Die körperlich kranke Seele I und II

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Analytische Psychokatharsis als ein neues Verfahren für psychosomatische Erkrankungen.
Das Bild auf der Umschlagseite zeigt ein Tranguloid und verbildlicht damit ein mathematisch berechenbares und auch geometrisch (besser topologisch) anschauliches Bild sich einander durchschlingender Flächen. So schwer erkennbar und verknotet durchwoben muss man sich auch Körper und Seele des Menschen vorstellen, aber auch so verschiedene psychologische Verfahren wie es die Psychoanalyse auf der einen und die Meditation auf der anderen Seite sind. Es bedarf daher eines ebenso komplex strukturierten Verfahrens, um diese Vielschichtigkeit

wissenschaftlich zu behandeln, aufzuschließen und neu zu formen.
Ich habe dieses Verfahren „analytische Psychokatharsis" genannt, weil es psychoanalytische Erkenntnis mit kathartischer (reinigender, meditativer) Erfahrung in eben solch durchwobener Form verbindet.  Auf Seite 33 findet sich eine vereinfachte Zusammenfassung des Haupttextes. Wem der hier vorliegende Haupttext zu schwierig erscheint, weil er wissenschaftliche Aspekte besonders berücksichtigt, kann auch mit dieser vereinfachten Zusammenfassung beginnen und evtl. dann den Hauptteil lesen. Im Teil II findet sich die zugehörige Darstellung aus der persönlichen Erfahrung des Autors.

Einführung

In dieser Broschüre erläutere ich ein äußerst einfaches und klares Konzept eines psychotherapeutischen Verfahrens, das modernen und exakten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Dennoch darf der Leser nicht erwarten, dass die Lektüre dieses Textes leicht und unproblematisch ist. Um eine der üblichen Abhandlungen, die z. B. Depressionen auf falsch entwickelte Gefühle zurückführen, ein paar warmherzige Ratschläge geben und positives Denken empfehlen, handelt es sich nicht. Es ist keine Broschüre in der Form eines simplen Ratgebers. Jedoch auch sonstige Darstellungen anspruchsvollerer, aber sogenannt ‚alternativer' psychotherapeutischer Verfahren grenzen sich von diesem Text hier ab. Denn derartige Lektüre hat oft den Nachteil, dass sie - wie etwa verschiedene Schilderungen von Meditation, Gesprächs- und Entspannungstherapien - zwar einfach und klar ist, aber keine genügende wissenschaftliche Begründung aufweist. Oder es geht um zu komplexe und komplizierte Methoden wie etwa die klassische Psychoanalyse, die zwar wissenschaftlich präzise, aber langwierig und umständlich ist. Mein Vorgehen erreicht durchaus Einfachheit und Klarheit wie auch die Wissenschaftlichkeit durch einen Ausgangspunkt, der als grundlegend für alle Bereiche (Wissenschaft, Kultur, „Spiritualität", etc.) gelten kann. Er ist sogar in vielen Teilen der Psychoanalyse entnommen, jedoch reduziert auf ihre Grundelemente und somit nicht so kompliziert-komplex (später werden einige theoretische Aspekte notwendig sein, die aber für die Anwendung des Verfahrens nicht für jedermann gleich wichtig sind).

Diese Grundelemente bestehen in den beiden von der Psychoanalyse herausgearbeiteten und weiter entwickelten Grund-Kräften, -Trieben, -Prinzipien: (a) einem elementaren Wahrnehmungstrieb einerseits (sozusagen etwas, das von außen nach innen gerichtet ist) und (b) einem ebenso grundlegenden Entäußerungstrieb (das also von innen nach außen gerichtet ist).[1] Dieses einfache Konzept und seine konkrete Anwendbarkeit wird im Folgenden weiter und weiter erklärt, wird aber auch bei den theoretisch schwierigeren Abschnitten stets als roter Faden dienen, und somit bleibt die Lektüre meines Verfahrens übersichtlich. Zudem ist es in der Psychologie ja auch so, dass alles sofort zu verstehen oft gar nicht so gut ist. Wichtiger ist es zu merken, dass an der Sache wirklich etwas dran ist. Denn dann liest man einen Text eben erneut und eignet sich somit genügend Verständnis an.


Die Psychoanalyse ist also die am weitesten entwickelte psychotherapeutische Wissenschaft, jedoch sehr komplex und in ihrer klassischen Form für die Behandlung der „körperlich kranken Seele", also von Krankheiten, die körperliche Beschwerden machen, aber im seelisch Unbewussten ihre Wurzel haben, nicht so gut geeignet. Das Problem liegt in der Art und Weise der Sublimierung, d. h. der Verfeinerung, Anhebung, Verbindlichmachung der unbewussten Triebkräfte (oben gerade als (a) und (b) bezeichnet) ins bewusste, gesellschaftliche und allgemeine Leben. Arbeit, Kunst, Kultur und eben auch analytische Psychotherapie sind z. B. Wege, auf denen die ungesteuerten Triebkräfte verfeinert und dem bewussten Alltags- und Gefühlsleben zugänglich gemacht werden können. Manche dieser Sublimierungen sind mehr intellektuell, andere mehr körper- oder gefühlsnah.

Zusammenhänge Sublimierungen

Abb. 1 Zusammenhänge (körper-, gefühls-, und intellektbezogen) ver-schiedener Sublimierungsmöglichkei­ten auf dem Hintergrund einer Boyschen Fläche. Die einzelnen Bezeichnungen sind nur eine Auswahl von kulturellen, psychotherapeutischen oder sonstigen Zugängen zum Menschen in seiner Gesamtheit als Subjekt. Die Boysche Fläche ist ein Durchschlingungsgebilde ähnlich dem auf der Umschlagseite, und ist somit auch wieder mathematisch aufgebaut. Sie demonstriert so erneut die Vielschichtigkeit in einer einheitlichen Formulierung. Dies wird noch von zentraler Bedeutung für die Analytische Psychokatharsis sein (hier mit den Buchstaben A und P gekennzeichnet)

Die Abbildung 1 soll alle diese Zusammenhänge anschaulich darstellen. So leuchtet es sicher sofort ein, dass Sport beispielsweise eine sehr körpernahe Sublimierung ist, aber es wird dabei nichts intellektuell verarbeitet oder erkannt. Die Psychoanalyse ist dagegen eine sehr intellektuelle Methode, bei der auch viel erkannt und geistig-seelisch verarbeitet wird. Aber es fehlt ihr wie gesagt der nahe Bezug zum Körperlichen, und dies ist gerade heute oft das entscheidende Problem. Wer ginge z. B. mit Migräne oder chronischen Magenschmerzen Hunderte von Stunden in eine psychoanalytische Gesprächsbehandlung, in der zwar sehr viel über sich erfährt und vielleicht auch eine kleine Erleichterung seiner Beschwerden verspürt, aber nicht direkt an die Nahtstelle von Seele und Körper gelangt, wo sein Leiden sitzt? Genau so wenig wie ihm diesbezüglich Sport allein weiterhelfen würde, weil eben die Zusammenhänge der innerseelischen Triebkräfte und Konflikte dabei nicht geklärt und gelöst werden, vermag die ausschließlich analytische Therapie wiederum nicht physisch spürbar genug Erleichterung von solchen psychosomatischen Erkrankungen zu bringen. Und auch die Kunst oder andere psychotherapeutische Methoden können gerade die „körperlich kranke Seele" nicht genügend heilen, so sehr sie auch hilfreich sind.

Trotzdem ist - wie betont - die Psychoanalyse als vereinfachtes wissenschaftliches Werkzeug wichtig. Sie hat uns gezeigt, dass wir unbewusst auf den Analytiker Bedeutungen übertragen (man nennt diesen Vorgang daher die Übertragung), die meist aus früheren Beziehungen, Konflikten und den wesentlichen Kombinationen von diesen beiden Grundtrieben, Triebkräften, Grundprinzipien stammen, die beide für sich autonom sind, aber gegen- und miteinander verwoben in uns wirken. Denn diese beiden Triebkräfte (Wahrnehmungs- und Entäußerungstrieb) sind in uns miteinander stark verwickelt, ja geradezu verknotet, und machen so Probleme, und ihre Auswirkungen müssen also gelöst und sublimiert werden. Sonst brechen diese Kräfte in Aggressivität und Perversion, in Ideologie, Fanatismus und anderen -Ismen ziemlich ungehindert durch, sind aber nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen, sondern auch aus ihrer Kombination heraus keine Lösung für das einzelne Subjekt und stellen eben auch keine genügende umfassende Sublimierung dar. Sie bleiben roh und unverbindlich.


Diese beiden Triebkräfte bestehen also einerseits in dem von Freud so benannten Schautrieb (von mir vorhin bereits umfassender Wahrnehmungstrieb genannt), den ich in seiner konkretesten, unmittelbarsten Repräsentanz auch als ein ES STRAHLT bezeichne.[2] Sämtliche körperlichen Funktionen aber auch verschüttete seelische Erfahrungen werden nämlich auch in Gehirnfunktionen (wir können auch sagen: im Unbewussten) „gespiegelt",[3] d. h. es gibt einen „virtuellen Körper" im Unbewussten, eine unbewusste sich spiegelnde Struktur, die an jeder Krankheit mitwirkt. Neurowissenschaftler erklären uns,[4] dass dieses Virtuelle vorwiegend im Stammhirn - und d. h. hier durch Nervenver­schaltungen - repräsentiert ist. Aber eine solche Auffassung ist natürlich typisch „gehirnwissenschaftlich", denn wie für jede Krankheit eine derartige Nervenverschaltung, aussehen soll, ist nicht zu sagen. Das zutreffende Sagen, das authentische Benennen, das Rhetorische, bleibt auf der Strecke, insbesondere dann wenn man mit psycho-somatischen Störungen anschaulich umgehen will. Trotzdem aber man könnte es sich gut so denken, dass es vereinfacht gesagt auf der einen Seite um die Mitwirkung „spiegelnder" Vorgänge oder eben noch besser unbewusster seelischer Spiegelungen, um Virtuelles, „Bildhaftes", geht, und auf der anderen um Rhetorisches, „Worthaftes". Die innerseelischen Spiegelungen oder das „Bildhafte" nenne ich also - weiterhin vereinfacht ausgedrückt - ein ES STRAHLT (Es Scheint, Es Oszilliert). Es ist identisch mit dem Wahrnehmungs- oder Schautrieb, den man nicht weiter zerlegen oder messen kann. Und eben deswegen benötigt man andererseits ein zweites Prinzip oder Triebkraft, um sie dieser ersten entgegen zu stellen. Diese zweite Triebkraft, dieses zweite Grundprinzip, ist also der Entäußerungstrieb (beim Menschen besser Sprechtrieb genannt[5]), und ich will ihn ebenso vereinfacht ein ES SPRICHT (Es Verlautet) nennen. In ihm steckt das Rhetorische, das „Worthafte", das Symbolisierungen Ermöglichende, also etwas völlig anderes als im ersten Grundtrieb. Mit dem Konzept des STRAHLT / SPRICHT sind also beide Grundtriebe, - kräfte, möglichst formal - konkret benannt.

Es erscheint dies alles vielleicht etwas theoretisch, ist aber im Grunde genommen einfach und für das Gesamtverständnis notwendig. In diesem Bereich der Psychologie gibt es keine rein objektiven Fakten, keine direkten Objekte, und man muss sich auf derartige ultimative „Kräfte" oder Triebe verlassen, wie sie die Psychoanalyse erarbeitet hat. Es gibt also einerseits ein „Bildhaftes" im Unbewussten, das man als virtuell strukturiert oder auch als ein STRAHLT erfassen kann und das das kathartische Element des Verfahrens darstellen wird. Positive Spiegelung, ein positives „Strahlen", wird nämlich als reinigend, ja manchmal direkt durch ein inneres Schaudern, „Durchrieseln" (also körperbildhaft) erfahren.[6] Zweitens handelt es sich um ein ebenso ursprüngliches „Worthaftes" im Unbewussten, das man genau so wie ein inneres Sprechen, ein SPRICHT in sich aufgreifen, erlauschen und somit dann "entäußern" kann. In der klassischen Psychoanalyse kann dieses worthafte „Verlauten" aus dem Unbewussten über die Träume und ihre Deutung, über die sogenannten „freien Assoziationen" und deren Interpretationen oder über die Deutung von Fehlleistungen und Versprechern bewusst gemacht werden. Darin ist das „Bildhafte" zwar einbezogen, kommt aber viel zu kurz und wird nicht genug körpernah erfahren. Umso mehr ist in der herkömmlichen Psychoanalyse der „worthafte" Teil zu komplex und zu kompliziert ausgeweitet.


