Der Borromäische Knoten II

In Fortsetzung von Artikel I beschreibe ich hier die Anwendung des Bo-Knotens auf die Analytische Psychokatharsis. Das zentrale, mit dem kleingeschriebenen ‚a‘ gekenn-zeichnete Feld in der Mitte des Knotens hat so in etwa den Charakter des aus der Astrophysik her bekannten ‚Schwarzen Lochs‘. Dieses von Lacan also als das Loch, als der Lochrand, bezeichnet, den das Symboli-sche ins Reale bohrt, wird von den ‚Objekten‘ des Be-gehrens, den klein zu schreibenden ‚a‘ immer wieder verschlossen, zugestöpselt. In der Analytischen Psychokatharsis sitzt hier das ‚Objekt‘ der Meditation,  ein aus den Strahlt und Spricht zusammengesetztes ‚Ding‘, das auf dem Weg ist zum ‚Ding an sich‘, zum Lacanschen ‚Ding‘, zur Höhe und zum

Ziel des ganzen meditativen Vorgangs zu werden. Umgekehrt wie in der Psychoanalyse werden von vornherein Symbolisches und Imaginäres zugunsten des Realen möglichst wenig in Anwendung gebracht.

Vielmehr werden sie bei der ersten Übung in der zu-sammengeschrumpften, kompaktifizierten, konkretisti-schen Form der Formel-Worte und der Konzentration auf das, was irgendwie, also wie auch immer, den Charakter des unmittelbaren des Strahlt hat praktisch ausge-schlossen. Obwohl das Strahlt ja für das Imaginäre steht, kann man dies trotzdem auch für diesen Bereich behaupten, dass das Strahlt hier zumindest theoretisch als reine Luzidität verstanden werden kann, als Minimum der Drei, wie Lacan sagt.  Vom Aufblitzen einer Helligkeit, einer „Luzidität“ beim Erwachen spricht Lacan auch in seinem Seminar XXII, wo er zudem auch betont, dass die eigentliche Realität des Blicks in einem Punkt der Unendlichkeit besteht, egal von woher betrachtet.  Exakt dies betrifft das von mir verwendete ‚Es Strahlt‘ in seiner Ur-Form, die in diesem Beispiel Lacans auch nur ganz kurz besteht.


Das Strahlt ist kein ‚Objekt‘ ‚a‘ mehr, das das Loch in der Mitte des Knotens zustöpselt, besitzt aber trotzdem noch die Konsistenz, indem es strak die Bildhaftigkeit zusammenhält. Tauchen in der Meditation der Analyti-schen Psychokatharsis Bilder auf, sei es aus Erinnerun-gen, Verdrängungen oder aktueller Art, so werden diese durch das gleichzeitige Wiederholen der Formel-Worte im Zaum gehalten. Deren kompaktifiziertes Symbolisches kann jedoch nicht mehr (oder kaum noch) Symp-tom werden, denn es ist ja nur noch ein ‚Laut‘, ein Spricht, das „Klangobjekt“, Primärprozess des Sprech-triebs. 


Wenn Lacan sagt, dass es keine „seelischen Zustände“ gebe, so gilt dies für die Analytische Psychokatharsis nicht in derselben Weise. Kommt nämlich das Strahlt / Spricht in eine gelungene, ideale Kombination, wie es ja  mit dem ‚Objekt der Meditation‘, dem ‚Ding‘ der Fall ist, ergibt sie etwas, das man einen seelischen Zustand nennen kann. Auch Lacan sagt an anderer Stelle sagt, dass es das „Imaginäre auch ein anders Reales“ sein kann, also – unter Umständen – sehr wohl so etwas wie ein Zustand. Beim längeren Üben mit der analytisch kathartischen Methode kommt es grundsätzlich zu ‚Zuständen‘, die eben in jenem ‚Ding‘ bestehen können, die das autochthone Genießen und auch all die Komponen-ten einschließt, die ich unter Bo-Knoten I als von der Psychoanalytikerin R. Golan aufgeführt beschrieben habe.


