Sudoku und kein Ende

Das Zahlenrätselspiel Sudoku findet immer mehr Anhänger. Schon längst gibt es Meisterschaften in vielen Ländern. Auch ich bin seit über einem halben Jahr verführt, wann immer ich in einer Zeitung oder Magazin ein Sudoku sehe, es zu lösen versuchen. Freilich könnte man sich im Internet genügend Aufgaben herunterladen. Doch mein Problem liegt woanders. Ich sage mir einerseits, dass Sudoku ein typisches, für den Computer in Null-Komma-Nix zu lösendes Spiel ist, mit anderen Worten ein ideales Feld für die totale Schmalspurintelligenz oder das perfekte Fachidiotentum. Wie im Schachspiel, wo es festgelegte Spielfelder (64) und Figuren mit festgelegten Bewegungsmöglichkeiten gibt, ist der Computer heute dem Menschen hinsichtlich des Sudoku millionenfach überlegen.

 

Wenn ich also einmal wirklich Sudokumeister werden sollte, bin ich nur ein weiterer Fachidiot geworden bzw. diesem Ziel näher gekommen. Immerhin, ganz schlecht ist es nicht. Aber selbst der Fachcomputer zum Sudokulösen kann noch lange nicht auch im Schachspiel Meister sein. Er muss eine zweite Fachidiotie erlernen oder eingespeist bekommen. Doch wie gesagt, Fachidiotie hat im menschlichen Leben auch immer Mal wieder Gutes leisten können. Aber das eigentliche Ziel wäre es natürlich, wenn man die verschiedenen bis zur Höchstkombinatorik entwickelten Fächer miteinander so kombinieren könnte, das nicht jedes Mal ein neuer, langwieriger Zugang erlernt werden muss. Vielmehr sollte es so sein, dass man eben kreativ, frei assoziativ, in logischer Praxis die Fächerbereiche zu kombinieren weiß. Solch einer kombinatorischen Überblick kann der Computer nicht finden, aber auch der Mensch ist hier noch nicht am Ziel. Eine ‚logische Praxis‘ nennt J. Lacan auch die psychoanalytische Wissenschaft, die vielleicht am ehesten dorthin kommen kann und zu der ich gleich noch etwas sagen will. 

Nochmals ein Andererseits, man kann tatsächlich Strategien zum Sudoku selbst entwickeln kann, die eine mathematische Kombinatorik interessant machen. Ich gehe so vor, dass ich zuerst bei den am häufigsten vorkommenden Zahlen nachsehe, da man diese dann meist leicht noch ergänzen kann. Dann gehe ich bei jeder gefundenen Zahl die dadurch gewonnenen neuen Möglichkeiten durch, bevor ich das mache, was das Blödeste ist: Spalte für Spalte, Zeile für Zeile und Block für Block durchzusuchen. Im Internet findet man auch andere Strategien, aber keine ist gut, auch meine sicher nicht. Auch mit ein bisschen Intuition komme ich manchmal bereits weiter. Doch ist das nicht gerade wieder das Fatale? Denn dadurch mache ich immer weiter, kaum sehe ich ein Spiel, fange ich sofort wieder damit an, dabei denkend, dass ich vielleicht eine mathematische Kombinationstechnik, die Vorstufe für ein universales Kombinieren von Möglichkeiten, Schicksalsfragen, ja Welträtseln sein kann, erlerne. Gleichzeitig aber weiß ich ja, dass ich - erneut gesagt - nur eine völlige Schmalspurmethode entwickelt hätte, mit der ich dann mich selbst täuschend glauben würde, die Welt retten zu können. Wie viele Fachidioten gibt es sogar auf den Universitäten und gar in der Politik. Parteiideologie ist doch z. B. nichts anderes als eine derartige Schmalspur, mit der man glaubt, ein ganzes Land regieren zu können. Ich bin in einem richtigen Konflikt.

