Die körperlich kranke Seele I und II - Vereinfachte Zusammenfassung des Verfahrens der Analytischen Psychokatharsis

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Vereinfachte Zusammenfassung des Verfahrens der Analytischen Psychokatharsis

 

Analog der von S. Freud erstellten psychoanalytischen Theorie wurde von der Tatsache ausgegangen, dass es zwei Grundprinzipien, -kräfte, -triebe oder -strebungen gibt, die grundsätzlich überall herrschen (in der Psyche, im Gehirn, im Universum, in der Natur etc.). Während Freud einen Eros-Lebenstrieb einem Todes-Aggressionstrieb gegenüberstehen sollte, konzipierte J. Lacan die eine dieser Grundkräfte als etwas mit der Wahrnehmung, die andere mit einem Sich-Entäußern Verbundenes. Wahrnehmungstrieb und Entäußerungstrieb, Schau- und Sprechtrieb also, von mir verkürzt STRAHLT und SPRICHT genannt, sind zwei Grundstrebungen, die man sich beim Üben der Analytischen Psychokatharsis also nicht vorstellen muss, denn sie sind grundsätzlich vorhanden, bei jedem Menschen und generell. Warum und wie?

Wir sprechen nicht von der Wirklichnehmung, sondern - und insbesondere beim Menschen - zu Recht von der Wahrnehmung. Wirklichnehmung wäre so etwas wie ein photographischer Apparat, der alles genau aufnimmt und abspeichert. Wir aber nehmen wahr, weil wir dem, was wir z. B. sehen, sofort auch eine gewisse subjektbezogene Bedeutung beimischen. Der Schauvorgang ist somit von einer subjektbezogenen Schaulust mit gesteuert. Und hier setzt die Psychoanalyse an. Für sie sind die Dinge von einer Wahrnehmungs-- und Entäußerungsstrebung beherrscht, also verkürzt von einer STRAHLT- und SPRICHT - Lust. Diese zwei Strebungen sind da und müssen also nicht vorgestellt, gedacht oder sonst irgendwie realisiert werden. Aber sie sind eben in einer dynamischen Form da - deshalb sprechen die Psychoanalytiker ja auch vom Trieb - und können sich so unbewusst verbinden oder komplexhaft auswirken.

Wenn man sich nun bei der Analytischen Psychokatharsis wie zu einer Meditation hinsetzt, wird schon nach kurzer Zeit der Körper etwas taub, dumpf, eine Entspannung beginnt. Schon dieses Wahrnehmen hat etwas mit dem STRAHLT zu tun, ist vielleicht schon ein Teil des „Körperbildes", einer Konzentration auf das Innere, ein Gewahrwerden der STRAHLT - Lust könnte man sagen. Um dies noch zu beschleunigen, wiederholt man jetzt langsam und monoton rein gedanklich das, was ich ein Formel-Wort nenne (oder die Formel-Worte). Dies sind Formulierungen, die mehrere Bedeutungen in sich enthalten, so dass man sich auf keine festlegen kann, obwohl sie klar sprachlich verfasst sind.

Formelwort

Die nebenstehende Abbildung zeigt das der lateinischen Sprache entnommene Formel-Wort R-A-D-I-O-D-I-C-O. Was hat es nun mit diesem Formel - Wort auf sich? Die Abbildung zeigt es im Kreis geschrieben. Man weiß nicht, von welchem Buchstaben an man zu lesen beginnen soll, denn es kommt jedes Mal eine Bedeutung heraus, und zwar jedes Mal eine andere. Ich hätte also das Formel - Wort auch O-R-A-D-I-O-D-I-C schreiben können oder DIC - ORA - DIO. Es ist egal, wo man (im Uhrzeigersinn) zu lesen anfängt, denn beim stetigen gedanklichen Wiederholen kommt man sowieso zu einer Formulierung, die direkt aus dem eigenen Unbewussten stammt und sich das Wesen des Formel-Wortes durch die Kreisschreibung am besten zeigt. Man muss ja am Ende wieder von vorne anfangen und irgendwann regt dies das Unbewusste an, von sich aus etwas Entsprechendes heraus zu geben. Auch wenn es zum Teil unsinnige Bedeutungen sind, die im Formel-Wort enthalten sind, sind es doch auch echte Bedeutungen.

