Yoga and Psychoanalyse - Überarbeitet

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aufzulösen, kann der Therapeut jedoch nicht gleich mit einer „gesättigten“, d. h. im Sinn zutreffenden Deutung kommen. Er muss erst „ungesättigte“ Deutungen anbieten. Er kann nicht nach ein paar Sitzungen, in denen der Patient ihm die Ungerechtigkeiten seiner depressiven Mutter erzählt hat, sagen: „Sie kommen nur zu mir, weil Sie sich an mir für das rächen wollen, was Ihre Mutter Ihnen angetan hat.“

Selbst wenn dies wahr ist, und eben wirklich aus der Übertragung heraus richtig gedeutet ist, muss er zuerst einmal die schlimme Situation des Patienten aufgreifen, sie bestätigen und nach und nach dahin führen, wo die Wahrheit in ihrer unangenehmen Form ausgesprochen wird. Die Auflösungsarbeit der Übertragung erfasst jedoch meist nicht nur diese wenn auch schwierigen, so doch auch praktikablen Formen. Es gibt auch ganz archaische, wilde Übertragungen wie sie z. B. J. J. Gedo beschrieben hat.16 Hier stehen oft totale Verschmelzungswünsche im Vordergrund, und frühere, direktere Kombinationen des Strahlt / Spricht wie ich sie in den Blickbeziehungen beschrieben habe, können nicht berücksichtigt werden. Dies gilt auch für zu stark idealisierende Übertragungen, wie sie z. B. für die Übertragung auf den Guru typisch sind, oder erotische Übertragungen, die in selbstquälerischen Liebeswünschen steckenbleiben.

Dieses zentrale Übertragungs-Geschehen und dessen Auflösung existiert also auch im Yoga. Auch hier überträgt man Gefühle und Bedeutungen auf den Guru, aber sie werden nicht so direkt, nicht so intellektuell und persönlich bearbeitet und dadurch aufgelöst. Im Yoga überträgt der Adept aber nur zum Teil unbewusste Bedeutungen auf seinen Yoga-und Meditations-Lehrer. Zu einem anderen Teil findet eine ganz andere Art derÜbertragung statt, nämlich eine zwar ebenso positive Einstellung, die sich jedoch auf das Dunkel, auf das Nichts und die Leere in der Meditation selbst richtet. Ich habe diese kombinierte Art der Übertragung daher mit dem Begriff der Ur-Übertragung gekennzeichnet. Sie ist sozusagen ursprünglicher, stärker, umfassender, und so muss mit ihr auch anders umgegangen werden. Sie korreliert besser mit dem Begriff der Ur-Verdrängung, die Freud als aller Verdrängung vorlaufend in Form einer Art von seelischer ‚Gegenbesetzung‘ konzipiert hat.

16 Gedo, J.J., The psychoanalytic management of archaic transferences, Am J. Psychoanal. Ass. 25 (1977) S. 787-803