Was soll ich also tun? Ich habe bereits meine Frau angewiesen, wo immer sie ein Sudoku sehen würde, es sofort zu vernichten. Ich würde sonst einer gefährlichen Sucht verfallen, wenn ich es nicht schon bin. Der Grund ist natürlich klar: ein Quadrat mit etlichen Zahlen darin und vielen Lücken, die gefüllt werden sollten, wenn man für intelligent gehalten werden will – wenn auch nur von sich selbst – stellt  ein starkes Verlangen dar. Dass die Zahlen von 1 bis 9 in diesen verschiedenen Varianten vorkommen ist zudem ein großes Faszinosum. Auch wenn Freud es ein infantil erotisches Begehren nennen würde, das Verlangen ist eben irgendwie berechtigt und deutlich da. Trotzdem hoffe ich zweierlei erreichen zu können. Erstens: selbst wenn mir jetzt nur noch gelegentlich ein Sudoku in die Hand fällt, seine Ausführung zumindest weiter zu minimieren und dabei darauf zu achten, bis wie weit es vielleicht doch eine Kombinationsfähigkeit einfacher Art verbessern kann. Wenn aber zu merken ist, dass dieses Ziel einer Verbesserung von dem, was der Computer nicht kann, nämlich eine Erhöhung der Abstarktionsfähigkeit, der genzheitlichen Überschau, und zudem zu viel Zeit verschwendet wird, will ich mir wiederholt in Erinnerung zu rufen, dass es Fachidiotie ist und es sein lassen.

„Lass Es sein“, hat der Dichter J. A. Strindberg sich zugerufen, als er sich zu viel mit Okkultismus beschäftigte und ernsthaft fürchten musste, verwirrt und verrückt zu werden. Nun ist Okkultismus dem Sudoku durchaus vergleichbar. Sein ‚Es‘ hatte – so wie die leeren Felder im Sudoku – mehrfache Bedeutung: Strindberg sollte ‚Es‘, die Okkultismusbeschäftigung, sein lassen, aber er sollte auch ‚Es‘ als das sein lassen, was ‚Es‘ war, das Freudsche ‚Es‘, das Unbewusste, das Irrationale. Ein Verfahren, dass hilfreich in tiefere Seelenbereiche eindringen soll, kann durchaus auch mit Irrationalität behaftet sein. Freuds Psychoanalyse muss sich sehr viel mit der vollkommenen Irrationalität des Traums und des Unbewussten beschäftigen. Dennoch gelingt es mit seiner Methode der ‚freien Assoziation‘ Rationalität und Sinn aus all dem Irrationalen, aus dem ‚Es‘ herauszuziehen. Die Praxis, die in der Übereinstimmung des Adepten mit dem Psychoanalytiker besteht, ist dabei ähnlich entscheidend wie die okkulte Logik zu durchschauen.

Ich habe nun selbst das Verfahren der Analytischen Psychokatharsis entwickelt, das tatsächlich ebenfalls ein zentrales Element der Art enthält, die einem Sudoku ähnelt. Bei diesem Verfahren sind nicht Zahlen, sondern Buchstaben durch wechselnde Schnittstellen getrennt, also vielleicht ähnlicher einem Kreuzworträtsel. Dadurch kann man das Unbewusste selbst aufrufen, denn wie Lacan sagt, jeder leerer, je unbedeutender ein Signifikant, ein Bedeutungskörper ist, desto wirksamer ist er. Das Verfahren der Analytischen Psychokatharsis erzeugt Sicherheit und Ruhe, Selbstanalyse (Enthüllung) und Klarheit (Erkenntnis) und letztendlich eine kreative Kombinatorik, die die Abstarktionsfähigkeit und die subjektbezogene, ganzheitliche  Überschau beinhaltet. Auf jeden Fall hilft dieses Verfahren dazu, ‚Es‘, das irrationale Sudoku in uns selbst, aufzurufen und dann zu lösen. Alles dazu Notwendige und weitere ist auf dieser Webseite dargestellt.