Marx, Freud, Lacan und ich.

In diesem Jahr wird der 200. Geburtstag von Karl Marx gefeiert. „Die Produktion produziert nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt“, schrieb Karl Marx in seiner Abhandlung ‚Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie‘, „sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand“. Die Produktionsverhältnisse waren also der Motor eines in sich geschlossenen Kreislaufs, in dem das menschliche Subjekt und die Gegenstände, die Objekte, hoffnungslos in etwas Wirklichem eingespannt waren, nämlich der Ökonomie als der entscheidenden Triebkraft. Nur wenn man die Produktionsverhältnisse ändern würde, gelänge eine Besserung dieses Wirklichen. Doch um dies zu tun, musste man die ausbeutenden Produzenten ablösen. Die sie ablösenden Proletarier aber wurde dann sehr schnell selbst wieder Ausbeuter, wie die Geschichte inzwischen deutlich gezeigt hat. Sie nannten sich zwar nur Funktionäre, aber der Bedeutungswechsel war nicht echt und wahrhaftig. Die ganze Sache stimmte nicht.

 Es gab noch eine andere Triebkraft, die Freud entdeckt hatte, nicht die Sexualität, aber das unbewusst Libidinöse, das verschleiert und versteckt Sexuelle. Wie bei Marx waren die Objekte mit dem menschlichen Subjekt heillos verwickelt, aber nicht aus ökonomischen, sondern libidinösen Gründen. Nicht die Dialektik der Klassen war das Problem, sondern die der Geschlechter. Dabei kam Freud zu dem Schluss, dass es – wenn man es vom Sexuellen her sieht – eigentlich nur ein Geschlecht gibt, das ‚phallische‘, denn es bestimmt die gesamte Symbolik von Mann und Frau. War es bei Marx der Primat der Ökonomie, so war es bei Freud der des ‚Phallischen‘, der das Wirkliche in den Beziehungen zwischen Mann und Frau ausmacht.  Doch auch diese Lösung stimmte nicht ganz. Kunst und Religion ließen sich darin nicht völlig einschließen.

Freuds Nachfolger Lacan formulierte die Dinge daher dann so: „Ein Signifikant, ein Bezeichner, ‚Bedeuter‘, repräsentiert ein Subjekt für einen anderen Signifikanten“. Dieser Ausspruch stimmte jetzt zwar, aber es hat ihn niemand verstanden. Er ist auch schwer zu verstehen und vor allem sehr stark im rein theoretischen Bereich angesiedelt, aber kann man ihm nicht vielleicht doch eine praktische Seite abgewinnen? Es geht ja offensichtlich darum, dass das menschliche Subjekt und die Objekte, also die Gegenstände, nicht in einem Produktionskreislauf gefangen sind, zumindest nicht im allein entscheidenden Ausmaß. Sie sind auch nicht unbedingt im Primat des ‚Phallischen‘ gefangen. Viel mehr sind sie in einem Bedeutungskreislauf gefangen, in der „Kette der Signifikanten“ wie Lacan dies weiterhin artikulierte. Doch das darin eingespannte Subjekt Mensch ist ja selber ein Bedeutungsgeber, ein ‚Bedeuter‘, und so könnte er selbst zu einem positiven Bedeutungswechsel beitragen, wenn er diese Zusammenhänge verstehen und ihre Bedeutung flexibel handhaben würde.

Denn nunmehr existieren nicht nur zwei Faktoren, der Produzent und der Proletarier, das Subjekt und der Gegenstand, Mann und Frau, der eine und der andere Signifikant, sondern d r e i, eine Triade, eine Drittheit. Der oder das Dritte muss jedoch etwas sein, das in seiner Signifikanz hier nicht einfach so, wie dies die Philosophen früher gemacht haben und es auch die Psychoanalytiker inzwischen meistens tun, direkt hingeschrieben, also direkt erklärt, direkt ausgebreitet wird. Jedes einzelne Subjekt muss ja hier mitwirken können, damit Bedeutung wirklich Bedeutung ist, also Bezeichnung und Gewichtung. Der eine Signifikant repräsentiert ein Subjekt ja nur dadurch, dass es bezeichnend ist für den anderen Signifikanten, der dadurch gewichtet, also bedeutend, wird. Damit will ich vor allem sagen, dass es sich nicht nur um Sprache, Symbole, Bilder und Logik handelt, sondern, dass wie bei Marx und Freud eben auch das Wirkliche miteinbezogen ist.

Nur wenn jeder Einzelne mitwirkt als der jeweils Dritte, kann somit eine Lösung gefunden werden. Ich und mein Text müssen daher jetzt die Szene verlassen. Es muss eine wirkliche Drittheit zustande kommen, indem der Einzelne das Ökonomische, das ‚Phallische‘ aber auch das Signifikante für sich klärt. Nur so kann man aus den Kreisläufen ausbrechen. Der Einzelne übernimmt damit die Gewichtung und kann somit ein bedeutender Einzelner werden. Das so gern zitierte Wir, das Wirgefühl hilft hier allein nicht. Ich kann nur noch den Hinweis auf einen Schlüssel geben, in dem wenigstens rein formal, sozusagen algorithmisch diese Drittheit vorgegeben ist und man mit diesem Schlüssel übt. Damit schreibe ich nichts vor, argumentiere nicht, bin nur ein Glied in der Kette der Signifikanten. Unter den Begriffen Formel-Worte und Analytische Psychokatharsis sind Details dazu abrufbar. Mehr kann und sollte ich auch nicht tun.