Das ‚Ding‘ wird somit hauptsächlich von der Katharsis her geschaffen, es nimmt die schon erwähnten Formen eines Luziditätspunktes, dieses Minimums der Drei, eines – wie Mystiker gerne sagen – ‚schwarzen Lichts‘, einer körperbezogenen Spiegelung, die sich auch wie ein ‚Durchrieseln‘ auswirken kann, und vieler anderen „ult-rasubjektiver Ausstrahlungen“ an. Letztlich, bei einiger Zeit des Übens, kommt jedoch das ‚Ding‘ als solches zustande, die ‚Jouissance‘, das autochthone Genießen, weil der ganze Konzentrationsvorgang durch die Einbe-ziehung gedanklich wiederholter Formel-Worte eine Konkretisierung erhält, die man in der Psychoanalyse das ‚Symptom‘ nennt. Hier jedoch, in der Analytischen Psychokatharsis, leitet es über zur zweiten Übung, die dem ‚Ding‘ seine Eigennamen gibt, die ich also Pass-Worte geheißen habe.


Wie die Formel-Worte sind auch die Pass-Worte „ultra-reduzierte Phrasen“ – so nennt Lacan dieses Gemisch aus Imaginärem und Symbolischem im Unbewussten. Sie sind aber in völlig unterschiedlicher Weise solche Phrasen. Bei den Formel-Worten liegen mehrere Bedeu-tungen in einem einzigen Schriftzug vor, die Pass-Worte dagegen legen eine Bedeutung nahe, die meist sofort erkannt wird (oder etwas nachgedeutet werden muss). Auf jeden Fall trägt dies genauso zum ‚Ding‘ bei wie die Katharsis. Denn die Katharsis stütz ja auch den Sinn, der zwischen dem Ring des Imaginären und Symbolischen eingezeichnet ist. Da er jedoch unmittelbar aus dem Unbewussten kommt, hat er einen stärkeren Bezug zum realen, als dies in der Psychoanalyse üblich ist. Denn er kommt genau von dem ‚Ex‘ her, von dem aus der Reale ‚Sistiert‘.
An dem Entstehen der Pass-Worte ist nämlich eine Kombinationsmaschinerie beteiligt, die der Mathematik nahesteht, in der laut Lacan das Genießen des Realen stattfindet. 


Im Unbewussten wird von einem „Sprachstrunk“ ausgegangen, man könnte wortspielerisch wieder von einem ‚Wurzelsprechen‘ reden, vom „Sprachmyzel.“ „Die Traumdeutung ist ein psychisch höchst aggressiver Akt“,  man muss das Myzel des Traums in Stücke zerlegen und so dem Patienten sein illusionäres Genießen brutal zerstören. Dieser Vorgang ist bei den Pass-Worten nicht so problematisch, auch wenn man manchmal – wie gerade erwähnt – ein paar Einfälle dazu steuern muss, was das Pass-Wort, das aus den myzelartigen Netzstücken des Unbewussten herauskommt, wirklich sagen will, und seine Wahrheiten auch unangenehm sein können.


Auch der Psychoanalytiker Kläui erwähnt zur Erklärung des Sprach-Bild-Überganges vom Unbewussten zum Vorbewussten, aber auch direkt zum Bewussten, Lacans Bild eines ‚gewebten Myzels‘, also eines Flechtwerks, das Elemente  ‚normaler Ausstrahlungswirkung‘ (Bild-zeichen, Strahlt) mit denen sich verdoppelnder Verlautungen (Sprachzeichen, Spricht) verbindet und so zur Konstitution des Unbewussten in Form einer ersten und radikalen Funktion der Artikulation des Subjekts wird.  Hier kommt man dem Realen nahe, aber in der Analyti-schen Psychokatharsis wird es direkt erfahren, weil es in seinem ‚Ding‘ von drei strukturell sich völlig gleichartig auswirkenden Elementen getragen wird: dem Imaginä-ren der Katharsis, dem Symbolischen der Formel-Worte und dem Realen der Pass-Worte.