DasSTRAHLT und SPRICHT, das „Bild"- und „Worthafte", sind also ständig unbewusst in uns verknüpft.[7] Je unbewusster und fehlerhafter diese Verknüpfung ist, desto mehr kommt es eben zu psychosomatischen oder auch rein seelischen oder sonstigen Beschwerden. Dabei spielt natürlich auch die Art, wie die Objekte der Außenwelt (dazu gehören auch menschliche „Objekte") in diese Verknüpfung einbezogen sind, eine große Rolle. Um nicht zu sehr in der Theorie stecken zu bleiben, werde ich gleich vorschlagen zwei praxisbezogene Übungen zu machen. In diesen Übungen wird die Erfahrung des STRAHLT mit der des SPRICHT durch die Verwendung sogenannter FORMEL-WORTE verbunden, deren Wesen ich im Weiteren ebenso wissenschaftlich belegt erklären werde. Durch diese praktische Verbindung erreicht man eine Klarheit und Sicherheit bei der Erneuerung der unbewussten und fehlerhaften Verknüpfung eben in Form dessen, was ich eine „analytische Psychokatharsis" nenne, eine körperbezogene Psychotherapie.

Im Gegensatz zur Psychoanalyse haben die meditativen Methoden für sich allein genommen den Vorteil, dass sie praxis-, also auch körpernäher sind (was wir ja eingangs gewünscht haben), dafür aber auch den Nachteil, dass sie viel zu sehr vom Bewussten oder besser: Gewussten, also schon vorgegebenen Sinn, Thema, Gedanken ausgehen. Sie haben eine schon zu sehr bestimmte und vom Therapeuten selbstgewählte Form. Sie sind zwar einfacher zu verstehen, sind bildhafter, plastischer, anschaulicher, virtueller (mehr auf das STRAHLT bezogen), und sie sind also auch praxisnäher, vernachlässigen aber das von der Psychoanalyse für so wesentlich und wichtig angesehene und mehr worthafte, symbolbezogene, rhetorische (das SPRICHT), aber eben doch noch weitgehend unbestimmt belassene Unbewusste. Diesen wichtigen Aspekt kann man gar nicht genug betonen. Denn er macht die Wissenschaftlichkeit aus und ersetzt die Abhängigkeit vom Therapeuten. Dennoch - gerade wegen der Praxisnähe - werden wir uns auch auf diese meditativen Methoden etwas stützen müssen.

Nunmehr jedoch - um wie gesagt in der Theorie nicht zu weit auszuufern - empfehle ich jetzt eine Vorübung der beiden angekündigten Übungen zu machen. „Radiit" heißt lateinisch STRAHLT, „Dicit" SPRICHT. Wenn wir beide zu „Radicit" zusammenziehen, haben wir zwar noch kein ganz echtes FORMEL-WORT (dessen Charakter besteht - wie ich noch zeigen werde - in einer wissenschaftlich präziseren und klaren Zusammensetzung), aber eine für den ersten Übungsschritt brauchbare Formulierung.[8] Wenn man sich nun (evtl. mit geschlossenen Augen) hinsetzt, langsam, monoton und nur in Gedanken das „Radicit" wiederholt und gleichzeitig ein bisschen darauf achtet, ob man dabei etwas, das den Charakter des STRAHLT hat, wahrnimmt, wird man eine Entspannung, vielleicht sogar schon eine leichte Katharsis bemerken. Das langsame, monotone Wiederholen des „Radicit" fördert den Rückzug nach innen und damit das Auftauchen der STRAHLT - Erfahrung, die nichts mit den Augen zu tun hat, sondern eben etwas mit dem unbewussten Körper-Bild, dem „Bildhaften", den Spiegelungen des Schautriebs. Das wird später noch ausführlicher erklärt werden, für den Anfang mag eine kleine Erfahrung genügen. Ich gebe hier absichtlich keine Suggestionen, was man „sehen" oder erfahren soll. Ich sage nur, es soll diesen Charakter des STRAHLT haben, wie unterschiedlich jeder das auch erfahren mag.

Nach einiger Zeit (vielleicht zehn Minuten) macht man dann die gleiche Übung mit dem SPRICHT. Während man im Hintergrund noch langsam (evtl. mit kleinen Unterbrechungen) das „R-a-d-i-c-i-t" wiederholt und die beginnende Katharsis spürt, achtet man jetzt darauf, etwas von der Art eines Tones, Klanges, Verlautens[9] zu vernehmen (die Umgebung muss dazu natürlich anfänglich ruhig sein), das von tief innen her zu kommen scheint. Auch hier stellt sich eine entspannende Konzentration ein und manchmal kommt es zum Auftauchen einer wirklichen SPRICHT - Erfahrung: eine Gedanke formuliert sich wie von weit her oder unerwartet spontan. Ein kurzer, in sich zusammengedrängter „Spruch", ein befremdlicher Einfall entsteht wie aus dem Nichts. Die Übungen fließen ineinander über, es gibt dann so etwas wie ein eigenes, wirkliches Radicit", ein STRAHLT, das SPRICHT oder umgekehrt, was sich bis zu einer Krönung und zu einer Erfahrung hin steigern kann, die ich später noch das KENN- oder PASSWORT nennen werde. All dies soll jetzt nicht weiter verwundern, sondern nur eine Ersterfahrung darstellen, um das Ganze der Analytischen Psychokatharsis auch von der Praxisseite her besser zu verstehen. Doch nach dieser Vorübung nochmals zur Theorie.


Gerade für die eben gemachte Schilderung der ineinandergreifenden STRAHLT / SPRICHT - Erfahrung, die vorerst nur umschreibend und unwissenschaftlich formuliert werden konnte, ist das Verständnis dessen wichtig, was ich mit dem eingangs erwähnten psychischen Übertragungsvorgang[10] angesprochen habe. Der Analytiker selber ist das ideale Übertragungsobjekt und in diesem Übertragungsvorgang selbst etabliert sich ebenfalls der STRAHLT / SPRICHT - Komplex, denn es wird ja „Bild"- und „Worthaftes" vermischt geäußert und interpretiert. Die fortschreitende Einsicht, die in der psychoanalytischen Therapie anhand des Übertragungsobjektes Analytiker zustande kommt, entspricht in der Analytischen Psychokatharsis dieser ineinandergreifenden STRAHLT / SPRICHT - Erfahrung als etwas, was man hier - als Pendant zur analytischen Übertragungsobjekt ein „Übergangs-Objekt" nennen könnte.[11] Es übersetzt übergangsweise das STRAHLT ins SPRICHT und umgekehrt. Aber erst in den bereits erwähnten KENN - oder PASSWORTEN kommt es zum wirklichen Ziel und Abschluss des Verfahrens, indem diese nicht nur eine Analytische Verdichtung darstellen, sondern auch mit der besagten Psychokatharsis einhergehen.[12]

Und noch ein anderes wichtiges Element der Psychoanalyse kommt hier zum Zug: das Wiederholungsgeschehen. In der Psychoanalyse gehen wir davon aus, dass im Unbewussten ein ständiger Zwang zu Wiederholungen besteht. Die oben genannten Konflikte und Kombinationen der Triebkräfte werden ständig unbewusst wiederholt, und auch darin spiegelt sich der STRAHLT / SPRICHT - Komplex wieder. Man könnte sogar noch erweitert sagen: im Übertragungsvorgang liegt die Betonung mehr auf dem SPRICHT, beim Wiederholungsgeschehen auf den STRAHLT. Beide schaukeln sich zu einem Zustand auf, den das „Übergangs-Objekt" nur langsam überschreiten kann, d. h., die Methode braucht Zeit. Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden.

Wenn die Kombination, der Knoten dieser beiden Grundkräfte -triebe zu eng, zu fixiert, zu sehr ins reine STRAHLT gekippt ist (das „Übergangs-Objekt" auf der Stelle tritt), muss eine Wiederholung stattfinden, um den Knoten zu lockern oder zu lösen. Meist gelingt dies mit der klassischen Psychoanalyse nicht. Diese Vorgänge sind zu elementar, „präödipal" wie man im Fachjargon sagt (also bevor sich der Ödipuskomplex bildet). Dagegen wird z. B. in anderen psychotherapeutischen Verfahren wie etwa dem autogenen Training, der Verhaltenstherapie oder der Meditation eine bewusste Wiederholung eingesetzt: die Wiederholung durch Üben, die Lern-Wiederholung. Hier wird dann vorausgesetzt, dass der Therapeut einen besseren Knoten des STRAHLT / SPRICHT zur Verfügung hat, und man diesen eben solange wiederholt einüben muss, bis die zu enge Fixierung aufgehoben wird. Man spürt hier schon, dass man dafür wiederum mehr vom Therapeuten abhängig werden kann. In den bereits erwähnten FORMEL-WORTEN werde ich aber einen Knoten liefern, von dem man unabhängig bleiben kann und der das „Übergangs-Objekt" zu immer höheren Formen treiben kann.

Umgekehrt verhält es sich beim Übertragungsvorgang. Hier verbleibt man zu sehr im SPRICHT, denn solange man miteinander redet, ist die Übertragung nicht ganz aufgelöst. Immer neue Bedeutungen werden produziert, und deswegen konnte ich vorhin bei der SPRICHT-Übung vom Auftauchen befremdlicher Gedanken, aus der Tiefe kommender Einfälle und Ähnlichem philosophieren. Deswegen muss das STRAHLT / SPRICHT zusammen mit den FORMEL-WORTEN gleichermaßen geübt werden. Die KENN- oder PASSWORTE sind dann ein Abschluss der Übertragung wie auch der „Übersetzung". So wird klar: Übertragungs- und Wiederholungsvorgang müssen in engem Zusammenhang erarbeitet werden.

 


Vorläufige Zusammenfassung

Bevor wir jetzt erneut zu den Übungen kommen noch eine kurze Zusammenfassung des bisher Gesagten. Naturwissenschaften wie etwa die Neurowissenschaften, aber auch die Religionen und Philosophien genügen nicht mehr für das Verständnis von seelisch-körperlicher Krankheit und deren Behandlung. Was die wissenschaftliche Verständnisseite angeht, eignet sich hierfür ideal die Psychoanalyse. Was die mehr praktische, die Behandlungsseite angeht, empfehlen sich meditative Übungsverfahren. Auf den ersten Anhieb scheinen sich aber therapeutische Methoden wie die Psychoanalyse und die Meditation (z. B. autogenes Training) total zu widersprechen. Aber es genügt jedoch schon eine einfache Betrachtung, um zu sehen, dass beide doch das gleiche betreffen und sehr ähnlich sind: So hört der Analytiker mit - wie Freud es nannte - „gleichschwebender Aufmerksamkeit" seinem Patienten zu, während in der Meditation der Übende selbst mit ebenso schwebender Aufmerksamkeit in sich hineinhorchen muss. Genau so entsprechen die „freien Assoziationen", die freien Einfälle in der Analyse, dem freien Auftauchen von Einfällen in der Meditation, insofern diese durch eine einfache Anleitung geführt werden.[13] Lediglich in dem therapeutischen „Geführt-werden" besteht ein Unterschied. Denn der Analytiker ist während der Anwendung des psychoanalytischen Verfahrens viel mehr persönlich gegenwärtig (als Übertragungs-Objekt und als Deuter), während in der Meditation die physische Person des Lehrers in den Hintergrund tritt. Hier findet die Übertragung sozusagen in den reinen virtuellen Raum hinein statt. Man hat dies immer schon generelle, wilde Übertragung oder Übertragung außerhalb der Analyse genannt.

