bildtrieb und Worttrieb. Ich muss das hier nicht wiederholen. Diese zwei Grundprinzipien zu- und gegeneinandergestellt fangen von selbst an ihre Wissenschaft zu etablieren. Hinter sie selbst geht nichts zurück. Mit ihnen habe ich mit dem anfänglichen Ausdruck „Strahlt / Spricht" begonnen. Bildhaftes / Worthaftes, Bildwort, Wortbild.

Bleiben wir bei „Familie". Hier ein weiteres Bild von T. Heydecker, das das gerade Gesagte wieder von einer anderen Seite her exakt bestätigt: die Familie als Hort einer engen Beziehungsgruppe, die Nähe und Distanz, Vertrautheit und Fremdheit deutlich wiederspiegeln. Vielleicht kommt sogar auch das Glück ein klein wenig zum Zug, wenn sich auch das Unglück des isolierten, unverstandenen Kindes hier deutlich zeigt.

Hier nochmals ein Bild gleichen Titels von E. Kirchner mit einem Kommentar, der von der Kunsthalle Erfurt anlässlich einer Austellung Anfang 2010 dazu geschrieben wurde:  „Das in den Jahren 1927-28 entstandene Gemälde "Die kirchner-familieFamilie" zeigt dies sehr deutlich. Es ist im Auftrag des Folkwang Museums in Essen entstanden, als Vorbereitung auf einen umfangreich geplanten Freskenzyklus, der jedoch nie ausgeführt wurde. Das Bild zeigt eine kleine Familie in freier Natur: Vater, Mutter und ein kleines Kind. Der links stehende Vater wendet sich der sitzenden Mutter liebevoll zu, während diese den Säugling an ihrer Brust hält. Sind an den Bildrändern verschiedene Naturdetails gut zu erkennen, so verselbständigen sich die Farbformen  innerhalb der Figurengruppe zu organisch wirkenden Verschlingungen, welche die Figuren unlösbar miteinander verbinden und auf diese Weise symbolisch jenen intensiven menschlichen Zusammenhalt herstellen, den sich Kirchner vorstellte. Die Gesichter von Mann und Frau als geistige und emotionale Zentren der Gruppe werden durch verzweigte grüne Formen miteinander verbunden. Die abnehmende Farbsättigung der Rosa- und Grüntöne hin zum Säugling verweist auf ein Leben, dass noch ganz am Anfang seiner Entwicklung steht. Gelbe Farbbänder wiederum verbinden den Kopf des Babys mit der Schulter des Vaters und den Nabel mit dem Kopf der Mutter. So wird nicht nur die äußere Zusammengehörigkeit dieser Personen visualisiert, sondern auch ein innerer Lebensstrom, der die drei miteinander verbindet."

Ich finde, dass der Kommentor das Bild gut erfasst. Vielleicht hätte er noch erwähnen sollen, dass das Bild ein bisschen an die „Heilige Familie" erinnert, und das wäre natürlich nicht in unserem Sinne, den ich will ja insbesondere psychoanalytische Hintergründe mit erwähnen (auch wenn es hier eben nicht um herkömmliche Psychoanalyse geht). Aber wenn sich eine derartige Assoziation zum Thema „Familie" aufdrängt, könnte es ja sein, dass der Künstler hier wirklich von einem konfessionellen Gedanken geführt war, und dann hat das Bild Aussagekrfat speziell in diesem konfessionellen Zusammenhang, von dem man als Psychoanalytiker sagen würde, er ist zu sehr geschönt, eben religiös verbrämt, ästhetisch konfessionell erhöht. Das mag in einem kirchlichen Zusammenhang wunderbar sein, aber ich wollte ja von Bildern ausgehen, die sich selbst artikulieren und „Familie" in ihrer ganzen Breite und Vielschichtigkeit, Schönheit und Gewalt, Nähe und Distanz etc. zeigen. Da aber der Kommentator sagt, das das Bild eine Familie in der Natur zeigt und der Freskenzyklus im Folkwang-Museum nicht einer konfessionellen Richtung gewidmet war, lasse ich das Bild so stehen.
Denn es ist wirklich großartig zu sehen, wie das gelbe Farbband und das Grün der Gesichter „organisch wirkende Verschlingungen" bilden, die doch genau das betonen, was von Anfang an hier zur Rede stand: die Verschlingung von Bild und Wort, von „Strahlt / Spricht". Durch die Farbbänder sind die Personen der Familie harmonisch verwoben aber auch gefesselt, organisch verwachsen, aber auch gebunden. Das hat das Kind in Bild Nr. 1 auch gefühlt, getan oder auch nur gekritzelt. Nolde hat es bereits reichhaltiger ausgestaltet und zwar ebenfalls ohne die Dynamik der Familie in eine einseitige Richtung zu lenken, auch wenn er gegenüber Kirchner spannungsgeladener, wilder, dramatischer wirkt. Und die chinesischen Felsmaler hatten wiederum ihre eigene Gestaltungsidee. Doch summa summarum ist dies alles nicht wichtig. Wichtig ist, dass uns „Familie" klarer, dichter geworden und näher gekommen ist.