Ökopraxis für jeden

Ökopraxis, für jeden
Wie in den Übersichten auf der Startseite erwähnt, heißt Ökopsychoanalyse gerade nicht mehr nur politisch ökologisch zu denken, sondern einen Zugang zur Ökologie über das eigene Unbewusste, also über sich selbst als einem Spiegel der ökologischen Verhätnisse zu finden. "Das Unbewusste", sagt J. Lacan, "ist die Sprache des Anderen". Gemeint ist erstens nicht unbedingt eine perfekte verbale Sprache, sondern nur die Strukur von Sprache, die allgemeine symbolische Ordnung also. Und mit dem Anderen (geschrieben mit großem A) ist der bedeutende Andere gemeint, so wie es eben durch die gesamte Umwelt einschließlich des Universums dargestellt ist.

Wenn wir also in der Ethnopsychoanalyse beispielsweise psychoanalytisches Vorgehen in Form eines Dialogs wählen, in dem wir dem Gesprächspartner in besonderer Weise zuhören, nämlich darauf achtend, was er auch zwischen den Zeilen sagt, vermitteln wir ihm Antworten und Einsichten, die er vorher nicht kannte. Zugleich erweitern auch wir unser psychoanalytisches Denken. Wir erkennen z.B., dass bei vielen Stämmen Afrikas der sogenannte Ödipuskomplex anders verfasst ist oder überhaupt fast ganz fremd ist. Wir sehen dann, dass es etwas „Präödipales" gibt, also seelische Verfassungen, die sich noch vor dem dritten, vierten Lebensjahr etabliert haben und für das Leben dieses Individuums wesentlich sind.

Ab diesem frühen Lebensabschnitt gilt nämlich seit S. Freud, dass Liebes- und Begehrensgefühle für den gegengeschlechtlichen Elternteil (oder Bezugsperson) entwickelt werden, Hass und Ablehnung für den gleichgeschlechtlichen. Diese Einstellung (psychoanalytisch eben ‚ödipal‘ genannt nach der antiken Sage des Ödipus, der seinen Vater umbrachte und seine Mutter heiratete) findet sich oft bei afrikanischen Stämmen nicht. Umso mehr beherrschen dann Hexen- und Monstervorstellungen das Kindesleben dieser Menschen, in denen zwar auch erotische Elemente des gegengeschlechtlichen eine Rolle spielen, die jedoch erheblich komplexer, vielschichtiger sind.

Und so begegnet uns ja auch die Natur, die Umwelt, ja das ganze Universum. Wir sind noch weit davon entfernt, trotz Physik, Astronomie, Evolutionstheorie diese Bereiche unseres Lebens voll erforscht zu haben. Und es sieht eben so aus, als würde man hier mit den klassischen Wissenschaften, so sehr die ihren Wert auch weiter behalten, fortschreiten wird. Wir bauen immer größere Teilchenbeschleuniger, die uns wahrscheinlich wieder ein klein wenig über Hadronon und Myonen, Quarks und das berühmte Higgsteilchen an Erkenntnis bringen werden. Doch wird dies fast keine Relevanz für das Leben der meisten Menschen auf dieser Welt haben.

Genau so die Evolutionstheorie und selbst die - diese Theorie sehr variierende - Epigenetik werden nicht so enorme Auswirkungen auf unseren Alltag und selbst unsere Weitsicht haben. Nicht umsonst hat sich aus diesem Grund vor ca. einhundert Jahren die Psychoanalyse als neuere Wissenschaft v o m Subjekt entwickelt, deren Objekt seelisch energetische Prozesse, im weitesten Sinne unbewusste erotische Prozesse sind. Und hier genau setzt die Ökopsychoanalyse an: wir leiben manche Dinge und Vorgänge in der Natur, andere hassen wir eher, wir mystifizieren immer noch vieles in unserer Umwelt, zu anderem haben wir ein geradezu erotisches Verhältnis, weil wir damit gar nicht anders umgehen könnten, als es durch eine eben „der Liebe unterstellten Wissenschaft" zu ergründen.

Ein einfaches Beispiel: das Leben der Neandertaler werden wir niemals „objektiv" erforschen können, dazu gibt es einfach viel zu wenig, was von ihnen übrig geblieben ist (lediglich ein paar Knochen, ein oder zwei Werkzeuge). Wir müssen sie leiben, wenn wir mehr von ihnen wissen wollen. Wir müssen uns in sie hineinversetzen, wie sie gelebt haben könnten, um sie zu verstehen. Ein anderes Beispiel: das Leben mancher Tiere können wir ebenso nur tiefer erkennen, wenn wir lange mit ihnen zusammenleben, sie beobachten, sich in sie hineinversetzen. Sie nur zoologisch zu sezieren oder nur unter dem Begriff Instinktverhalten zu vermessen, reicht nicht. Hier muss der Mensch selber mit seinen spiegelbildlichen Anteilen in sich auf die Umwelt zugehen, ja sich mit ihr tief verbinden.