So steckt in der lateinischen Formulierung RAD - IOD - ICO z. B.: ora dio dic, Bete, vermittels des Himmels, sprich, aber auch: cor adi odi, Herz geh, ich hasste, weiter: radio dico, Durch den Strahl spreche ich und natürlich ein linguistisch besseres dico radio, Ich spreche, ich strahle. Noch zahlreiche weitere Bedeutungen stecken darin (z. B. heißt ora auch die Münder, Gesichter, dio auch durch Göttliches usw.), Bedeutungen also, die alle letztlich unwichtig und auch oft etwas unsinnig sind, wenn man nunmehr die Formulierung stets nur von einer anderen Stelle aus liest. Doch es ist wie mit dem Versprecher oder dem Traum, der ja auch unsinnig ist und aus dem man in der Psychoanalyse dennoch einen wichtigen versteckten Sinn herausziehen kann. Man übt mental ja nicht die einzelnen Vorstellungen, sondern nur die geschlossene, einheitliche rein lautliche Formulierung. Die Zerlegung an den Schnittstellen dient lediglich der wissenschaftlichen Begründung und dem intellektuellen Verständnis des Aufbaus der Formel-Worte: dass sie nämlich genauso strukturiert sind wie das Unbewusste, dass alle Vorstellungen zusammen keinen durch irgendeine bewusste Konstruktion herzustellenden Sinn ergeben, sondern nur so wie der Unsinn im Traum aus verschiedenen unbewussten Vorstellungen zusammengesetzt sind, aber dennoch eine wichtige versteckte Botschaft darin steckt.

Denn - wie gesagt - der Analytiker zieht gerade aus dem Unsinn den (darin versteckten) eigentlichen Sinn heraus. Wenn wir uns auf das intellektuelle Verständnis dieser Formel-Worte, die am Rande der Sprachlichkeit stehen, stützen, so deswegen, weil wir heute in einer Zeit leben, wo wir mehr mit Intellekt und Wissenschaft vertraut sind, als mit dem Ur-Glauben früherer Zeiten. Damals gehorchten wir einem heute meist nicht mehr passenden z. B. von einem als Gott bezeichneten Wesen bzw. von dessen weltlichen Stellvertreter gegebenen Sinn. Ich habe in einer umfangreichen Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Religionsstifter sich wahrscheinlich sogar ähnlicher Meditationen wie der hier mittels der Formel-Worte dargestellten bedient haben, sie haben sie nur nicht wissenschaftlich erklärt und verwendet und konnten sie daher nicht so ausdrücken.Sie haben sie eben einfach als gottgegeben erfahren. Aber auch die Psychoanalytiker haben die Struktur des Unbewussten noch nicht exakt so gesehen und verwendet.

Die Formel-Worte entsprechen exakt dem Unbewussten, von dem Lacan sagt, dass es „strukturiert ist wie eine Sprache, wie die Sprache des Anderen". Das Unbewusste ist letztlich durch diese Kombinatorik von STRAHLT / SPRICHT, quasi geometrisch, ja, man könnte fast sagen hieroglyphisch (so wie Bild-Wort-Zeichen) verfasst. Wir wissen dies nicht nur von den Bild-Wort-Zeichen des Traums, den ja Freud als die via regia zum Unbewussten bezeichnet hat, sondern auch bei einfachen Versprechern kann man dies beobachten. So erzählte einmal Heinrich Heine die Geschichte eines Mannes, der mit seiner Bekanntschaft des reichen Baron Rothschilds prahlen wollte. Er wollte sagen, dass er mit ihm wie „familiär" verbunden sei, sagte aber: „ich bin mit ihm so „famillionär". Die Wahrheit, dass es doch die Millionen sind, die ihn faszinierten, rutschte ihm so ganz passiv aus dem Unbewussten heraus. Und genau so wie im „famillionär" eine Mehrfachbedeutung steckt, nämlich die des Familiären und der Millionen (und somit die Unverblümtheit einer Habgier), so auch in den Formel-Worten, die aus drei oder mehr bildhaften Bedeutungen (Vorstellungen) bestehen. Im Verfahren der Analytischen Psychokatharsis wird jetzt nur umgekehrt vorgegangen wie bei dem Versprecher im obigen Beispiel, nämlich aktiv, konstruktiv. Indem das Formel-Wort nur eine Formulierung bildet, obwohl das Mehrfache an Bedeutungen in dieser Formulierung, in diesem Wort-Zug steckt, weckt es das Unbewusste.