Der Borromäische Knoten, auf dessen „ultrasubjektivem Ausstrahlen“ nun auch die „ultrareduzierten Phrasen“ geschrieben sind, (wenn ich es einmal mit diesen Aus-drücken sagen kann) wird aber nur Garant für irgendet-was Sinnvolles und wahr Reales, wenn man ihn in der angegebenen Form der zwei Übungen in der Analyti-schen Psychokatharsis trainiert. Um ihn dazu zu ma-chen, muss man also mit ihm üben. Dadurch, dass ich Buchstaben auf ihn geschrieben habe, gebe ich diesem Üben ja die Möglichkeit, ihn  nicht nur wie blöd und traumverloren zu verwenden wie es Lacan empfohlen hatte, sondern zielbewusst, wissenschaftlich orientiert. Ich habe ja angekündigt, dass an dieser Wissenschaft jeder teilnehmen können sollte, dazu genügt es eben nicht, dass er mein Wissen oder dasjenige all der Leute einschließlich Lacans nur kopiert. Er muss etwas völlig Eigenständiges ganz selbstständig durchführen können.


Dazu benötigt er eben nur die drei Werkzeuge: das Strahlt, das Spricht am besten geschrieben mit dem Schrägstrich des Realen dazwischen. Oder die drei Ringe des Bo – Knotens mit den Buchstaben darauf. Obwohl für mich alle drei Bezeichnungen auf der gleichen Ebene liegen, ist es doch gut eine eigene Nomenklatur zu  haben. Diese schließt als Laut (Spricht) - Bildliche (Strahlt) - Kette (Reales) das Symbolisch-Imaginär-Reale des Bo – Knotens ein, ja lässt sich eben als solches vorstellen wie in den Abbildungen, wo Buchstaben auf die Boysche Fläche bzw. eine topologische Darstellung des Bo-Knotens geschrieben sind.


Obwohl für mich alle drei Bezeichnungen auf der glei-chen Ebene liegen, ist es doch gut eine eigene Nomen-klatur zu haben. Diese schließt als Laut (Spricht) - Bild-liches (Strahlt) - Kette (Reales) das Symbolisch-Imaginär-Reale des Bo – Knotens ein, ja lässt sich eben als solches gleichwertig vorstellen. Ich habe die Buch-staben im vierten Kapitel zuerst einmal nicht auf den Borromäischen Knoten sondern in einem einfachen Kreis und in der Abbildung 3 auf ein Möbiusband ge-schrieben vorgestellt. Jetzt passte es sie auf andere To-pologien zu schreiben, die mit dem Bo-Knoten völlig untereinander austauschbar sind, vor allem, solange sie die grundlegende  Triade, Trinität, Mehrheit von Dreien oder darüber geometrisch einwandfrei vermitteln. Sinn der Formel – Worte wird ja nur sein, dass man mit ihnen üben kann, indem sie mit der gleichen lautbildlichen Form in das ebenso gestaltete Unbewusste eingreifen können.


Damit kann ich auch zu den Freudschen Formeln von Hemmung, Symptom und Angst hinsichtlich der Analy-tischen Psychokatharsis Stellung nehmen. Es kann beim Üben dieses Verfahrens Angst auftreten, jedoch liegt dies nicht nur daran, dass mit den Übungen ja das reale besser erreicht und in der seelischen Reifungsvorgang einbezogen wird als in der klassischen Psychoanalyse. Es liegt auch daran, dass man das im vierten und nochmals zusammenfassend im 10. Kapitel erklärte Verfahren nicht auch vom Verstand her genügend erfasst hat. Das Verfahren ist in seiner Anwendung wirklich einfach, wesentlich ist aber auch verstanden zu haben, dass die Struktur der Formel-Worte eine Entdeckung ist, die Bildhaftes und Worthaftes in idealer, konkretester Weise mit der identischen Struktur des Unbewussten verbindet.


Damit ist eine wissenschaftliche Begründung erreicht, auf die man sich verlassen kann, so dass beim Üben im Grunde genommen keine Angst aufzutreten braucht. Geschieht dies dennoch, so genügt es die Formel-Worte weiterhin monoton, eins nach dem anderen, aber trotz-dem betont rein gedanklich zu wiederholen. Ansonsten bleibt eine Hemmung bestehen, die symptomatisch werden kann, wenn man nicht – zumindest einmal – den Zustand erreicht hat, in dem eine seelisch-körperbezogene Einheitserfahrung beim Übergang von der ersten zur zweiten Übung erfahren wird. Da nämlich treten Sinn Und ‚Ding‘ gemeinsam auf und geben dem Verfahren seien Abschluss.