Verwendet man also in der Meditation Formulierungen, die sich am Rande der Sprachlichkeit bewegen und wissenschaftlich genau dem psychoanalytischen (besser noch: dem psychoanalytisch - linguistischen) Konzept entsprechen (also die bereits erwähnten FORMEL-WORTE), kann man auch diesen noch restlichen Unterschied zwischen Psychoanalyse und meditativen Methoden vernachlässigen und überwinden. Denn letztlich besteht die „Gegenwärtigkeit" des Meditations-Lehrers genau so wie die des Analytikers in erster Linie in der Struktur von etwas stark Symbolischem, Worthaften, Bedeutungsbezogenem (SPRICHT), das aber gleichzeitig einen klaren Aufbau hat (STRAHLT). Der Lehrer ist nicht die Figur, die nur fertiges Wissen im Kopf hat. Er ist also vielmehr das Objekt der Übertragung, d. h. unbewusste Bedeutungen werden vom Schüler, Patienten, auf ihn übertragen und können so von ihm zur Deutung gebracht oder gelenkt werden. „Objekt der Übertragung" und „Deutung" dieser Übertragung sind konzentriertestes Symbolisches, Signifikantes, Essenz des Worthaften, des SPRICHT, aber auch ein bisschen des Bildhaften, des STRAHLT schlechthin. Sie sind nicht einfach nur Gegebenheiten, Figuren, Formen, sondern sind mit Bedeutung aufgeladen, so wie etwa in der Antike das Delphische Orakel. Dort konnte man an eine Priesterin (Objekt der Übertragung) eine Frage stellen, die dann mit einem kryptischen Satz (Deutung) beantwortet wurde (meist nicht ausreichend und natürlich auch nicht wissenschaftlich). Und so ist es auch mit dem Lehrer in der Meditation: er gibt ein kryptisches Wort, gegen das man an-meditieren muss, um es aufzubrechen und mit eigenem Beitrag zu lösen. Den gleichen Vorgang nennt man in der Psychoanalyse das „Durcharbeiten", was natürlich modernen wissenschaftlichen Ansprüchen besser genügt (während das Orakel in Delphi und auch Meditationstechniken sowie religiöse Vorstellungen mythisch aufgebaut sind).

Die Verwendung dieses komplex Wort- und Bildhaften im STRAHLT / SPRICHT verbindet sich mit einer Formel-Formulierung wie dem R-a-d-i-c-i-t so sehr zu einer idealen Kompaktheit, Festigkeit, ja, fast müsste man sagen: es verknotet, verdichtet, verdeutlicht sich dazu. Deswegen habe ich es in Gegenüberstellung zum Übertragungs-Objekt und der Deutung in der klassischen Psychoanalyse ein „Übersetzungs-Objekt" genannt. Es nimmt nicht nur Bedeutung an, Deutung, die Sinn vermitteln kann, sondern übersetzt auch gerade den spiegelnden, bildhaften Teil ins Worthafte und sein objekthafter Teil selbst ist bildhaft (dies zeige ich nachher noch in einer kreisbezogenen Schreibweise des FORMEL-WORTES, denn dieses ist ja ein stilisiertes, abstrahiertes „Übergangs-Objekt", das man eher ein „Übersetzungs-Objekt" heißen müsste).[14] Wenn die soeben erwähnte Vorübung etwas Wesentliches vom STRAHLT vermittelt hat, dann ist es nicht nur so etwas wie ein Entspannungsgefühl, sondern auch eine Art von Topologie,[15] also eine mathematisch elementare, direkt erfahrbare Struktur, die diesem „Übersetzungs-Objekts" mit zugrundeliegt. Auch das früheste Tasten und auch alle anderen frühesten Wahrnehmungen werden nach der gleichen Art, nämlich rein strukturell, „topologisch"im Psychischen organisiert, gespeichert oder verarbeitet.

Man kann dies z. B. ganz gut durch das sogenannte „Blindsehen" (Neglect-Syndrom) verstehen. Personen, deren Sehrinde im Gehirn zerstört ist, können trotzdem mit dem Rest des Gehirns noch „sehen", obwohl das Bild auf der Netzhaut und im Gehirn nicht mehr verarbeitet werden kann. Sie „sehen" rein „topologisch" oder besser: sie „sehen" mit dem, was im Gehirn den Dingen außen irgendwie identisch ist, sie „spiegeln" einfach neurologisch, virtuell. Es findet ein STRAHLT statt, aus dem diese Patienten Informationen der Umgebung entnehmen. Für die Analytische Psychokatharsis genügt es, dass es einfach bei diesem STRAHLT bleibt und nichts sonst „visualisiert" oder „gesehen" werden muss (im Gegensatz zu rein mythisch-mystischen Methoden der Meditation, wo oft von „Licht"- und ähnlichen Visionen geredet wird). Es, das Freudsche ES, das ES STRAHLT hat Objektcharakter und kann im Zusammenhang mit dem ES SPRICHT und dem FORMEL-WORT klare Bedeutung annehmen, also „Übersetzungs-Objekt" sein.

Schema

Abb. 2 Schema der Psychoanalyse, der Meditation und der daraus entwickelten Aspekte des STRAHLT und SPRICHT als umfassendere Begriffe für die Analytische Psychokatharsis. Psychoanalyse und Meditation werden in der Analytischen Psychokatharsis durch die drei in der Mitte stehenden Begriffe, „Objekte", Formel-Formulierungen ersetzt.

Auch der andere Teil des „Übergangs-Objekts", das Worthafte, der Sprechtrieb, Entäußerungstrieb, SPRICHTist somit etwas anders zu verstehen, als nur ein Trieb, ein Drang zu Sprechen. Es ist vielmehr um eine allgemeine Strebung zur symbolischen Äußerung, Entäußerung gemeint, ein ES (etwas Objektartiges), das SPRICHT. Einen derartigen Trieb, eine derartige Strebung, sich sprachlich zu entäußern, gibt es beim Tier nicht (auch für die Wahrnehmung, für das STRAHLT gilt dies, es besteht eine ganz andere Art der Visibilität beim Menschen als es die Wahrnehmung beim Tier ist). Das SPRICHT verdichtet, ja, vollendet aber die Deutung. Es gibt der bedeutenden Erscheinung des STRAHLT - vor allem im Zusammenhang mit den FORMEL-WORTEN - im „Übersetzungs-Objekt" eine wirklich klare Deutung und Lösung, die ich schon mit den „wie von weit her formulierten Gedanken" oder „Spruch" angedeutet habe und letztlich ein KENN- oder PASSWORTnenne. Nochmals ein kleines Schema, das wieder diese grundlegende Struktur darstellt (Abb. 2).

Jede menschliche Tätigkeit ist irgendwie auch symbolische Äußerung, Verlautung eines komplexeren Zusammenhangs. Nicht umsonst sprechen wir vom Beruf als von etwas, in dem das Wort Ruf, Berufung steckt. Diese Strebung, eine irgendwie nach grammatischen Zeichen geordnete Artikulation zu tun, nenne ich also analog zum STRAHLT auch ein SPRICHT. Genau so finden wir es nämlich auch in der Meditation wieder, wenn etwa Formelworte (Mantren, suggestive Formeln, Gebete, Koans) innerlich, gedanklich, wiederholt vorgesagt werden sollen (diese sind allerdings nicht wissenschaftlich begründet). Dieses SPRICHT, also der zweite Grundtrieb, das zweite Grundprinzip, bildet zusammen mit dem ersten das menschliche Unbewusste (das sowohl Bild- und Worthafte), sowie es auch die Basis jeder Meditation ist. Übt man damit, dann kann man dieses Unbewusste öffnen eben im Sinne eines „Übergangs-Objekts".


Weitere Ausführungen und erneut ein praktischer Versuch

Wir sind also der Kombination von Psychoanalyse und Meditation und den angekündigten FORMEL-WORTEN schon näher gekommen. Das STRAHLT / SPRICHT stehen sich als Grundstrebungen unserer selbst trennend / verbindend gegenüber, egal, ob wir Psychoanalyse üben oder Meditation. Denn wenn ich nun das Wesen des FORMEL-WORTES erklären werde, wird klar sein, dass es sich bei dem neuen Verfahren lediglich um eine Psychoanalyse „andersherum"[16]handelt und ebenso um eine neue, wissenschaftlich begründete Form der Meditation, die im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, das Denken nicht völlig ausschaltet, sondern ein „konjekturales Denken" ist, ein Denken in - sehr präzisen - Vermutungen. Ich will damit klarmachen, dass es sich bei der Analytischen Psychokatharsis nicht um irgendwelche halbwissenschaftlichen Psychotherapien oder um Meditationsmethoden handelt.

Die FORMEL-WORTE entsprechen exakt dem Unbewussten, von dem Lacan sagt, dass es „strukturiert ist wie eine Sprache, wie die Sprache des Anderen". Das Unbewusste ist letztlich durch diese Kombinatorik von STRAHLT/ SPRICHT, „topologisch", ja, man könnte fast sagen hieroglyphisch (so wie Bild-Wort-Zeichen)[17] verfasst. Wir wissen dies insbesondere von den Bild-Wort-Zeichen des Traums, den ja Freud als die via regia zum Unbewussten bezeichnet hat. Aber auch bei einfachen Versprechern kann man dies beobachten. So erzählte einmal Heinrich Heine die Geschichte eines Mannes, der mit seiner Bekanntschaft des reichen Baron Rothschilds prahlen wollte. Er wollte sagen, dass er mit ihm wie „familiär" verbunden sei, sagte aber: „ich bin mit ihm so „famillionär". Die Wahrheit, dass es doch die Millionen sind, die ihn faszinierten, rutschte ihm so aus dem Unbewussten heraus. Und genau so wie im „famillionär" eine Mehrfachbedeutung steckt, nämlich die des Familiären und der Millionen (und somit die Unverblümtheit einer Habgier), so auch in den FORMEL-WORTEN, die aus drei oder mehr bildhaften Bedeutungen (Vorstellungen) bestehen. Sie werde jetzt aber umgekehrt wie der Versprecher im obigen Beispiel benutzt, nämlich konstruktiv. Indem das FORMEL-WORT nur eine Formulierung bildet, obwohl eine Mehrfachheit an Bedeutungen in dieser Formulierung, in diesem Wort-Zug des FORMEL-WORTES steckt, weckt es das Unbewusste. Das heißt, dieser eine Wort-Zug hat mehrere Schnittstellen, und liest oder spricht man ihn von jeweils einer anderen Schnittstelle aus, kommt immer eine andere Vorstellung heraus, genau so also, wie in dem oben genannten Beispiel: man kann familiär, Millionär oder eben „famillionär" heraushören.

fa mil i är

mil l i on är

fa mil l i on är

Abb.3 Die Vielschichtigkeit dreier Bedeutungen entsprechend ihrer klang-bildlichen Struktur unter einander geschrieben.

In dieser Mehrfachheit von Bildern und Worten funktioniert also das Unbewusste. Es ist nichts anderes als eine Kombination des Bild- und Worthaften in eben dieser Form von Schnittstellen, wie wir sie auch aus der modernen Computertechnik kennen. Dort ermöglicht eine Schnittstelle den Austausch zwischen zwei oder mehr Systemen. Übt man durch gedankliches Wiederholen ein derartiges - jetzt jedoch wie gesagt ein konstruktiv, wissenschaftlich aufgebautes - FORMEL-WORT, so greift dieses nun genau in die bereits vorhandenen Schnittstellen des ja genauso verfassten Unbewussten (Bild / Wort, STRAHLT/ SPRICHT) ein, und kann dieses öffnen und modulieren.

