Therapie der Angst

Es ist bekannt, dass beim Menschen, der sich in einem elektrischen Feld befindet, minimale elektrische Strömungen in dessen Körper nachzuweisen sind. Wenn es beim Blitzschlag in einem Baum zu einem sogenannte ‚Überschlag‘ kommt, der den danebenstehenden Menschen erreicht, ist der Stromfluss natürlich ums vielfache so erhöht, dass er den Körper schädigt. Martialisch aussehende Teslaströme werden zur heilpraktischen Behandlung eingesetzt. Hierbei kommt eine hochfrequent-gedämpfte Wechselspannung mit sehr hoher Spannung im Bereich mehrerer hunderttausend Volt aber niedriger Leistung zum Einsatz. Die Hochspannung lädt einen Kondensator, dessen Ladung über eine

Funkenstrecke ( z. B. über 10 cm direkt auf die Haut des Patienten) über die Primärwicklung eines Tesla-Transformators zyklisch entladen wird.

Der Patient spürt davon nichts, eine wirkliche Heilwirkung ist aber nicht erwiesen. Das Ganze wirkt wohl eher wegen seines dramatischen Aussehens. Die Therapeuten behaupten aber, natürliche Körperströme verändern zu können. Ich will jedoch auf etwas anders hinaus. Umgekehrt ist aus vielen Meditationsübungen bekannt, das Strömungsgefühle im Körper auftreten können, obwohl hier mit Sicherheit kein wirklicher Strom fließt, sondern ein solches Phänomen nur beobachtet werden kann. Wahrscheinlich meinen Heilpraktiker eher derartige Phänomene, diese werden jedoch auf keinen Fall durch äußere Stromeinwirkungen verändert – vor allem nicht dauerhaft verändert. In der Meditation sind jedoch solche Vorgänge bekannt, werden aber vom Gehirn aus über vegetative Bahnen gesteuert. All dies erinnert an die Theorie der „Grundregulation“ von Pischinger erinnert.[1] Pischinger war Arzt im letzten Jahrhundert und erklärte als das wichtigste Organ zur Energieausbreitung im Körper bestimmte Strukturen des Bindegewebes. Man sprach auch vom Pischinger´schen Raum, der heute durch die nachgewiesene Signalinduktionen zwischen den Zellen neue Bestätigung bekommt. Doch ob es diese „Grundregulation“ nun wirklich gibt oder nicht ist wieder, ähnlich wie die Frage nach all den spekulativen Theorien der Heilpraktikermedizin, unklar.

Man kann sich jedoch auch von der Psychoanalyse her diesem grundregulativen Strömungsphänomen nähern, nämlich über das Phänomen und Wesen der Angst, die bei Freud noch als Überflutung nicht bewältigbarer Reize oder nicht abführbarer libidinöser Spannung definiert ist. Beim Philosophen M. Heidegger handelt es sich um den Zustand der ‚Uneigentlichkeit‘, dass man also sein ‚Eigenes‘, ‚Jemeiniges‘ verloren hat. Doch Lacan geht noch weiter und behauptet, dass der Mensch, der der Natur, den Trieben und seinen eigenen Anspruch gegenüber ein Mangelwesen ist, und speziell dann übergroße Angst entwickelt, unheimliche Fremdheit und Entwurzelung, wenn ihm dieser vertraute Zustand des Mangels auch noch genommen wird, also der grauenhafte Zustand eines ‚manque du manque‘ eintritt. Nun ist verständlich, dass in der klassischen psychoanalytischen Sitzung, in der Therapeut und Patient miteinander reden, beim Auftreten extremer Angst, bei sogenannten Panikattacken, nicht hilfreich sein kann. Das aufdeckende psychoanalytsiche Verfahren kann vielleicht sogar noch mehr Angst auslösen.

Aus diesem Grund hat man Traumatherapien erfunden und andere Methoden, bei denen der Therapeut ständig gegenwärtig sein muss, suggestiv beruhigend wirkt und einen die Hand hält. Dem scheinbar Unergründlichen der angstvollen Entfremdung kommt man damit aber auch nicht dauerhaft bei, eine Abhängigkeit bleibt bestehen, die selber wieder zur Ursache von Angst werden kann. Dann ist es gut, wenn es eine Möglichkeit gibt, die Strömungserfahrung abrufen zu können, egal, ob dieses Phänomen nun elektrisch oder durch Signalinduktion entsteht oder einfach nur eine psychosomatische Empfindung ist, die als Grundregulation verstanden werden kann. Man kann diesen Zustand auch als eine Art der Phosphoreszenz beschreiben, also einer leicht angeregten, strahlenden, strömenden, durchprickelnen aber auch durchschauernden Erfahrung, die schon Goethe ‚als der Menschheit bestes Teil‘ beschrieben hat,[2] die jedoch für sich allein trotzdem nicht nachhaltig genug ist, um als therapeutisches Ziel zu gelten.

Dafür ist noch ein ‚Laut‘, ein Wort, ein Symbol, ein ‚Es Verlautet‘ oder ein ‚Es Spricht‘ notwendig, weil die sprachliche Zeichenordnung in gewisser Weise ja selbst hinter dem Angstphänomen steckt. Im Zustand der Angst ist der Mensch auch der ‚Echos seines Körpers‘ beraubt, der Widerhalleffekte, die das menschliche Kind in seiner frühesten Lebensphase erlernt haben muss. So beschrieb die Psychoanalytikerin D. Birksted-Breen, seelische Echovorgänge, indem zwischen dem Reverie-Geplapper der Mutter und den ‚widerhallenden‘ Antworten des Kindes eine erste gemeinsame Identität, eine erotische Verschworenheit als ‚Wiederhalleffekt‘ entsteht. Es findet also ein erster Hall- / Widerhall, ein Anklang / Widerhall oder eine Laut-Kombination gegensätzlicher Bedeutungen statt, die noch keine ausgereifte Sprache darstellt, dennoch aber schon symbolische Grundlage hat, die bis zum Realen reicht.

„Es muss im Signifikanten [den ich hier als diese Laut-Kombination verstehe] etwas geben, das resoniert. . . die Philosophen stellen sich nicht vor, dass die Triebe das Echo im Körper sind, . . dass es ein Sagen gibt, dass aber das Sagen, damit es resoniere . . dass es dazu nötig ist, dass der Körper sensibel dafür sei. . . Weil der Körper einige Öffnungen hat, deren wichtigste, weil es nicht verstopft, nicht geschlossen werden kann, das Ohr ist, antwortet im Körper das, was ich die Stimme genannt habe“.[3]

Genau diese Art von Verlautung, von einem Es Spricht in einem selbst ist notwendig, um mit dem Strömen, durchrieselnden Phosphoreszieren, Strahlen, was ich daher als Pendant ein Es Strahlt nenne, zusammen den Therapieeffekt zu erzeugen, der die Angst bannen, ihr Geheimnis lösen und ihr Wesen somit als positiven Baustein ins Leben der Menschen integrieren kann. Weitere Hinweise dazu auf der Webseite >analytic-psychocatharsis.com<.

 

 



[1] Pischinger, A., Das System der Grundregulation, Haug-Verlag (1990)

[2] Goethe, W., Faust Teil II. Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil; wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure, ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

[3] Lacan, J., Seminare XXIII, Übersetzung Lacan-Archiv, S. 10