Der Schnitt, Psychoanalyse/Meditation

In den unten stehenden Abbildungen bezieht sich das linke Bild auf Lacans grundlegendes psychoanalytisches Schema des Menschen. Für mein Verfahren der Analytischen Psychokatharsis habe ich es durch die Daraufzeichnung einer Pyramide im rechten Bild  (noch weiter unten) erweitert. Diese Erweiterung betrifft das zentrale Element, das von dem englischen Psychoanalytiker W. Bion ins Spiel der psychoanalytischen Theorie eingebracht wurde. Er bezeichnete es mit dem Buchstaben  O  für  ‚Origin‘ (Anfang), was man jedoch auch als 0 (Null) lesen kann. Vereinfacht ausgedrückt geht es um Folgendes:   

In der Psychoanalyse soll das Subjekt (S links oben) seine unbewussten Triebregungen (Φ für den ‚phallischen‘ Charakter dieser Regungen) einsehen und eingestehen. Das Subjekt bewegt sich hier zuerst einmal im Dreieck S – M (Mutter) – I (Ichideal) und lernt vom Analytiker, der in A sitzt, das Symbolisieren (mittig großes kursiv S), also das volle, worthafte Verständnis dieser Einsichten und Eingeständnisse. Dadurch überwindet Es das Imaginäre (kursiv I) und kann sich dem Realen stellen (kursiv R). Doch alles bleibt begrenzt von Ich (m für moi), dem Bild des Ich (a‘), Idealich (i) und dem Begehrensobjekt (a, z. B. Brust der Mutter). Der Symbolisierungsvorgang kann das Imaginäre nicht voll einbeziehen und muss das Reale so stehen lassen.

Hier nochmals kurze Beschreibung der einzelnen Aspekte der Abbildung: Dreieck links oben: Das Imaginäre (I), Φ : Der imaginäre Phallus, S : Das Subjekt des Unbewussten. m : Moi. i : Idealich. Zentrales Trapez: Das Reale (R). Dreieck rechts unten: Das Symbolische (S) M : Die symbolische Mutter. a: Der imaginäre andere (Begehrens-Objekt klein a), I: Ideal-Ich. a' : Das Ich in Begegnung des imaginä-ren anderen P : Das Gesetz /Der Name des Vaters. A : Der große Andere.

In der rechten Abbildung nun, die sich auf die Analytische Psychokatharsis bezieht, ist zu sehen, wie man im Verständnis und im Symbolisierungsvorgang weiter gehen kann als in der herkömmlichen Psychoanalyse und damit auch mehr vom Imaginären in die psychische Bearbeitung einbezieht. Das Bionsche O, der ‚Origin‘, aber auch der ‚Other‘ (Andere) und die Null, thront über allem als scheinbar unerreichlich, als außerhalb von allem und jedem, als O einfach, als Kreis, als Jenseitssymbol ohne weitere Zuschreibungen. Aber es ist eben doch auch Teil der Buchstabenfolge, der B(r)uchstaben, wie sich ein Psychoanalytiker einmal ausgedrückt hat, um das Wesen des Unbewussten zu charakterisieren. D. h. es ist Teil der Rede, des Sprechens insbesondere des Sprechens in der Psychoanalyse.

Ich kann hier nur nochmals auf meine zahlreichen Veröffentlichungen verweisen, in denen ich das Wesen der Analytischen Psychokatharsis mittels der sogenannten Formel-Worte beschrieben habe, die – meditativ geübt – exakt in die gleichen Schnittstellen des Unbewussten eingreifen und so den erwähnten Symbolisierungsvorgang noch direkter und auch ohne physische Gegenwart des Therapeuten verwirklichen. Das Trapez des Realen fällt dann schmaler aus, S-I-S-A wird zum Identitätswort, zum Eigennamen, zum Pass-Wort, das die Triebregungen in einer Weise erfüllt, die ich als ‚autochthones Genießen‘ bezeichnet habe. Klassische Psychoanalytiker und speziell auch Lacanianer nehmen mir das nicht ab. Doch sie erklären Lacan nur, sie buchstabieren ihn, sie haben ihn nur verstanden und nicht wirklich begriffen, um was es ihm ging. Er wollte einen möglichst direkten Symbolisierungsvorgang aus dem Unbewussten.

Er wollte ein ‚envers‘ (anders herum) der Psychoanalyse (so der Titel seiines 17. Seminars), ein ‚enfer‘ (Hölle), um mit einem Wortspiel zu antworten, das Lacan so gerne benutzte. Bei der Analytischen Psychokatharsis muss man mittels Meditation durch die Hölle, durch  ‚anders herum‘ der Psychoanalyse hindurch, aber man erspart sich die so oft in Abhängigkeit ausartende herkömmliche Therapieform, das herkömmliche ‚Setting‘, das in der ständigen Gegenwart und Gegenübertragung, Widerständigkeit und manchmal zu direkter Nähe des physischen Therapeuten besteht. Auch muss man nicht hunderte von Stunden zu den Sitzungen fahren, sondern kann es sich zu Hause oder in der Natur bequem machen.

Das Entscheidende sowohl in der Psychoanalyse wie auch bei der Analytischen Psychokatharsis sind diese Bruchstellen, interfaces, Schnitte im einheitlich-einzigen Schriftzug. Am besten kann man dies anhand dessen verstehen, was Freud die Urverdrängung genannt hat. Sie ist eine vor den üblichen Verdrängungen anzunehmende Schnittstelle im Unbewussten bzw. ist selbst Ausdruck, Konstitution des Unbewussten. Der ‚Schnitt‘ ist bei Lacan ein ganz zentrales Element seiner Seelenwissenschaft. Nicht nur, dass schon Freud vom Kastrationskomplex gesprochen hat, wo der ‚Schnitt‘ deutlich herauszuhören ist. Auch im Versprecher, wo ein Schnitt durch einen Buchstaben bei einer Anspreche aus einem Professor einen Prozessor machte oder wo die frühere französische  Justizministerin R. Dati statt Inflation von Fellatio gesprochen hat, der Schnitt also mehrmals durch die Formulierungen geht, wie in der Abbildung gezeigt ist.

                                 in  f   l    atio  n

                                      f ell   atio

Dies ist  ein gelungenes, wenn auch für die Betroffene sehr peinliches Beispiel des Schnitts, der durch die Psyche geht.  Die Abbildung zeigt die Verrutschungen der Wort-Klang-Bedeutungen. Hier wird nur das ‚in‘ platztauschend zu dem, dem ‚f‘ nachgestellten ‚e‘. Das Unbewusste wollte also offensichtlich etwas anderes sagen, als die bewusste Rede. Es hat etwas aus dem Privatleben von R. Dati mit minimalen Buchstabenvertauschungen (daher sind sie eben auch B(r)uchstaben) herausgeschnitten. Aber der Schnitt besteht in der Psychoanalyse oft auch im Ende einer Sitzung, im Tonfall einer Aussage, im Umschlagen eines Gefühls wie z. B. von Liebe in Hass. Das Unbewusste ist ein Schneidemesser, und als der extremste Schnitt kann eben die Urverdrängung gelten, die den Anspruch von Begehren und das unbewusste Es Spricht der Sprechlust vom ebenso unbewussten Es Strahlt der Schaulust trennt. In der Meditation, wie in der Analytischen Psychokatharsis, wird der Schnitt jedoch sofort mit Beginn der Übung zu einer Naht, die den Schnitt schließt und ständig weitergeführt werden muss, bis die Seele geheilt ist.