Harari, Denett und andere All-Round-Philosophen

Bücher von All-Round-Wissenschaftlern wie Damasio, Dennett, Pinker, Harari, Eagleman und viele andere versuchen heutzutage in umfangreichen Büchern interessant und geistvoll den großen Überblick des Menschseins zu vermitteln. Dennett spricht bei den Lebewesen von einer biologischen bottom-up App der Gene, die übergeht in eine geistvolle Top-down App sogenannter ‚Meme‘.  Beide sind durch eine großartige Analogie verbunden, da sich beide speziell rekursiv erneuern können. Die Gene tun dies kompetent, aber ohne jedes Ver-ständnis, während die in der Folge durch ‚frei schwebende Grundprinzipien‘, Verhaltens-formen und letztlich durch die Sprache zu Kompetenz mit mehr und mehr Verständnis ge-brachten ‚Meme‘ zur künstlichen Intelligenz mit nunmehr vollem Verständnis führen kön-nen. Lapidar erklärt er zum Schluss, dass so etwas zur Gefahr werden kann, wenn man die Grenzen nicht kennt. Für sein Buch hat er tausende von Seiten wissenschaftlicher Veröffent-lichungen gelesen, herausgekommen ist ein hochintelligentes Bla-Bla. Für den Mann auf der Straße ist nichts dabei.

Zudem: Die Meme sind nichts anders als die seit hundert Jahren bekannten ‚psychische Ob-jekte‘ Freuds, die dem Eros-Lebens-Trieb als Stütze dienen, um sein Befriedigungs-Ziel zu erreichen. So ist z. B. das ‚Orale‘, das Lustobjekt des Gourmets, etwas inneres psychisch Fixiertes, ein ‚Memory-Stück‘, die Meme sind also nichts neues, aber Dennetts Buch schwelgt in der Verständnislust, und dafür braucht es eben neue Namen und eine – sicher bewundernswerte – enorme Anzahl von Wissenschaftsbelegen, ohne jedoch am Ende dem Leser etwas Festes in die Hand zu geben. Der Philosoph M. Foucault hat hartnäckig nachge-wiesen, wie man durch ständiges Reden, Herumdeuten und gar wissenschaftliches Erfor-schen den lebendigen menschlichen Eros erdrücken kann. Doch die Bewusstheitsforscher machen es umgekehrt, sie ignorieren ihn, um sich die Macht an der Lust zu sichern, wie Foucault sagt, der Sokrates und die Antike, in der es noch eine ‚ars erotica‘ gab, sehr schätz-te. In Dennets neuesten Buch wird das Wort Liebe, Eros oder Sex kein einziges Mal erwähnt. Dies ist auch bei Damasio so, bei dem Ameisen Geist haben, im menschlichen Gehirn sich aber nur Programme zur Überlebensfittness auftürmen.
Freilich erscheint uns Sokrates heute zu mystisch, aber er hatte außer dem Verstand noch Seele, Herz, Eros und Phantasie. Er brachte sich selbst mit ein, während die Bewusstseins-philosophen wie Dennett und die anderen oben erwähnten dieser Kognitions-Wissenschaftler sich als Subjekt des Unbewussten ganz aus dem Spiel lassen. Sie wollen alles objektalisieren und geben ihre Angst nicht her. Dennett und seine Kollegen kämpfen darum, Sachwalter des Wissens, Kenner der Wahrheit und die am meisten renommierten Autoren zu sein. Sie sind Maniker, aber nicht solche des philosophischen Eros, wie Sokrates dies war, sondern die ihres Egos. Sie reden viel zu viel daher, bringen tausende von Wissenschaftsbelegen, aber sagen damit nichts. Während die Neurotiker meist ohne viel Gedanken drauflos sprechen, und es dabei ganz klar ist, dass sie den Worten nicht die volle Bedeutung geben, schreiben die Philosophen zu überlegt, überdeterminierend komplex, so dass der Sinn zertrampelt wird, von dem sie behaupten, ihn zu kommunizieren.
Für Lacan dient die Sprache nicht in erster Linie zur Kommunikation, sondern zur Enthül-lung. Sie war als symbolische Ordnung immer schon da, wie es ja auch der Philosoph L. Wittgenstein mit der Logik als solcher, die transzendental, also außerhalb der Welt liegen muss, erklärt hat. Und Freuds Psychoanalyse steht dem nicht nach, in ihr muss jeder seine unbewussten Phantasien, seine Angst und seine von sich selbst gemiedenen Gedanken her-ausrücken. So ist Sokrates Lehre vom philosophischen Eros ist dennoch wesentlich, wenn wir auch einen neuen Zugang zum wahren und vollständigen Menschen bräuchten. Dem kann auch der ‚aufregendste Denker der Gegenwart‘, Y. N. Harari nicht abhelfen. Auch er schreibt Bücher voll hoher Intellektualität, in denen außer Allgemeinplätzen und einer Favo-risierung von künstlicher Intelligenz und deren Algorithmen nichts gesagt wird.
