Yoga and Psychoanalyse - Überarbeitet

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2. 2 Übertragung und Ur-Übertragung

Nach den vielen zum Teil auch kritischen Bemerkungen zu Yoga, Meditation und Esoterik will ich nun kurz zur Psychoanalyse in gleicher Weise Stellung nehmen. Denn ich sehe auch die herkömmliche Psychoanalyse kritisch, wie übrigens auch viele Psychoanalytiker selbst.14 Ausnahme stellen für mich lediglich einige der begrifflichen Instrumente aus der Lehre Lacans dar, die ich in meine Formulierungen mit aufnehme. Lacan geht davon aus, dass die Welt mit einem grundsätzlichen Mangel ausgestattet ist, einem Minus, mit etwas, das nicht nur in der Natur fehlt, sondern auch im menschlichen Seelenleben wie völlig abgespalten und verworfen ist. Das, was wir eine allgemeine Norm und Kultur nennen, ist nur ein gewisser Ersatz, der die „Verwerfung“ (forclusion) ausgleichen soll. Seit ein paar tausend Jahren orientiert sich diese kulturelle Norm am Vatermythos, an der Gestalt eines schöpferisch Mächtigen. Diese Betonung des Vaters als entscheidenden Richtliniengeber erreicht jedoch nicht die letzte Vater-Metapher, die sagen würde, was es heißt, wirklich Vater zu sein, Wort des Vaters, aber auch Vater des Wortes.

Auch der monotheistische Vatergott hat dieses Ziel nicht erfasst, wie man schon daran sehen kann, dass Normen, selbst wenn sie fast passgenau monotheistisch sind, sich mörderisch bekämpfen. Nun gibt es außer der sogenannten Norm, der Sozietät und Kultur noch die Perversionen und die Psychosen, die Verrücktheiten. Die Perversen verwerfen das, was man in der Psychoanalyse die ‚symbolische Kastration‘ nennt, also die Hemmung, Mahnung zur Mäßigung, die Triebreduktion. Die Verrückten dagegen verwerfen den Vatermythos. Sie wollen sich nicht an diese für die Norm so ideale Stütze des sozialen, genetischen oder religiösen Vaters halten. Sie ergeben sich einfach ihrem Gefühl, der Eigenliebe oder einem religiösen Wahn. „Die Psychotiker“, sagte Freud, „lieben ihr Symptom wie sich selbst.“ Sie verwerfen das Liebe des ‚lieben Gottes‘, auf den sich alle als höchste Instanz geeinigt haben, so wie eben der Perverse das Verbot der Hemmungslosigkeit verwirft. Aber den Normalen, den angepasst Normierten, geht es nicht besser. Sie verwerfen sich selbst. Hier klingt der

14 Dahmer, H., Kontroverse. Zur gegenwärtigen Situation der Psychoanalyse, PSYCHE 5 (2014) S. 477 -484