Das Gleiche lässt sich auch durch ein reines Bild und seinem Titel darstellen, indem die Schnittstellen durch Linien ausgedrückt sind und so die Vielschichtigkeit des Unbewussten wie in der obigen Abbildung malerisch sichtbar gemacht ist. Hier ( in der Abb. 4) ist jetzt also einmal das rein meditativ Bildhafte dargestellt. Der Titel „Hund/Mensch" hilft weiter dazu, das Ganze auch wieder in Richtung des Worthaften zu schieben, auch wenn das Bildhafte im Vordergrund bleibt. Bild und Titel sind dann fast so etwas, was ich gerade vorhin ein „Übersetzungs-Objekt" nannte. Es ist ein bildhaftes Objekt, das durch seine „Strahlen-Linien" schon etwas Bedeutung annimmt und durch den worthaften „sprechenden" Titel dann endgültig Bedeutung, Deutung wird, die im Sinne einer Punkt zu Punkt, Phonem zu Phonem Übersetzung sehr konkret werden kann.[18]

Übergangs-Objekt

Abb. 4 In diesem Bild von T. Heydecker findet sich durch Schatten- und Formkombination das Thema „Hund" variiert. Ja, eine eigenartige Ästhetik entfaltet sich in diesem Linien- und Farbenspiel, das sogar eine Andeutung an die sich aufrichtende Gestalt des Menschen beinhaltet. Genau so muss man sich das frühe, eben noch mehr bild- als worthafte Unbewusste vorstellen. Es zeigt einem direkt die Fragwürdigkeit normaler, alltäglicher Sinneswahrnehmung und dass der Mensch daraus ein Bild von sich selber machen muss. Dieser Vorgang der Menschwerdung kann auch in sehr bildhaften Gedanken vor sich gehen, und eben dies nenne ich das „Übergangs-Objekt". In diesem Bild kommt natürlich der worthafte Anteil etwas zu kurz. Erst der Titel „Hund / Mensch" vollendet das Ganze in Richtung auf einen Schluss dieses Denkens.

Ein derartiges FORMEL-WORT, das nunmehr bild- und worthafte Elemente rein stilisiert, formal vereint (wenn auch hier anders als in der gerade gezeigten Abbildung wiederum die bildhaften etwas zu kurz kommen und die worthaften etwas mehr dominieren) und das aus der lateinischen Sprache stammt, die sich dafür besonders eignet, lautet - in Erweiterung des schon vorgestellten „Radicit" - beispielsweise:

RAD - IOD - ICO

Der bildhafte Charakter dieser Formulierung ist zwar wie gesagt nicht sehr ausgeprägt, kommt aber noch besser in der weiter unten gezeigten Kreisschreibung heraus. Immerhin sind die Buchstaben, die Silben in dieser etwas stilisierten Schreibweise ja durchaus etwas Bildhaftes und dass auch klare Worte darin stecken, wird der Lateinkenner sofort bemerken. Um aber jetzt nicht wiederum in der Theorie zu weit zu gehen, werde ich den worthaften Aspekt dieser lateinischen Formulierung und deren wissenschaftlich präzisen Hintergrund gleich anschließend ausführlich erklären. Vorerst also jetzt wieder die erste (von insgesamt zwei) aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen geformte praktische Übung, um auch sofort mit einer weiteren praktischen Erfahrung zu beginnen.

Es ist ja auch die Praxis, die im Vordergrund stehen soll, wenn es um die Behandlung seelischer Störungen geht, die sich auch körperlich ausdrücken. Eben gerade die Tatsache, dass sie sich auch körperlich ausdrücken können, heißt ja, dass theoretische Überlegungen und auch die meisten Therapien der Seele nicht ausreichend geholfen haben. Die praktische, körperlich fast spürbare Seite muss mehr betont werden. Bei der ersten Übung nun wird - wie etwa beim autogenen Training und wie bereits in der Vorübung ausprobiert - in einer bequemen Sitzhaltung (und anfangs vielleicht besser bei geschlossenen Augen) darauf geachtet, ob man so etwas wie ein ES STRAHLT wahrnehmen kann. Die Formulierung, man solle ein „Licht" wahrnehmen, wie es bei vielen Meditationsverfahren empfohlen wird, ist wie schon erwähnt etwas unglücklich und widersprüchlich. Schließlich handelt es sich ja nicht wirklich um Licht. Der Begriff des STRAHLT, einer Form des unbewussten SCHAUENS, SCHEINENS ist hier tatsächlich besser, und wird von den meisten Menschen schnell realisiert.


Die französische Psychoanalytikerin E. Dolto sprach in diesem Zusammenhang auch vom „Körperbild", also von etwas, das sich vom Körper wie dessen eigenes Bild, wie dessen eigenes STRAHLEN abheben würde, man kann dies manchmal auch mehr empfinden, fühlend erfassen, als „sehen". Es geht um das Bild, das man ständig vom eigenen Körper hat eben auf Grund all der Wahrnehmungen, die wie verknotet (topologisch) in uns organisiert sind. Die Abb. 5 zeigt sehr vereinfacht das Schema des „Körperbildes" (STRAHLT).

Körperbild

 

Abb. 5 Körperbild nach Dolto

 

Das Körperbild stellt ein meist sehr vereinfachtes, meist auf geometrische oder topologische Figuren reduziertes Abbild des eigenen Körpers dar (schraffierte Figur). Von gewissen psycho-physischen Mittelpunkten aus gibt es sehr genaue Entsprechungslinien vom Körper zu seinem Bild. F. Dolto sprach vom basalen, dynamischen und erotischen Körperbild. Hier ist nur ein übergreifendes Schema dargestellt, das sich nur auf das STRAHLT des Körperbildes bezieht, und das also mehr wie eine Rundstruktur (basal), ein bewegendes Gebilde (dynamisch) oder phallische Figur aussehen kann. Als Basal-Dynamisches kann es auch mehr wie das bereits erwähnte „Durchrieseln" erfahren als „gesehen" werden.

Egal, auf jeden Fall werden, während man auf dieses irgendwie geartete STRAHLT achtet, gleichzeitig langsam das oder die sogenannten FORMEL-WORTE gedanklich wiederholt. Es genügt, dass diesem STRAHLT irgendwie dieser Charakter des Bildhaften zukommt, auch wenn es schwarz hinter den geschlossenen Augen bleibt; es geht nicht darum, sich die Worte ES STRAHLT vorzusagen, und es hat auch nichts mit den Augen zu tun. Es geht nur um ein passives darauf Achten, ob irgend etwas, das diesem Charakter eines STRAHLT zukommt, wahrnehmbar ist, während man also nunmehr das oder die FORMEL-WORTE in Gedanken wiederholt, die den Charakter dieses idealen Meditations-Objektes (des „Übersetzungs-Objektes" sozusagen in einer ganz formalen, stilisierten und abstrahierten Form) besitzen.[19] In dieser Übungsphase geht es nur darum, etwas vom Charakter des STRAHLT wahrzunehmen und dabei die FORMEL-WORTE mental zu wiederholen.[20]


Nochmals: nach einiger Zeit des Sitzens und entspannten Achtens stellt sich bei jedem Menschen das Phänomen von etwas her, das man das STRAHLT einer zunehmenden Entspannung nennen kann und das nunmehr noch weiter vertieft wird, wenn man gleichzeitig das FORMEL-WORT gedanklich (langsam und monoton) übt. Das STRAHLT oder SCHEINT, dieses „glimmerige" Etwas, ist - wie mehrfach betont - eine Art von primärster Wahrnehmung und immer bei jedem Menschen bereits unbewusst vorhanden. Um der praktischen Erfahrung wegen und um nicht anfänglich schon in lauter Theorie stecken zu bleiben, empfehle ich jetzt diese erste Übung einmal durchzuführen. Sie besteht also darin, etwas, das dem Charakter eines STRAHLT zukommt (ohne den Einsatz der Augen, ohne aktives Imaginieren) zu erfahren und gleichzeitig diese Formulierung des R.A.D.I.O.D.I.C.O langsam monoton gedanklich und stets erneut (später verschiedene FORMEL-WORTE hintereinander) zu wiederholen.

Dieses STRAHLT ist also die Erfassung eines prinzipiellen Triebes, einer Art von Primärwahrnehmung, und es muss dazu nichts anderes geschehen als nähme man etwas vom eigenen Körperbild wahr, den Schimmer eines beginnenden Traums - egal: eine derartige Erfahrung wird sich immer nach einiger Zeit einstellen, denn es handelt sich ja um das, was die Psychoanalytiker eben den Primärvorgang des Schautriebs nennen. Sitzt man aber entspannt da, wird man es irgendwie bemerken. Die Mystiker sprachen auch vom „schwarzen Licht", weil sich selbst bei geschlossenen Augen etwas vom Dunkel hinter den Augen als schwarze „Farbe" abhebt, von diesem STRAHLT erfassen lässt. Wie schon betont, kann das STRAHLT aber auch in Form des „rieselnden" Körperbildes mehr als ein Spüren wahrgenommen werden. Und dies alles geschieht umso leichter und umso mehr, wenn man dabei langsam monoton RAD - IOD - ICO gedanklich wiederholt, weil nunmehr beide Vorgänge sich gegenseitig aufschaukeln.

Bevor ich jetzt die zweite Übung erkläre, doch wieder kurz zurück zur Theorie und endlich zu einer genauen Erklärung über das Wesen des FORMEL-WORTES. Denn ohne dass der gesamte Vorgang auch klar verstanden worden ist, hat alles keinen Zweck. Der Intellekt soll das Verfahren genau so erfasst haben wie der praktische Moment erfahren werden muss. Denn nur dann kann der Intellekt während des Übens ruhig sein und muss sich nicht ängstlich nach den tatsächlichen Hintergründen fragen. Trotzdem - soviel nochmals vorweg - mit Mystik hat dies nichts zu tun, eben weil der Intellekt immer wieder eingeschaltet werden kann, wenn wirklich Fragen auftauchen. Wie die Praxis immer wieder geübt werden kann, so kann die Theorie immer wieder bedacht und hinterfragt werden. Ein derartiges Vorgehen verzögert nur scheinbar den Ablauf der Übungen. Das Denken soll ja mitwachsen und sich vertiefen.

FormelwortWas hat es nun mit dem FORMEL - WORT RAD- IOD- ICO auf sich? Die nebenstehende Abbildung zeigt es. Man weiß nicht, von welchem Buchstaben an man zu lesen beginnen soll, denn es kommt jedes Mal eine Bedeutung heraus, und zwar jedes Mal eine andere. Ich hätte also so das FORMEL - WORT auch ORA - DIO - DIC schreiben können oder DIC - ORA - DIO. Es ist egal, wo man (im Uhrzeigersinn) zu lesen anfängt, denn beim stetigen gedanklichen Wiederholen kommt man sowieso zu einer Formulierung, wo sich das Wesen des FORMEL-WORTES am besten durch die Kreisschreibung zeigt. Man muss ja am Ende wieder von vorne anfangen. Auch wenn es zum Teil unsinnige Bedeutungen sind, die sich darin enthalten finden, sind es doch echte Bedeutungen.