Schon in seinem ersten Buch ‚Eine kurze Geschichte der Menschheit‘ erzählt er zuerst ein-mal nichts anderes als das, was schon lange vor ihm Bill Bryson in seinem Buch mit dem fast gleichen Titel ‚Eine kurze Geschichte von fast allem‘ beschrieben hatte. Allerdings deu-tet Harari schon hier an, was in den späteren Veröffentlichungen noch ausgearbeitet wurde, dass die Zukunft der Menschheit in der Verbindung in der Bionik und der Künstlichen Intel-ligenz liegt, während Brysons Buch damit schließt, dass er hofft, die Menschen würden nicht alle anderen Lebewesen ausrotten und wir uns um die Natur kümmern sollten. In Hararis zweitem Buch ‚Homo Deus‘ wird die Weltgeschichte und der Mensch auf immer komplexer werdende Algorithmen reduziert. Gleich zu Anfang schon behauptet er, dass ganz zu An-fang, nämlich „im animistischen Kosmos jeder mit jedem direkt geredet hat“.  Algorith-misch, versteht sich, denn Verbalsprachliches gab es noch nicht. Und von Signifikanten, die es schon gab und die Lacan sie an diese Stelle setzen würde, weiß Harari wiederum nichts. Denn er meint, niemand könne beweisen, dass ein anderer so wie man selbst über Geist ver-fügt.  Die Menschen gehen im Datenfluss auf, ob der nun Geist heißt oder Materie, ist egal.
Und so geht es auch in Hararis dritten Buch weiter. I, Kapitel Nr. 16 z. B. erklärt er, dass man nie alle Zusammenhänge wissen kann und daher ständig betrogen wird und dass man nichts dagegen zu tun vermag, weil alles so komplex vernetzt ist. Aber was ist daran neu? Natürlich ist die Internetbetrügerei etwas gang anderes als die Taschenspielertricks früherer Zeiten. Und freilich, muss man Roboter nicht umbringen. Doch dass sich dies nur deswegen so empfiehlt, weil wir selbst so viel robotische Anteile in uns haben, und es daher egal ist, auf welcher Seite das Gute steht, ist tatsächlich nur künstlich, starr, unerotisch intelligent, egal ob es ein Mensch oder ein Roboter von sich gibt. Dass man in einer Psychoanalyse nicht dem Datenfluss, sondern dem enthüllenden Spiel der Signifikanten lauschen kann und dass man sich intersubjektiv soweit verständigen kann, dass klar ist, dass es sich bei allen, die dabei mitwirken um Geist handelt, weil sie die Wahrheit als Ursache anerkennen, ist Harari nicht bekannt. Er verbleibt in dem ständigen Spiel, in dem das Wissen stets nur pro-grammatisch ist und sich die Frage nach seiner Wahrheit nicht stellt. Für ihn konstituiert sich das Wissen „nicht polar zur Beziehung auf die virtuelle Position einer zu erreichenden Wahrheit.“  
Wohl deswegen und weil er merkt, dass alles im superintelligenten Geschwafel untergeht, hat es selber anfangen zu meditieren und empfiehlt sich in dieser Form auch allen anderen. Doch er verwendet eine buddhistische Vipassana-Meditation, in der man sich auf den Atem oder Körperempfindungen konzentrieren muss. Der bekannte Yoga- und Meditationslehrer Sant Kirpal Singh hatte schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass eine Konzentration auf den Atem negativ ist, denn bei erweiterter und intensiverer Konzentration ist das Be-wusstsein des Atemvorgangs sehr hinderlich. Die Verinnerlichung des Atemvorganges hat sich dann soweit fixiert, das höhere Erfahrungen dadurch behindert werden. Ich empfehle daher das auf der Webseite >analytic-psychocatharsis.com< geschilderte und auch in vielen Büchern veröffentliche Verfahren als wirksamer und hilfreicher. Denn damit setzt man den Algorithmen und der künstlichen Intelligenz ein starkes Statement gegenüber, in dem auch die Liebe zu sich als transzendenzfähigem Menschen oder der sokratische, philosophische Eros, nicht zu kurz kommt.