Bild und Sprache

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Mückentanz - er hat die Musik in vielfältiger Weise inspiriert (Bela Bartok z. B.) oder Kinderlieder. So etwas - eine musikalische Version also - leuchtet noch am meisten ein, das Wesen dieses Tanzes wiederzugeben. Dennoch bleibt die Gefahr, dass wir uns wieder nur in Stimmungen verlieren, so wie die Ethologen uns also nur banale Erkenntnisse geben. Also bleibe ich weiter beim Papperlapappere, Lyrik etwa: Mücken, Wasser, Tanz - entzücken ganz, ent . .  Es gibt Rhythmik, es gibt Worte, Tanz und ganz machen die Syllaben voll, aber trotzdem: noch kein Name aus sich selbst. Mosquito Dance? Eine andere Sprache, die Es durch einen anderen Sound herüberbringt? Danza di Zanzare, was für ein Klang! Ballo moscerino, alles umsonst, oder? Lateinisch: culex salta, Mücke tanz! cu-le-xs-al-ta-cu-lex, das Gesetz (lex) tanze, Salz (sal), durch die Nadel (acu), aus der Höhe (ex alta) usw. usw.

Was ist jetzt passiert? Jetzt haben tatsächlich die Buchstaben, Silben, Wortwurzeln zu tanzen begonnen. Schreibt man culex salta im Kreis, ergeben sich viele unterschiedliche Bedeutungen, die einen Lateiner eher verwirren würden, als dass er genau verstünde, um was es geht. Aber das ist es doch! Der Psychoanalytiker wird durch die freien Assoziationen seines Pateinten verwirrt, dieser wiederum selbst durch seine Träume, und doch finden die beiden nach langem reden, zuhören und hin und her den tieferen Sinn, der sie verbindet! So ein Wortspiel kann also tiefere Bedeutung haben, man muss nur wissen wie, warum und wodurch. Vergessen wir alles Bisherige, ich papperlappapere weiter: Das Unbewusste ist strukturiert wie die Sprache des Anderen (des Anderen per se, des grundlegend Anderen, des bedeutenden Anderen)  ist eine der wesentlichsten Aussagen J. Lacans. Das Unbewusste ist genau so aufgebaut wie dieses lateinische Wortspiel, nämlich dass mehrere Bedeutungen (mindestens drei) in einer Formulierung stecken. Auch Gott ist ein solcher Wort-Formel-Knoten, eine Name, der aus sich selbst kommt. Denn dass die obige Formulierung nur bedeutet: Mücke tanz, stimmt nicht, ist einseitig. Sie bedeutet viel mehr, aber dies lässt sich nicht mehr auf einen Nenner bringen. Es, Es selbst muss sich auf einen Nenner bringen, und darin läge der Schlüssel zu der creatio ex nihilo, zu dem aus sich selbst genamten Namen. Indem man derartige Formel-Formulierungen meditiert, findet man ihn.
Nicht nur zufällig haben die letzten beiden Bilder wieder Ähnlichkeit mit dem ersten, einem Netz von Linien, die ein Ge­heim­nis einschließen. „Netz von Linien" ist ein unscharfer Begriff und doch sehr gut geeignet, auch Malerei in unsere wissen-schaftliche Betrachtung einzuschließen. Ex-akt dies ist ja Thema dieser Abhandlung.