So steckt in der lateinischen Formulierung RAD - IOD - ICO z. B.: ora dio dic, Bete, vermittels des Himmels, sprich, aber auch: cor adi odi, Herz geh, ich hasste, weiter: radio dico, Durch den Strahl spreche ich und natürlich ein linguistisch besseres radicit, nämlich dico radio, Ich spreche, ich strahle. Noch zahlreiche weitere Bedeutungen stecken darin (z. B. heißt ora auch die Münder, Gesichter, dio auch durch Göttliches), Bedeutungen also, die alle letztlich unwichtig und auch oft etwas unsinnig sind, wenn man nunmehr die Formulierung stets nur von einer anderen Stelle aus liest. Doch es ist wie mit dem Versprecher oder dem Traum, der ja auch unsinnig ist und aus dem man in der Psychoanalyse dennoch einen wichtigen versteckten Sinn herausziehen kann. Wir üben ja nicht die einzelnen Vorstellungen, sondern nur die geschlossene, einheitliche Formulierung. Die Zerlegung an den Schnittstellen dient lediglich der wissenschaftlichen Begründung und dem intellektuellen Verständnis des Aufbaus der FORMEL-WORTE: dass sie nämlich genauso strukturiert sind wie das Unbewusste, dass alle Vorstellungen zusammen keinen durch irgendeine bewusste Konstruktion herzustellenden Sinn ergeben, sondern nur so wie der Unsinn im Traum - (oder im Beispiel das „famillionär") aus verschiedenen unbewussten Vorstellungen zusammengesetzt ist, aber dennoch eine wichtige versteckte Botschaft hat. Denn - wie gesagt - der Analytiker zieht gerade aus dem Unsinn den (darin versteckten) eigentlichen Sinn heraus. Wenn wir uns auf das intellektuelle Verständnis dieser FORMEL-WORTE, die am Rande der Sprachlichkeit stehen, stützen, so deswegen, weil wir heute in einer Zeit leben, wo wir mehr mit Intellekt und Wissenschaft vertraut sind, als mit dem Ur-Glauben früherer Zeiten. Damals gehorchten wir einem heute meist nicht mehr passenden z. B. von einem als Gott bezeichneten Wesen gegebenen Sinn. Ich habe in einer umfangreichen Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Religionsstifter sich wahrscheinlich sogar ähnlicher Meditationen wie der hier mittels der FORMEL-WORTE dargestellten bedient haben, sie haben sie nur nicht wissenschaftlich erklärt und verwendet und konnten sie daher nicht so ausdrücken.Aber auch die Psychoanalytiker haben die Struktur des Unbewussten noch nicht exakt so gesehen.[21]

Nochmals also: beim FORMEL-WORT ist die bildhafte Struktur der Buchstabenreihe genau so wichtig, wie die worthafte Struktur, die durch die darin enthaltenen Bedeutungen gegeben ist. Wenn auch für das Unbewusste die bildhafte etwas zu kurz kommt - sie ist in dem oben gezeigten Bild-Beispiel „Hund / Mensch" natürlich viel besser (bildhaft anschaulicher) zu sehen - so ist sie doch ausreichend. Denn das Bild allein ist wiederum in erheblichem Maße zu vieldeutig, es könnte lediglich durch einen treffenden Titel ergänzt werden. Aber ein Bild mit Titel könnten wir wiederum nicht in einem Übungsverfahren verwenden und deshalb ist das FORMEL-WORT in Kreisschreibung vielleicht die beste bild-worthafte Kombination, die je für eine wissenschaftlich orientierte Meditation möglich ist.

Knoten-Topologie

Abb. 6 In dieser Abbildung ist ein (anderes) FORMEL-WORT auf ein Möbiusband geschrieben. Dieses Band stellt die Knoten-Topologie des Unbewussten ideal dar, indem es nur eine Fläche und nur einen Rand hat. Zudem ist auch noch gezeigt, wie entsprechend verschiedenen Schnittstellen (bei denen die Buchstaben auf die andere Seite zu wechseln scheinen, obwohl es nur eine Seite gibt) die Bedeutungen variieren können.

Wir sitzen also in bequemer Haltung und wiederholen in Gedanken langsam dieses oder mehrere (von mir auch an anderer Stelle veröffentlicht) so geartete FORMEL-WORTE, während gleichzeitig darauf geachtet wird, ob man irgendetwas bemerken kann, ein Körperbild oder -gefühl, etwas Visibles, kurz: etwas, das einem STRAHLT zukommt. Evtl. muss man einige Zeit ohne Anspannung darauf warten, bis sich dieser „2. Blick", der nichts mit den Augen zu tun hat, einstellt, und der immer vorhanden ist. Viele Menschen kennen diese Computerbilder, die man mit einem ähnlichen „2. Blick", nämlich einem etwas wie in die Ferne gehenden „leeren" Blick anstarren muss, und die uns enthüllen, dass wir tatsächlich noch einen unbewussten „Blick" haben. Wie gesagt ist es eigentlich kein Blick, sondern ein „Raum-im-Raum-Gefühl", ein SCHAUEN, ein STRAHLT oder das „Rieseln" des Körperbildes. Diese erste Übung behalten wir etwa 10 min bei.


Jetzt also die zweite Übung: bei dieser zweiten Übung, wird einfach auf das ES SPRICHT konzentriert, also nicht auf eine Stimme, was unsinnig wäre, sondern auf den Appell, Anruf, „Laut", „Ton", der sich unbewusst, primär in uns artikuliert und entäußert werden kann. Denn selbst der Appel, Schrei eines Kindes ist nicht einfach nur etwas Expressives, sondern an einen Anderen Gerichtetes. Will man aus Anschaulichkeitsgründen bei dem Begriff „Stimme" bleiben, könnte man auch sagen, dieses SPRICHT besteht - ähnlich dem FORMEL-WORT - aus drei oder mehr sich verknotenden „Stimmen". Schon Sokrates stützte sich - wie Lacan treffend bemerkt - in seinem therapeutischen Verfahren, seinen Gesprächen, erstens auf die Stimme des Sklaven (im Menon zieht Sokrates aus dem Sprechen eines Sklaven das Wissen über die Quadratwurzel). Aber dann stützte sich Sokrates auch noch auf die Stimme seines „daimonions", seine „innere" Stimme und schließlich ja noch auf seine eigene, seine sich äußernde Philosophen-Stimme. Ebenso stützte sich Freud auf „die Stimme der Wissenschaft", zweitens auf die seiner Patienten und drittens ebenfalls seine eigene vortragende und deutende Stimme. In dem von mir inaugurierten Verfahren stütze ich mich auf die Stimme der Topologie (auf die „Stimme des Objekts", wie es Lacan vom psychischen Objekt sagt. An anderer Stelle sagt er auch, dass sich das Subjekt im „Gebot der Stimme" vollendet, im Sprechtrieb. Ich benutze hier den Begriff des „Übersetzungs-Objekts"). Sodann stütze ich mich auf die Stimme der verschiedenen Bedeutungen im FORMEL-WORT und schließlich ebenfalls auf die, mit der ich mich hier in einer bisher noch nicht veröffentlichten Form äußere (dies war jetzt nur eine kurze theoretische Einlassung am Beispiel der „Stimme", besser ist es, wenn wir die Theorie anhand von psychischen „Objekten" entwickeln).

Der Philosoph Heidegger sprach hier vom „Geläut der Stille", was vielleicht noch besser ausdrückt, was mit dem SPRICHT gemeint ist, wenn es auch etwas vordergründig religiös klingt. In vielen Meditationen wird vom „Laut" gesprochen, aber diese Begriffe sind leicht missverständlich, weil diese Übung nichts mit einem physischen Laut zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um etwas, das Lacan auch das „universale Gemurmel" in unserem Unbewussten nennt. Dieses besteht eben aus den Resten des Gehört- und Gesprochenen und den nicht zu Ende gebrachten Gedanken im Unbewussten. Wir jedoch konzentrieren uns nur auf den Appell dieses „Gemurmels", auf diese linguistische, fast musikalische Resonanz unserer unbewussten Gedanken und erhalten so eine Konzentration auf das SPRICHT (das Verlautet) als solches. Dieses SPRICHT scheint von oben und rechts im Kopfzentrum zu kommen, denn es hat etwas mit unserem Sprachzentrum im linken Gehirn zu tun (deswegen erklingt es auch als Resonanz im rechten Teil. Es hat aber auch etwas mit einer topologischen Orientierung zu tun, die sich im Sprachgebrauch durch die Verwandtschaft von „recht", „rechts", „richtig" ausdrückt).

Kurz noch einmal: wir konzentrieren uns in dieser zweiten Übung auf etwas in uns, das einem SPRICHT gleichkommt, das kein geheimnisvolles Raunen ist, sondern etwas, das uns kon-zentriert, d.h. zusammenzieht auf etwas Ureigenstes von uns selbst, das „Echo des Diskurses" in uns selbst. Vielleicht sollte ich es am treffendsten ein ES VERLAUTET nennen, weil es so für die meisten Menschen am einfachsten zu verstehen und zu realisieren ist. In der Informatik spricht man hier vom „weißen Rauschen", das aber - insofern es sich um den unbewussten Hintergrund handelt - für uns wichtiger ist als das bewusste Rauschen der Information! Es soll ja das Unbewusste klar werden und nicht das Gewusste. Man muss dabei nicht auf etwas achten, das von irgendwoher zu hören wäre, sondern dieses SPRICHT, VERLAUTET, der „Ton" (nach Freud könnten wir auch sagen: der Primärvorgang des Sprechtriebes) ist immer durch eine Sammlung in Ruhe als solches wahrzunehmen und vermittelt sofort das Gefühl eines inneren Haltes, einer Orientierung, Lotung, vermittels der Resonanz des eigenen Sprech- und Hörsystems. Es ist, als könne man wie von der Ferne her etwas vernehmen, als käme das Echo der eigenen Gedanken in Form eines gebündelten Klang-Stroms zu einem zurück. Nochmals: Es geht nicht um ein „Stimmenhören", sondern im Gegenteil um eine Konzentration, als könnte man gerade das sich hinter der extremen Ruhe, das sich von der absoluten Stille Abhebende vernehmen und zwar wiederum als den Sinn eines „Übersetzungs-Objektes", diesmal eben mehr von der SPRICHT - Seite her. Und mit dieser erst werden die KENN- oder PASSWORTE wirklich klar. Auch diese Übung dauert etwa 10 min. Für beide Übungen zusammen genügen also etwa zwanzig Minuten, und ihr Ziel ist, dass sie sich kombinieren in einer eigenen Erfahrung des Unbewussten, die ich also letztlich KENN- PASSWORTE nenne.

Denn nach einiger Zeit des Übens stellt sich tatsächlich etwas Derartiges ein, das ich über das „Übersetzungs-Objekt" hinausgehend die KENN - oder PASSWORTE nenne. Ich werde gleich konkrete Beispiele geben. Die Durchschlingung von STRAHLT und SPRICHT wird mittels der FORMEL-WORTE so verdichtet, so symbolisch durch ihren worthaften, analytischen und den kathartischen Anteil „übersetzt", dass eine immer mehr einheitliche Erfahrung und Aussage vermittelt wird. Das Erlebnis der Psychokatharsis (der Erhebung, des Rieselns, oder auch einer Art Freude, Erleichterung, Entspannung) zeigt meist einen Kulminationspunkt an, an dem auch die KENN- bzw. PASSWORTEzu Tage treten und Analytisch verarbeitet werden können. Mehr als eine halbe Stunde am Tag sollte nicht nötig sein, um dieses Ergebnis zu haben.


Zusammenfassung und Beispiele der KENN- und PASSWORTE

Ich fasse nochmals zusammen. Wir sind ausgegangen von dem von Freud so benannten Schautrieb (Wahrnehmungstrieb), den ich in seiner konkretesten, unmittelbarsten Repräsentanz ein STRAHLT nenne, weil dieses direkt so erfahren werden kann. Setzt man sich eine Zeit lang ruhig hin, kann man stets (anfänglich am besten mit geschlossenen Augen) ein entspanntes „Schillern" des eigenen Köpergefühls, Körperbildes wahrnehmen, etwas, das eben den Charakter eines STRAHLT hat. Es hat nichts mit dem alltäglichen Sehen durch die Augen zu tun, und man kann es natürlich am besten dann wahrnehmen, wenn man gleichzeitig ein oder mehrere FORMEL-WORTE übt, weil dies die Entspannung noch mehr verstärkt, beides sich also aufschaukelt. Hat man dies zehn Minuten versucht, wechselt man zur zweiten Übung.

