Die körperlich kranke Seele I und II - Zweite Übung

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Jetzt also die zweite Übung: bei dieser zweiten Übung, wird einfach auf das ES SPRICHT konzentriert, also nicht auf eine Stimme, was unsinnig wäre, sondern auf den Appell, Anruf, „Laut", „Ton", der sich unbewusst, primär in uns artikuliert und entäußert werden kann. Denn selbst der Appel, Schrei eines Kindes ist nicht einfach nur etwas Expressives, sondern an einen Anderen Gerichtetes. Will man aus Anschaulichkeitsgründen bei dem Begriff „Stimme" bleiben, könnte man auch sagen, dieses SPRICHT besteht - ähnlich dem FORMEL-WORT - aus drei oder mehr sich verknotenden „Stimmen". Schon Sokrates stützte sich - wie Lacan treffend bemerkt - in seinem therapeutischen Verfahren, seinen Gesprächen, erstens auf die Stimme des Sklaven (im Menon zieht Sokrates aus dem Sprechen eines Sklaven das Wissen über die Quadratwurzel). Aber dann stützte sich Sokrates auch noch auf die Stimme seines „daimonions", seine „innere" Stimme und schließlich ja noch auf seine eigene, seine sich äußernde Philosophen-Stimme. Ebenso stützte sich Freud auf „die Stimme der Wissenschaft", zweitens auf die seiner Patienten und drittens ebenfalls seine eigene vortragende und deutende Stimme. In dem von mir inaugurierten Verfahren stütze ich mich auf die Stimme der Topologie (auf die „Stimme des Objekts", wie es Lacan vom psychischen Objekt sagt. An anderer Stelle sagt er auch, dass sich das Subjekt im „Gebot der Stimme" vollendet, im Sprechtrieb. Ich benutze hier den Begriff des „Übersetzungs-Objekts"). Sodann stütze ich mich auf die Stimme der verschiedenen Bedeutungen im FORMEL-WORT und schließlich ebenfalls auf die, mit der ich mich hier in einer bisher noch nicht veröffentlichten Form äußere (dies war jetzt nur eine kurze theoretische Einlassung am Beispiel der „Stimme", besser ist es, wenn wir die Theorie anhand von psychischen „Objekten" entwickeln).

Der Philosoph Heidegger sprach hier vom „Geläut der Stille", was vielleicht noch besser ausdrückt, was mit dem SPRICHT gemeint ist, wenn es auch etwas vordergründig religiös klingt. In vielen Meditationen wird vom „Laut" gesprochen, aber diese Begriffe sind leicht missverständlich, weil diese Übung nichts mit einem physischen Laut zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um etwas, das Lacan auch das „universale Gemurmel" in unserem Unbewussten nennt. Dieses besteht eben aus den Resten des Gehört- und Gesprochenen und den nicht zu Ende gebrachten Gedanken im Unbewussten. Wir jedoch konzentrieren uns nur auf den Appell dieses „Gemurmels", auf diese linguistische, fast musikalische Resonanz unserer unbewussten Gedanken und erhalten so eine Konzentration auf das SPRICHT (das Verlautet) als solches. Dieses SPRICHT scheint von oben und rechts im Kopfzentrum zu kommen, denn es hat etwas mit unserem Sprachzentrum im linken Gehirn zu tun (deswegen erklingt es auch als Resonanz im rechten Teil. Es hat aber auch etwas mit einer topologischen Orientierung zu tun, die sich im Sprachgebrauch durch die Verwandtschaft von „recht", „rechts", „richtig" ausdrückt).

Kurz noch einmal: wir konzentrieren uns in dieser zweiten Übung auf etwas in uns, das einem SPRICHT gleichkommt, das kein geheimnisvolles Raunen ist, sondern etwas, das uns kon-zentriert, d.h. zusammenzieht auf etwas Ureigenstes von uns selbst, das „Echo des Diskurses" in uns selbst. Vielleicht sollte ich es am treffendsten ein ES VERLAUTET nennen, weil es so für die meisten Menschen am einfachsten zu verstehen und zu realisieren ist. In der Informatik spricht man hier vom „weißen Rauschen", das aber - insofern es sich um den unbewussten Hintergrund handelt - für uns wichtiger ist als das bewusste Rauschen der Information! Es soll ja das Unbewusste klar werden und nicht das Gewusste. Man muss dabei nicht auf etwas achten, das von irgendwoher zu hören wäre, sondern dieses SPRICHT, VERLAUTET, der „Ton" (nach Freud könnten wir auch sagen: der Primärvorgang des Sprechtriebes) ist immer durch eine Sammlung in Ruhe als solches wahrzunehmen und vermittelt sofort das Gefühl eines inneren Haltes, einer Orientierung, Lotung, vermittels der Resonanz des eigenen Sprech- und Hörsystems. Es ist, als könne man wie von der Ferne her etwas vernehmen, als käme das Echo der eigenen Gedanken in Form eines gebündelten Klang-Stroms zu einem zurück. Nochmals: Es geht nicht um ein „Stimmenhören", sondern im Gegenteil um eine Konzentration, als könnte man gerade das sich hinter der extremen Ruhe, das sich von der absoluten Stille Abhebende vernehmen und zwar wiederum als den Sinn eines „Übersetzungs-Objektes", diesmal eben mehr von der SPRICHT - Seite her. Und mit dieser erst werden die KENN- oder PASSWORTE wirklich klar. Auch diese Übung dauert etwa 10 min. Für beide Übungen zusammen genügen also etwa zwanzig Minuten, und ihr Ziel ist, dass sie sich kombinieren in einer eigenen Erfahrung des Unbewussten, die ich also letztlich KENN- PASSWORTE nenne.

Denn nach einiger Zeit des Übens stellt sich tatsächlich etwas Derartiges ein, das ich über das „Übersetzungs-Objekt" hinausgehend die KENN - oder PASSWORTE nenne. Ich werde gleich konkrete Beispiele geben. Die Durchschlingung von STRAHLT und SPRICHT wird mittels der FORMEL-WORTE so verdichtet, so symbolisch durch ihren worthaften, analytischen und den kathartischen Anteil „übersetzt", dass eine immer mehr einheitliche Erfahrung und Aussage vermittelt wird. Das Erlebnis der Psychokatharsis (der Erhebung, des Rieselns, oder auch einer Art Freude, Erleichterung, Entspannung) zeigt meist einen Kulminationspunkt an, an dem auch die KENN- bzw. PASSWORTEzu Tage treten und Analytisch verarbeitet werden können. Mehr als eine halbe Stunde am Tag sollte nicht nötig sein, um dieses Ergebnis zu haben.