Bild-Wort und Wort-Bild, die Synthese

Wir haben also aus den Bildern Worte gemacht und aus den Worten Bilder. Ein - wie gerade gesagt - Netz von Linien schließt beide zusammen. Selbst wenn wir bei der Sprache vom Wortklang, vom „akustischen Bild" reden, so besteht dennoch hier kein Unterschied zu den Linien der Buchstaben. Linien sind auch schon bei dem Familienbild mit dem „roten Faden" aufgefallen und auch in den anderen Bildern könnten wir Linien ausmachen, die die Signifikanz des Bildes betonen. So hatte der Kunstkommentator bei Kirchners „Familie" von den „Verschlingungen" der Farblinien gesprochen und bei Kirchners Bild „Liebespaar spürt man fast den Zwang, den Verschlingungslinien der beiden Körper nach zu gehen. Ich betone dies alles deswegen so, weil in der Psychoanalyse längst ebenfalls der Versuch gemacht worden ist, Liniennetze als Basis der Darstellung unbewusster seelischer Zustände zu verwenden. J. Lacan hat sich hier besonders auf die moderne Topologie gestützt, und ich zeige gleich im nächsten Bild eine zwar künstlerische Ausformung einer derartigen Topologie (moderne, Einsteinsche Geometrie), aber die Struktur des Möbiusbandes (eines Liniennetzes, um sich selbst um 180o verdrehten Bandes, das Lacan bevorzugt verwendet hat) wird trotzdem deutlich sichtbar. Auch versteht man nochmals sofort den Zusammenhang mit den Formel-Worten (hier nochmals das cu-le-xs-al-ta, allerdings mit einem weiteren t am Schluss: saltat, springt). Eine gute Topologie vermag mit der Sprache eine spezielle Verbindung einzugehen derart, dass sie unser Unbewusstes, unser Gehirn, unser „Strahlt / Spricht" besonders angeht, anregt, animiert.

Das kann bei Bildern einer ganz nüchternen Geometrie anfangen, wie z. B. einer Boyschen Fläche, weil deren Innen- und Außenseite so wie Bewusstes und Unbewusstes, begehrende Strebung und Anspruch, Eros und Aggression nur eine zusammenhängende Fläche darstellt, eine Einheit also, die wir nur schwer nachempfinden können, aber deren Zusammenhang wir lernend erfahren könnten. Auch hier, auf dieses geometrische „Strahlt"  könnte man sich wieder ein „Spricht" hineinverwoben vorstellen. Doch ist das nicht die Absicht dieser Abhandlung. Man könnte auch irgendeine Kunst heranziehen, um den gleichen Effekt zu betonen. Allerdings geht es nicht mit jeder Art von Kunst. Hier kommt ein problematischer Zug in das ganze Gewebe der Analytischen Psychokatharsis.  Freud sagte noch, dass er an die Kreativkraft des Künstlers mit seiner Wissenschaft nicht herangehen kann. Ich grenze dies hier etwas ein. Es ist in dem hier verwendeten Sinn nicht alles Kunst, was sich unter diesem Namen firmiert hat. Nicht jede Kunst eignet sich zur Psychotherapie, sonst wären wir - bei der Vielfalt der Bilder, die die Maler uns geschaffen haben - schon längst alle geheilt. Hier geht es natürlich auch um einen wissenschaftlich therapeutischen Ansatz, bei dem man mit einer Nähe  zur Mathematik oder Topologie natürlich (dieses Wörtchen zeigt den Bezug zur Naturwissenschaft) oder selbstverständlich (Bezug zur Geistswissenschaft) besser  reüssieren kann. Aber auch mit der Ästhetik kann man reüssieren. Nur wird es hier vielleicht noch schwieriger.

Nehmen wir ein anderes  Beispiel. Auch in dieses Bild von T. Heydecker habe ich das Formel-Wort hineingeschrieben. Man hätte vielleicht noch besser die Bälle mit Buchstaben markiert, egal, auch dieses Bild eignet sich dazu, dass die dargestel

lten Bälle / Buchstaben sich im Kreis zu bewegen anfangen, so wie es die Übung mit dem alleinigen mentalen Wiederholen des Formel-Wortes eben auch beabsichtigt. Kurz, ich behaupte, dass bestimmte Bilder unser Unbewusstes direkter beeinflussen können als andere, vielleicht im individuellen Rahmen etwas unterschiedlich, aber nicht restlos beliebig. So wie es also von Vorteil ist, ein bestimmtes „Spricht" (nämlich das Formel-Wort) für die Übungen zu verwenden, so gilt dies eben auch für ein bestimmtes „Strahlt" (Bilder, deren Topologie oder Semantik das Unbewusste mehr ansprechen).