Diese beruht auf dem bei Lacan herausgearbeiteten Sprechtrieb (Invokationstrieb). Bei dieser Übung achtet man auf das SPRICHT, einen „Klangstrom", Lacans „universales Gemurmel" rechts oder in der Mitte des Kopfes. Es zieht einen förmlich nach innen und oben und konzentriert den Übenden wie ein Lot in sich selbst. Nach zehn Minuten dieser Übung kann man feststellen, dass alle Aspekte des Verfahrens zusammengehören. Während man die FORMEL-WORTE gedanklich wiederholt, kann man zwischen dem STRAHLT (SCHEINT) und SPRICHT (VERLAUTET) hin- und herschwenken, um sie mehr und mehr in eine feste Kombinatorik zu bringen. Während manchmal Bilder oder eine bestimmte Thematik als „Übergangs-Objekt" auftreten, fangen die Übungen mehr und mehr an, ihr Ziel in Form der angekündigten KENN bzw. PASSWORTE preiszugeben.

Ich kann diese abschließende Erfahrung durch ein ganz humorvolles Beispiel erläutern: jemand, der diesem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis sehr kritisch gegenüberstand, es aber dennoch schon einige Zeit übte, hatte plötzlich den wie von ferne her kommenden Gedanken oder die Eingebung oder vermeinte gar es fast gehört zu haben: „Nichts gesagt!" Doch im selben Moment realisierte er natürlich, dass gerade sehr wohl etwas gesagt wurde, nämlich die zwei Worte „Nichts gesagt!" Aber nicht nur dies überzeugte ihn, dass die Analytisch Psychokathartische Methode doch funktioniert, er verstand jetzt auch wie das Unbewusste konstruiert ist: nämlich oft durch Gegenbesetzungen, durch ein „Andersherum" zum Bewussten. Denn bewusst war er ja der Meinung gewesen, dass dieses psychotherapeutische Verfahren eigentlich „nichts sagt", es ist Humbug, Nonsens. Das Unbewusste aber schob ihm im selben Moment eine kleine Offenbarung, eine echte Deutung zu: nämlich dass er einen Widerstand hatte, dass das Unbewusste tatsächlich etwas „Wahres" sagt, weil es wie ein Wort des Anderen ist, des Anderen in und außerhalb von uns selbst (denn obwohl ihm schon klar war, dass es etwas von ihm, in seinem Inneren war, hatte er doch auch das Gefühl, als habe es ihm ein Lehrer, ein Deuter eingegeben).

So erfahren (gehört) ist es nämlich bereits über das „Übergangs-Objekt" hinausgerückt. Es ist etwas ganz anderes, als wenn der Übende bei sich selbst nach einiger Zeit kritischen Zweifelns den bewussten Gedanken gehabt hätte: ach, vielleicht ist doch etwas an diesem Verfahren dran. Er wäre durch diese äußere Logik nur sehr schwach überzeugt gewesen. Aber als dies wie von tief heraus, wie fremd aus dem eigenen Inneren, ja genau wie die „Stimme des Objekts" um das es hier geht, ihm zukommt, ist die Überzeugung eine andere. Plötzlich war aus dem „universalen Gemurmel" heraus (den Lauten, Klängen, Raunen, Bildern etc. des „Übergangs-Objekts") exakt jene Andersheit, wie hörbar herausgetreten. A selbst (innen und außen) hat gesprochen. Das erzeugt in erster Linie eine „schlüsselartige" Erkenntnis (Analytische) und auch noch etwas Psychokatharsis (Befreiung, Reinigung, ein „Durchrieseln"). Dabei hat diese Erfahrung des „Nichts gesagt" und der Erhellung der dahinter steckenden Bedeutung nichts mit Mystik zu tun. Es ist das Unbewusste, das SPRICHT (und auch in einem gewissen Maße STRAHLT, denn das „Nichts gesagt" ist eine so kurze, fast bildhafte Formel, ein Blitz, der eben auch ein kathartisches Gefühl erzeugt hat).

Ich denke, dass jetzt zur Genüge klar geworden ist, wie das Ganze funktioniert, dass es im Grunde genommen einfach ist und doch sehr wissenschaftlich präzisiert. Die Übungen beginnen also mit einem vorgegebenen simplen, aus Primärprozesshafte reduzierten STRAHLT und SPRICHT, wobei diese beiden elementaren Gegebenheiten durch den „linguistischen Kristall" der FORMEL-WORTE zusammengehalten und in ihrer Entwicklung werden. Im Endeffekt werden die Übungen jedoch ein reicheres, „höheres", komplexeres Ergebnis sowohl im kathartischen wie analytischen Bereich hervorbringen, also ein perfektes, ideales psychisches Objekt (das uns Vorgänge im Unbewussten perfekt übersetzt). Ein gewisses intellektuelles Nachfragen ist sicher lange Zeit oder auch immer wieder einmal notwendig, um die Methode nicht nur ganz verstanden zu haben, sondern auch durch die Praxis der Übungen und das Verstehen zusammen eine besondere Klarheit und Sicherheit zu erreichen. Dies ist eine Möglichkeit, auch theoretisch immer bewusster unsere Tendenzen, Verwicklungen und Intentionen klarer zu formulieren. Und die letzte Klarheit bedeutet nichts anderes als „Aufmerksamkeit und Aufruf des Anderen" in einheitlicher Form als KENN- bzw. PASSWORT.

Denn dass der obige Übende hier eine PASSE zu sich gefunden hat, ist sichtbar. Wie im Freudschen Versprecher oder im Traum ist ihm ein fast gegensinniger (unsinniger) Spruch zugekommen und gerade deswegen hat er besonderen Sinn. Was die Philosophen Jahrhunderte lang mit Thesis, Antithesis versucht haben, nämlich durch Denken und wieder Denken, durch Hin- und her Erwägen eine Synthesis zu finden, ist hier mit einem Schlag geschehen. Das Unbewusste sagt manchmal das Gegenteil zum Bewussten, aber das Gegenteil ist kein echter Widerspruch. In ihm erfüllt sich vielmehr der wahre Synthesis- Sinn. Gleichzeitig mit der meditativen kathartischen Erfahrung findet so auch ein Stück Psychoanalyse statt.

Dieses Vorgehen entspricht also exakt dem grundsätzlicher Meditation und der herkömmlichen Psychoanalyse. Wie der Psychoanalytiker so ist das FORMEL-WORT samt dem es einrahmenden STRAHLT / SPRICHT ein ideales Übertragungs-Objekt, das zuhört und nach einer ausreichend langen Zeit auch eine Bedeutung, eine Antwort heraus gibt („Übergangs-Objekt" bis hin zum „Übersetzungs-Objekt"), was schließlich zu einem Objekt der endgültigen Übersetzung zusammenwächst, als PASSE, PASSWORT. Dieses ist in der gleichen Weise aufgebaut wie die Deutung des Analytikers und die dadurch erfolgende Erkenntnis des Patienten, denn die Andersheit im Patienten, im Übenden selbst, antwortet nicht einfach auf seinen Anspruch, d. h. befriedigt ihn nicht in banaler Form, speist ihn nicht ab mit einem vordergründigen Trost. Es gibt hier keine direkte Antwort auf der Ebene des Bewussten oder besser: Gewussten oder vordergründiger Ansprüche, sondern vielmehr wirkt bei diesem Verfahren wie in der Psychoanalyse eine Entsprechung auf der Ebene der Kombination der Triebe, der elementaren Gegebenheiten (STRAHLT / SPRICHT) im Zusammenhang mit dem „linguistischen Kristall" der FORMEL-WORTE. Und das heißt: jetzt nicht mehr nur eine formale Entsprechung, sondern eine wirkliche Antwort aus dem Unbewussten. Das ständige Wiederholen der formelhaften Formulierung führt den Anspruch auf den Trieb zurück, und genau dies bewirkt auch die Deutung des Psychoanalytikers. Bei der mentalen Wiederholung der FORMEL-WORTE wird die Bewegung des STRAHLT mit dem Murmeln des SPRICHT so umeinander gewunden, bis eine Antwort gefunden ist und ein richtiges Identitätswort, KENN-, PASSWORT gefunden ist.[22] Natürlich können auch mehrere PASSWORTE gefunden werden, bis das Ziel voll erreicht ist.

Es ist dies alles auch der Grund, warum man in der Psychoanalyse hier vom „Wiederholungszwang" (besser: Wiederholungsgeschehen) gesprochen hat. Eben in diesen Wiederholungsvorgang wird direkt eingegriffen, indem man ihm selbst in Form wiederholter Übungen gegenüber tritt. Ja, Üben, Lernen, wiederholtes Durcharbeiten, war immer schon ein Gegen-Prinzip zu diesem unbewussten Repetitionsgeschehen. Indem ich in meinen Gedanken das FORMEL-WORT reverberiere, werden die Bewegungen des STRAHLT und das Gemurmel des SPRICHT es umwickeln, umkreisen, durchschlingen, bis eine Antwort gefunden ist. Bis eine neue Struktur, neue Inhalte des Denkens, ja, im extremen Fall über die PASS-WORTE z. B. etwas von der Art einer wissenschaftlichen Weiterentwicklung der FORMEL-WORTE sich gebildet haben wird oder das Verfahren sonst weiter ausgearbeitet werden kann. Denn es geht hier um Wissenschaft, an der jeder teilnehmen kann.

Es war Freuds Vision gewesen, eine Wissenschaft für jedermann aufzubauen. Dies drückt er vor allem in seinem Artikel über die „Laienanalyse" aus. Man könnte z. B. bessere FORMEL-WORTE finden oder überhaupt etwas anderes an ihre Stelle setzen, das eben noch besser die Kombinatorik des STRAHLT / SPRICHT klärt und festigt. Man könnte andere Faktoren herausarbeiten, die die Erfahrung des STRAHLT erleichtern, denn natürlich gelingt dies nicht immer so leicht, wenn man es - wie ich hier vorschlage - einfach aus dieser Broschüre heraus versuchen soll. Das gleiche gilt für das SPRICHT. Manche Personen verstehen auf Anhieb einen Satz, den sie „hören" oder besser, wie direkt erfahren, während andere dessen Bedeutung nicht so ganz verstehen, obwohl sie spüren, dass er ihnen etwas sagt und wichtig ist. Hier könnte man psychoanalytische Ansätze heranziehen wie sie reichlich insbesondere bei Lacan zu finden sind und sie für sich selbst und andere zur Strukturierung des Verfahrens verwenden.

Auch der Meditationslehrer ist ein Übertragungs- und „Übergangs-Objekt" zugleich. Diese Vermischung ist bei ihm jedoch problematisch und daher muss der Lehrer sie durch zwei Dinge ausgleichen, die heute nicht mehr wissenschaftlichen Ansprüchen genügen oder nicht mehr anzutreffen sind. Erstens muss er eine umfassende Lehre erarbeitet haben (das ist meist nicht so schwierig, denn diese Lehre orientiert sich an dem, was wir seit langem als allgemeine theistische Moral oder Gnosis kennen). Zudem muss er selbst noch eine besonders integre, moralische und überragende Persönlichkeit sein, und eben eine solche findet man heute kaum noch. Aber die Elemente des STRAHLT, SPRICHT und der FORMEL-WORTE wird der Meditationskenner vertraut finden. Hier kann er zudem auch intellektuell mitarbeiten und muss nicht blind einem Guru oder Priester glauben.

Vereinfacht gesagt ist die Analytische Psychokatharsis nichts anderes als eine (angenehme, „geführte") Umlenkung des Denkens in Bahnen, die einfach relevanter sind als die, die ich eben gerade als „alltäglich" bezeichnet habe. Wir leiden an einem zu sehr veräußerlichten, banalen Leben. Viele unserer psychosomatischen Symptome könnte man gut auch so erklären, dass wir kein erfülltes Leben führen. Aber ist dann nicht eine Methode, die uns zwingt, dass wir uns mit uns selber beschäftigen, andererseits uns dabei jedoch auch ein sehr differenziertes, vielschichtiges, gedanklich auch manchmal anspruchsvolles Niveau zuweist, nicht ein ideales Verfahren? Ein Verfahren, um nicht nur die Symptome abzustellen und zu verstehen, sondern auch aus einer allgemeinen Banalität herauszukommen. Das Verfahren muss nicht nur praktisch geübt, sondern auch theoretisch verstanden werden und das heißt, dass man sich vielleicht auch generell über die damit im Zusammenhang stehenden Bereiche belesen muss oder soll. So kann psychoanalytische Literatur hilfreich sein, aber auch allgemeine Kenntnisse in den heutigen Wissenschaften.