fa mil i är

mil l i on är

fa mil l i on är

Abb.2 Die Vielschichtigkeit dreier Bedeutungen entsprechend ihrer klang-bildlichen Struktur unter einander geschrieben.

In diesem Mehrfachen von Bildern und Worten und ihren Schnittstellen funktioniert also das Unbewusste. Es ist nichts anderes als eine Kombination des Bild- und Worthaften in eben dieser Form von Schnittstellen, wie wir sie auch aus der modernen Computertechnik kennen. Dort ermöglicht eine Schnittstelle den Austausch zwischen zwei oder mehr Systemen. Übt man durch gedankliches Wiederholen ein derartiges - jetzt jedoch wie gesagt ein konstruktiv, wissenschaftlich aufgebautes - Formel-Wort, so greift dieses nun genau in die bereits vorhandenen Schnittstellen des ja genauso verfassten Unbewussten (STRAHLT / SPRICHT) ein, und kann dieses öffnen und modulieren.

Man wiederholt also nur rein mental die Laut- bzw. Buchstabenfolge, z. B. di - od - ic - or - ad - di - od, vielleicht mit kleinen Pausen (ich habe das radiodico jetzt extra mit dem di beginnen lassen, weil manche bei den Übungen sich immer wieder von dem radio und dico einfangen lassen, also an diesen Inhalt denken. Bekanntlich stecken ja viele Bedeutungen im Formel-Wort, man kann und soll sich auf keine konzentrieren, sondern nur auf die Laut- und Buchstabenfolge. Durch dieses Vorgehen hat sich die Entspannung etwas weiter vertieft. Bei geschlossenen Augen ist vielleicht etwas Helligkeit aufgetaucht oder es hat sich ein Körperrieseln bemerkbar gemacht, alles Zeichen des STRAHLT. Es können auch Bilder auftauchen, Erinnerungen. Davon muss man sich natürlich wegwenden um wieder zum einfachen STRAHLT (Scheint, Helligkeit, Durchrieseln, Entspannungsgefühl etc.) zurückkehren. Bleibt nach einiger Zeit das Ganze schließlich irgendwie in einem entspannten Zustand stehen, wendet man sich einer zweiten Übung zu.

Hier konzentriert man sich im Kopf oben rechts (hat etwas mit der Linkshirnigkeit der Sprache zu tun) auf etwas, das den Charakter eines Tones, eines „Es Verlautet" oder eben SPRICHT hat. Hier verlautet und spricht nicht irgendjemand sondern das eigene Unbewusste, oft in eben unbewussten Gedanken, Lacan sprach sogar vom „inneren Satz", den jeder Mensch in sich trüge. Wenn es nicht ohnehin nur ein tonähnliches Verlauten ist, so ist es meist nur eine Silbe, eine Kurzformulierung, wie sie auch oft in Träumen auftaucht und einer psychoanalytischen Interpretation zugänglich ist. Meist versteht man ihren Sinn sofort und es ist auch klar, woher er kommt. Während nämlich das STRAHLT (auch auftauchende Bilder) aus der Rückspiegelung des Unbewussten stammen, kommen diese Kurzformulierungen aus der Echo-Rhetorik eben dieses gleichen Unbewussten. Denn das Unbewusste hat ja diese STRAHLT / SPRICHT - Struktur, auf die wollen wir ja hinaus, die wollen wir ja erfahren und deren Kombination verbessern lernen. Die anfängliche Form der durch die Übungen erworbenen Fähigkeiten nenne ich ein „Übergangs-Objekt", die endgültige dagegen, die also vor allem diesen „inneren Satz „ aufgreift", nenne ich KENN- oder PASSWORTE.