Vereinfachte Zusammenfassung des Verfahrens der Analytischen Psychokatharsis

 

Analog der von S. Freud erstellten psychoanalytischen Theorie wurde von der Tatsache ausgegangen, dass es zwei Grundprinzipien, -kräfte, -triebe oder -strebungen gibt, die grundsätzlich überall herrschen (in der Psyche, im Gehirn, im Universum, in der Natur etc.). Während Freud einen Eros-Lebenstrieb einem Todes-Aggressionstrieb gegenüberstehen sollte, konzipierte J. Lacan die eine dieser Grundkräfte als etwas mit der Wahrnehmung, die andere mit einem Sich-Entäußern Verbundenes. Wahrnehmungstrieb und Entäußerungstrieb, Schau- und Sprechtrieb also, von mir verkürzt STRAHLT und SPRICHT genannt, sind zwei Grundstrebungen, die man sich beim Üben der Analytischen Psychokatharsis also nicht vorstellen muss, denn sie sind grundsätzlich vorhanden, bei jedem Menschen und generell. Warum und wie?

Wir sprechen nicht von der Wirklichnehmung, sondern - und insbesondere beim Menschen - zu Recht von der Wahrnehmung. Wirklichnehmung wäre so etwas wie ein photographischer Apparat, der alles genau aufnimmt und abspeichert. Wir aber nehmen wahr, weil wir dem, was wir z. B. sehen, sofort auch eine gewisse subjektbezogene Bedeutung beimischen. Der Schauvorgang ist somit von einer subjektbezogenen Schaulust mit gesteuert. Und hier setzt die Psychoanalyse an. Für sie sind die Dinge von einer Wahrnehmungs-- und Entäußerungsstrebung beherrscht, also verkürzt von einer STRAHLT- und SPRICHT - Lust. Diese zwei Strebungen sind da und müssen also nicht vorgestellt, gedacht oder sonst irgendwie realisiert werden. Aber sie sind eben in einer dynamischen Form da - deshalb sprechen die Psychoanalytiker ja auch vom Trieb - und können sich so unbewusst verbinden oder komplexhaft auswirken.

Wenn man sich nun bei der Analytischen Psychokatharsis wie zu einer Meditation hinsetzt, wird schon nach kurzer Zeit der Körper etwas taub, dumpf, eine Entspannung beginnt. Schon dieses Wahrnehmen hat etwas mit dem STRAHLT zu tun, ist vielleicht schon ein Teil des „Körperbildes", einer Konzentration auf das Innere, ein Gewahrwerden der STRAHLT - Lust könnte man sagen. Um dies noch zu beschleunigen, wiederholt man jetzt langsam und monoton rein gedanklich das, was ich ein Formel-Wort nenne (oder die Formel-Worte). Dies sind Formulierungen, die mehrere Bedeutungen in sich enthalten, so dass man sich auf keine festlegen kann, obwohl sie klar sprachlich verfasst sind.

Formelwort

Die nebenstehende Abbildung zeigt das der lateinischen Sprache entnommene Formel-Wort R-A-D-I-O-D-I-C-O. Was hat es nun mit diesem Formel - Wort auf sich? Die Abbildung zeigt es im Kreis geschrieben. Man weiß nicht, von welchem Buchstaben an man zu lesen beginnen soll, denn es kommt jedes Mal eine Bedeutung heraus, und zwar jedes Mal eine andere. Ich hätte also das Formel - Wort auch O-R-A-D-I-O-D-I-C schreiben können oder DIC - ORA - DIO. Es ist egal, wo man (im Uhrzeigersinn) zu lesen anfängt, denn beim stetigen gedanklichen Wiederholen kommt man sowieso zu einer Formulierung, die direkt aus dem eigenen Unbewussten stammt und sich das Wesen des Formel-Wortes durch die Kreisschreibung am besten zeigt. Man muss ja am Ende wieder von vorne anfangen und irgendwann regt dies das Unbewusste an, von sich aus etwas Entsprechendes heraus zu geben. Auch wenn es zum Teil unsinnige Bedeutungen sind, die im Formel-Wort enthalten sind, sind es doch auch echte Bedeutungen.

So steckt in der lateinischen Formulierung RAD - IOD - ICO z. B.: ora dio dic, Bete, vermittels des Himmels, sprich, aber auch: cor adi odi, Herz geh, ich hasste, weiter: radio dico, Durch den Strahl spreche ich und natürlich ein linguistisch besseres dico radio, Ich spreche, ich strahle. Noch zahlreiche weitere Bedeutungen stecken darin (z. B. heißt ora auch die Münder, Gesichter, dio auch durch Göttliches usw.), Bedeutungen also, die alle letztlich unwichtig und auch oft etwas unsinnig sind, wenn man nunmehr die Formulierung stets nur von einer anderen Stelle aus liest. Doch es ist wie mit dem Versprecher oder dem Traum, der ja auch unsinnig ist und aus dem man in der Psychoanalyse dennoch einen wichtigen versteckten Sinn herausziehen kann. Man übt mental ja nicht die einzelnen Vorstellungen, sondern nur die geschlossene, einheitliche rein lautliche Formulierung. Die Zerlegung an den Schnittstellen dient lediglich der wissenschaftlichen Begründung und dem intellektuellen Verständnis des Aufbaus der Formel-Worte: dass sie nämlich genauso strukturiert sind wie das Unbewusste, dass alle Vorstellungen zusammen keinen durch irgendeine bewusste Konstruktion herzustellenden Sinn ergeben, sondern nur so wie der Unsinn im Traum aus verschiedenen unbewussten Vorstellungen zusammengesetzt sind, aber dennoch eine wichtige versteckte Botschaft darin steckt.

Denn - wie gesagt - der Analytiker zieht gerade aus dem Unsinn den (darin versteckten) eigentlichen Sinn heraus. Wenn wir uns auf das intellektuelle Verständnis dieser Formel-Worte, die am Rande der Sprachlichkeit stehen, stützen, so deswegen, weil wir heute in einer Zeit leben, wo wir mehr mit Intellekt und Wissenschaft vertraut sind, als mit dem Ur-Glauben früherer Zeiten. Damals gehorchten wir einem heute meist nicht mehr passenden z. B. von einem als Gott bezeichneten Wesen bzw. von dessen weltlichen Stellvertreter gegebenen Sinn. Ich habe in einer umfangreichen Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Religionsstifter sich wahrscheinlich sogar ähnlicher Meditationen wie der hier mittels der Formel-Worte dargestellten bedient haben, sie haben sie nur nicht wissenschaftlich erklärt und verwendet und konnten sie daher nicht so ausdrücken.Sie haben sie eben einfach als gottgegeben erfahren. Aber auch die Psychoanalytiker haben die Struktur des Unbewussten noch nicht exakt so gesehen und verwendet.

Die Formel-Worte entsprechen exakt dem Unbewussten, von dem Lacan sagt, dass es „strukturiert ist wie eine Sprache, wie die Sprache des Anderen". Das Unbewusste ist letztlich durch diese Kombinatorik von STRAHLT / SPRICHT, quasi geometrisch, ja, man könnte fast sagen hieroglyphisch (so wie Bild-Wort-Zeichen) verfasst. Wir wissen dies nicht nur von den Bild-Wort-Zeichen des Traums, den ja Freud als die via regia zum Unbewussten bezeichnet hat, sondern auch bei einfachen Versprechern kann man dies beobachten. So erzählte einmal Heinrich Heine die Geschichte eines Mannes, der mit seiner Bekanntschaft des reichen Baron Rothschilds prahlen wollte. Er wollte sagen, dass er mit ihm wie „familiär" verbunden sei, sagte aber: „ich bin mit ihm so „famillionär". Die Wahrheit, dass es doch die Millionen sind, die ihn faszinierten, rutschte ihm so ganz passiv aus dem Unbewussten heraus. Und genau so wie im „famillionär" eine Mehrfachbedeutung steckt, nämlich die des Familiären und der Millionen (und somit die Unverblümtheit einer Habgier), so auch in den Formel-Worten, die aus drei oder mehr bildhaften Bedeutungen (Vorstellungen) bestehen. Im Verfahren der Analytischen Psychokatharsis wird jetzt nur umgekehrt vorgegangen wie bei dem Versprecher im obigen Beispiel, nämlich aktiv, konstruktiv. Indem das Formel-Wort nur eine Formulierung bildet, obwohl das Mehrfache an Bedeutungen in dieser Formulierung, in diesem Wort-Zug steckt, weckt es das Unbewusste.

fa mil i är

mil l i on är

fa mil l i on är

Abb.2 Die Vielschichtigkeit dreier Bedeutungen entsprechend ihrer klang-bildlichen Struktur unter einander geschrieben.

In diesem Mehrfachen von Bildern und Worten und ihren Schnittstellen funktioniert also das Unbewusste. Es ist nichts anderes als eine Kombination des Bild- und Worthaften in eben dieser Form von Schnittstellen, wie wir sie auch aus der modernen Computertechnik kennen. Dort ermöglicht eine Schnittstelle den Austausch zwischen zwei oder mehr Systemen. Übt man durch gedankliches Wiederholen ein derartiges - jetzt jedoch wie gesagt ein konstruktiv, wissenschaftlich aufgebautes - Formel-Wort, so greift dieses nun genau in die bereits vorhandenen Schnittstellen des ja genauso verfassten Unbewussten (STRAHLT / SPRICHT) ein, und kann dieses öffnen und modulieren.

Man wiederholt also nur rein mental die Laut- bzw. Buchstabenfolge, z. B. di - od - ic - or - ad - di - od, vielleicht mit kleinen Pausen (ich habe das radiodico jetzt extra mit dem di beginnen lassen, weil manche bei den Übungen sich immer wieder von dem radio und dico einfangen lassen, also an diesen Inhalt denken. Bekanntlich stecken ja viele Bedeutungen im Formel-Wort, man kann und soll sich auf keine konzentrieren, sondern nur auf die Laut- und Buchstabenfolge. Durch dieses Vorgehen hat sich die Entspannung etwas weiter vertieft. Bei geschlossenen Augen ist vielleicht etwas Helligkeit aufgetaucht oder es hat sich ein Körperrieseln bemerkbar gemacht, alles Zeichen des STRAHLT. Es können auch Bilder auftauchen, Erinnerungen. Davon muss man sich natürlich wegwenden um wieder zum einfachen STRAHLT (Scheint, Helligkeit, Durchrieseln, Entspannungsgefühl etc.) zurückkehren. Bleibt nach einiger Zeit das Ganze schließlich irgendwie in einem entspannten Zustand stehen, wendet man sich einer zweiten Übung zu.

Hier konzentriert man sich im Kopf oben rechts (hat etwas mit der Linkshirnigkeit der Sprache zu tun) auf etwas, das den Charakter eines Tones, eines „Es Verlautet" oder eben SPRICHT hat. Hier verlautet und spricht nicht irgendjemand sondern das eigene Unbewusste, oft in eben unbewussten Gedanken, Lacan sprach sogar vom „inneren Satz", den jeder Mensch in sich trüge. Wenn es nicht ohnehin nur ein tonähnliches Verlauten ist, so ist es meist nur eine Silbe, eine Kurzformulierung, wie sie auch oft in Träumen auftaucht und einer psychoanalytischen Interpretation zugänglich ist. Meist versteht man ihren Sinn sofort und es ist auch klar, woher er kommt. Während nämlich das STRAHLT (auch auftauchende Bilder) aus der Rückspiegelung des Unbewussten stammen, kommen diese Kurzformulierungen aus der Echo-Rhetorik eben dieses gleichen Unbewussten. Denn das Unbewusste hat ja diese STRAHLT / SPRICHT - Struktur, auf die wollen wir ja hinaus, die wollen wir ja erfahren und deren Kombination verbessern lernen. Die anfängliche Form der durch die Übungen erworbenen Fähigkeiten nenne ich ein „Übergangs-Objekt", die endgültige dagegen, die also vor allem diesen „inneren Satz „ aufgreift", nenne ich KENN- oder PASSWORTE.