Ein ganz humorvolles Beispiel mag den Wert dieser zweiten Übung und dann vor allem das zu erwartende Endergebnis beider Übungen zusammen, nämlich die KENN-, PASSWORTE erklären: jemand, der diesem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis sehr kritisch gegenüberstand, es aber dennoch schon einige Zeit übte, hatte plötzlich den wie von ferne her kommenden Gedanken oder die Eingebung oder vermeinte gar es fast gehört zu haben: „Nichts gesagt!" Doch im selben Moment realisierte er natürlich, dass gerade sehr wohl etwas gesagt wurde, nämlich die zwei Worte „Nichts gesagt!" Aber nicht nur dies überzeugte ihn, dass die analytisch psychokathartische Methode doch funktioniert, er verstand jetzt auch wie das Unbewusste konstruiert ist: nämlich oft durch Gegenbesetzungen, durch ein „Andersherum" zum Bewussten. Denn bewusst war er ja der Meinung gewesen, dass dieses psychotherapeutische Verfahren eigentlich „nichts sagt", es ist Humbug, Nonsens. Das Unbewusste aber schob ihm im selben Moment eine kleine Offenbarung, eine echte Deutung zu: nämlich dass er einen Widerstand hatte, dass das Unbewusste tatsächlich etwas „Wahres" sagt, weil es wie ein Wort des Anderen ist, des Anderen in und außerhalb von uns (denn obwohl ihm schon klar war, dass es etwas von ihm, in seinem Inneren war, hatte er doch auch das Gefühl, als habe es ihm ein anderer, ein Lehrer, ein Deuter eingegeben).

So erfahren ist es etwas ganz anderes, als wenn der Übende bei sich selbst nach einiger Zeit kritischen Zweifelns den bewussten Gedanken gehabt hätte: ach, vielleicht ist doch etwas an diesem Verfahren dran. Er wäre durch diese äußere Logik nur sehr schwach überzeugt gewesen. Aber als ihm dies wie von tief heraus, wie fremd aus dem eigenen Inneren zukommt, ist die Überzeugung eine andere. Plötzlich war aus den Lauten und Raunen im Inneren exakt jene Andersheit des Unbewussten wie hörbar herausgetreten. Das erzeugt in erster Linie eine „schlüsselartige" Erkenntnis (Analytische, ein SPRICHT) und auch noch etwas Psychokatharsis (Befreiung, Reinigung, ein STRAHLT). Dabei hat diese Erfahrung des „Nichts gesagt" und der Erhellung der dahinter steckenden Bedeutung nichts mit Mystik zu tun. Es ist das Unbewusste, das sich hier zeigt und vernehmen lässt, denn das „Nichts gesagt" ist eine so kurze, fast bildhafte Formel, ein Blitz, der eben auch ein leichtes kathartisches Gefühl erzeugt hat).

Wie beim autogenen Training muss man das Verfahren im Sitzen üben. Will man es aber zum Einschlafen nutzen, macht man es natürlich im Liegen. Man gerät dadurch schneller in traumähnliche Zustände und schließlich in den normalen Traumschlaf. Wichtig ist nur, dass man dann alle Gedanken wegschiebt, auch die dieser Kurzsätze (die sich sonst zu Interpretation gut eigenen), und weiter bei den monotonen Formel-Worten verbleibt.

Umgekehrt im Sitzen und bei der Verwendung des Verfahrens zur Selbstanalyse. Hier sind natürlich gerade die Kurzformulierungen wichtig, sie sagen etwas über die eigenen Strebungen im Unbewussten aus, die man dann entsprechend der psychoanalytischen Auffassung deuten kann. Dazu muss man von der ersten auch in die zweite Übung wechseln. Wenn es nicht mehr anders geht wechselt man wieder zur ersten Übung zurück und so auch mehrmals hin und her. Manchmal kommt ein kathartisches Erlebnis allein zustande, manchmal wird man nur einer Kurzformulierung gewahr, manchmal fällt beides zusammen wie bei dem obigen Beispiel des KENN- oder PASSWORTES, was dann einen besonderen Effekt bewirkt: Analytische Erkenntnis, die von einer Psychokatharsis gestützt wird und umgekehrt.