Ein ganz humorvolles Beispiel mag den Wert dieser zweiten Übung und dann vor allem das zu erwartende Endergebnis beider Übungen zusammen, nämlich die KENN-, PASSWORTE erklären: jemand, der diesem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis sehr kritisch gegenüberstand, es aber dennoch schon einige Zeit übte, hatte plötzlich den wie von ferne her kommenden Gedanken oder die Eingebung oder vermeinte gar es fast gehört zu haben: „Nichts gesagt!" Doch im selben Moment realisierte er natürlich, dass gerade sehr wohl etwas gesagt wurde, nämlich die zwei Worte „Nichts gesagt!" Aber nicht nur dies überzeugte ihn, dass die analytisch psychokathartische Methode doch funktioniert, er verstand jetzt auch wie das Unbewusste konstruiert ist: nämlich oft durch Gegenbesetzungen, durch ein „Andersherum" zum Bewussten. Denn bewusst war er ja der Meinung gewesen, dass dieses psychotherapeutische Verfahren eigentlich „nichts sagt", es ist Humbug, Nonsens. Das Unbewusste aber schob ihm im selben Moment eine kleine Offenbarung, eine echte Deutung zu: nämlich dass er einen Widerstand hatte, dass das Unbewusste tatsächlich etwas „Wahres" sagt, weil es wie ein Wort des Anderen ist, des Anderen in und außerhalb von uns (denn obwohl ihm schon klar war, dass es etwas von ihm, in seinem Inneren war, hatte er doch auch das Gefühl, als habe es ihm ein anderer, ein Lehrer, ein Deuter eingegeben).

So erfahren ist es etwas ganz anderes, als wenn der Übende bei sich selbst nach einiger Zeit kritischen Zweifelns den bewussten Gedanken gehabt hätte: ach, vielleicht ist doch etwas an diesem Verfahren dran. Er wäre durch diese äußere Logik nur sehr schwach überzeugt gewesen. Aber als ihm dies wie von tief heraus, wie fremd aus dem eigenen Inneren zukommt, ist die Überzeugung eine andere. Plötzlich war aus den Lauten und Raunen im Inneren exakt jene Andersheit des Unbewussten wie hörbar herausgetreten. Das erzeugt in erster Linie eine „schlüsselartige" Erkenntnis (Analytische, ein SPRICHT) und auch noch etwas Psychokatharsis (Befreiung, Reinigung, ein STRAHLT). Dabei hat diese Erfahrung des „Nichts gesagt" und der Erhellung der dahinter steckenden Bedeutung nichts mit Mystik zu tun. Es ist das Unbewusste, das sich hier zeigt und vernehmen lässt, denn das „Nichts gesagt" ist eine so kurze, fast bildhafte Formel, ein Blitz, der eben auch ein leichtes kathartisches Gefühl erzeugt hat).

Wie beim autogenen Training muss man das Verfahren im Sitzen üben. Will man es aber zum Einschlafen nutzen, macht man es natürlich im Liegen. Man gerät dadurch schneller in traumähnliche Zustände und schließlich in den normalen Traumschlaf. Wichtig ist nur, dass man dann alle Gedanken wegschiebt, auch die dieser Kurzsätze (die sich sonst zu Interpretation gut eigenen), und weiter bei den monotonen Formel-Worten verbleibt.

Umgekehrt im Sitzen und bei der Verwendung des Verfahrens zur Selbstanalyse. Hier sind natürlich gerade die Kurzformulierungen wichtig, sie sagen etwas über die eigenen Strebungen im Unbewussten aus, die man dann entsprechend der psychoanalytischen Auffassung deuten kann. Dazu muss man von der ersten auch in die zweite Übung wechseln. Wenn es nicht mehr anders geht wechselt man wieder zur ersten Übung zurück und so auch mehrmals hin und her. Manchmal kommt ein kathartisches Erlebnis allein zustande, manchmal wird man nur einer Kurzformulierung gewahr, manchmal fällt beides zusammen wie bei dem obigen Beispiel des KENN- oder PASSWORTES, was dann einen besonderen Effekt bewirkt: Analytische Erkenntnis, die von einer Psychokatharsis gestützt wird und umgekehrt.


Fußnoten

[1] Ich habe an anderer Stelle (Das „konjekturale Denken", 2004) dargelegt, dass diese beiden Grundkräfte auch in der Physik und auch in den Geisteswissenschaften Gültigkeit haben. Der Psychoanalytiker spricht hier von Trieben, Triebkräften.

[2] Freud hatte zwar ursprünglich den „Eros-Lebenstrieb" an diese Stelle gesetzt, aber diese Konzeption war - genau so wie die eines zweiten Triebes, nämlich des Todestriebes - zu sehr vom Biologischen entlehnt und nicht reine neue, originäre Wissenschaft. J. Lacan hat daher - sich auf die Linguistik stützend - das Freudsche Konzept etwas umformuliert, und so stelle ich es auch hier dar.

[3] Neurologisch spricht man heute von „Spiegelneuronen", d. h. Nervenzellen, die spiegelbildliche Vorgänge verarbeiten und so auch im Gehirn eng verbunden sind. Psychologisch entspricht dies dem „Spiegelstadium", das um den 18. Lebensmonat herum das Ich in Form erster selbstreflexiver Bilder entstehen lässt.

[4] Solms, M., Turnbull, O., Das Gehirn und die innere Welt, Patmos (2004)

[5] So wird er von dem französischen Psychoanalytiker J. Lacan bezeichnet.

[6] Das griechische kathairo (καθαiρο) heißt reinigen. Ich zitiere hier immer gerne Goethes Faust, wo der Dichter sagt: „Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil". Gemeint ist genau dieses innere Rieseln, wo es einem innerlich z. B. bei einem bestimmten Musikstück wie prickelnd ( z. B. den Rücken) herunterläuft. Es erinnert auch an das Märchen von dem, der auszog das Gruseln zu lernen. Bekanntlich gruselte es den Protagonisten dieses Märchens vor nichts. Doch als am Ende das Fischermädchen ihm Grünlinge auf den Bauch schüttete, rief er aus: „Jetzt weiß ich, was gruseln ist. Hier hatte das Gruseln natürlich auch eine erotische Bedeutung.

[7] Ausführlichere Erklärungen zu diesem Grundkonzept finden sich in den Schriften von J. Lacan oder in den Büchern „Analytische Psychokatharsis" oder „Das konjekturale Denken" von mir.

[8] Es stecken bereits mehrere sich überschneidende Bedeutungen in diesem Ausdruck, aber sie sind linguistisch nicht exakt genug (siehe später bei der Erklärung des FORMEL-WORTES)

[9] Ich verweise bezüglich des Tones, Verlautens, darauf, dass die Psychoanalytiker hier auch vom „Klang-Objekt" sprechen, einem innerpsychischen Objekt, das in der frühesten Kindheit auch von der Stimme der Mutter her mitaufgebaut wird.

[10] Nochmals: Die Übertragung ist ein zentraler Begriff in der Psychoanalyse. Gemeint sind Bedeutungen aus früheren oder anderen Bereichen, die vom Patienten auf den Psychoanalytiker „übertragen werden". In diesem Sinne ist der Psychoanalytiker ein ideales Übertragungsobjekt.

[11] Der Begriff „Übergangs-Objekt" stammt von dem englischen Psychoanalytiker D. Winnicott, der es in einem etwas anderen Sinne verwendete als ich es hier tue. Ich meine damit ein seelisches Objekt, also einen subjektiven Zustand übergangsweiser Stabilität, der gerade dadurch erreicht wird, weil man sich auf die primästen seelischen Vorgänge, das STRAHLT / SPRICHT meditativ konzentriert.

[12] Der französische Psychoanalytiker J. Lacan sprach in diesem Zusammenhang auch von der PASSE, dem Durchgang durch den analytischen Prozess.

[13] Dem Wort „geführt" widerspricht nicht, dass man in der Meditation versucht, „Einfälle" möglichst auszuschalten. Sie lassen sich eben nie ganz ausschalten und nach einer Zeit der Meditation treten ja auch wieder viele Gedanken auf, die die nächste Meditation wieder beeinträchtigen können.

[14] Die FORMEL-WORTE helfen ja bei der Übersetzung des Unbewussten ins Bewusste.

[15] Die Topologie ist die Lehre vom Räumlichen, auch Nicht - Euklidische oder Gummi - Geometrie genannt. Ein Dreieck kann z.B. auch gebogene Linien haben, so dass die Winkelsumme mehr oder weniger als 180 Grad beträgt. Wenn wir uns das Psychische als „topologisch" organisiert denken, ja spüren, heißt dies, dass es durch sehr flexible, dehnbare, Muster, Formen oder Zeichen aufgebaut ist.

[16] Dies ist auch der Titel eines Seminars von J. Lacan. L´envers de la Psychanalyse (1991). Gemeint ist, dass das FORMEL-WORT so aufgebaut ist, dass es die für die Psychoanalyse so typischen „freien Assoziationen" bündelt und so direkt in die Nähe einer Deutung, einer Interpretation zwingt

[17] Dabei steht das Bild wieder mehr für das erste, tiefere Unbewusste, das Wort mehr für das Vorbewusste. Es gibt jedoch geringe Vermischungen.

[18] Ich könnte mir den Sinn so vorstellen: der Hund dreht und verknotet sich - mühselig und mehrfach, bis schließlich im Sinne der Evolution daraus ein Mensch wird.

[19] Erst im Zusammenhang mit der SPRICHT-Übung entsteht das, was ich ein „Übergangs-Objekt" genannt habe, das dann vorwiegend durch Hilfe der FORMEL-WORTE sogar bis zu den KENN oder PASSWORTEN führen kann.

[20] Der in der Psychoanalyse bekannte Widerstand gegen die Aufdeckung des Verdrängten spiegelt sich allerdings oft auch in einem Widerstand gegen die FORMEL-WORTE wieder. So hat z. B. einer meiner Schüler immer wieder betont, er müsse bei der genannten Formulierung immer denken: „Radieschen, bitte". Bei anderen FORMEL-WORTEN sind mir ähnliche „Verschiebungen" geboten worden. Ich sage dann immer: Alle Assoziationen sind erlaubt, für das Üben sollen sie jedoch - auch die lateinischen - zurücktreten. Bleibt eine im Vordergrund erhalten, muss man diesen Widerstand eben psychoanalytisch hinterfragen. Für das „Radieschen" war das nicht schwierig: der betreffende Schüler assoziierte dazu „Lieschen" und „radieren". Letzteres Wort hat im Vulgärsprachlichen auch die Bedeutung von geschlechtlich verkehren.

[21] Hier nochmals eine Bemerkung zu der anfangs benutzten Formulierung des „Radicit". Im Kreis geschrieben können wir hier auch „tradici" (ich übersetzte), „citra di" (diesseits von di), „radicis" (vom Ursprung) etc. herauslesen, es ist aber nicht so exakt.

[22] Die ersten Worte der Menschen sind Losungsworte, KENN-WORTE gewesen, die die Sprachforscher auch Identitätsworte nennen. Hier tauchen wir also wieder zurück ins Unbewusste (psychoanalytisch: machen eine Regression), um daraus wieder progressiv weiter zu wachsen.

 

Literaturhinweise

Empfehlungen für ein weiteres Literaturstudium:
Freud, S., Abriss der Psychoanalyse, Fischer Taschenbuch, 1996
Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse: Das Seminar v. Jacques Lacan, Buch XI (1964) , Walter,1980

Zum weiteren Studium kann auch das Buch des Autors über die Analytische Psychokatharsis hilfreich sein.

Hummel, G. v., Analytische Psychokatharsis: Eine Verbindung von Meditation und Wissenschaft MCS, 2008

 


 

 

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