Bild und Sprache

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Könnten wir - weiterhin ganz im Sinne der creatio ex nihilo also eine tiefere, zutreffendere und letztliche Synthese schaffen? Eine Synthese, um zwischen dem „Strahlt" und „Spricht" etwas Bildsprachliches zu schaffen, das es dem Subjekt erleichtert Unbewusstes in sich zu integrieren, wie es Freuds zentrales Bemühen kennzeichnete? Im letzten Sinne kann dies - ich betone nochmals: im wissenschaftlichen Sinn - nur mit der psychoanalytisch orientierten Selbsterfahrung gelingen, nur mit einem dynamischen Zugang zum eigenen Unbewussten auch wenn dies im Zusammenhang mit dem Unbewussten aller steht (das sogenannte kollektive Unbewusste ist ein im Endeffekt symbolisch geformtes Netz individueller Linien, eben das Bild-und-Sprache Netz, man kann es sich nicht einfach statisch vorstellen). Die Synthese des „Strahlt" / „Spricht", des Bild / Sprache kann also nur jeder selbst in Angriff nehmen, auch wenn es durch eine Spur vorgezeichnet werden kann, die mit der Analytischen Psychokatharsis gegenüber dem klassischen psychoanalytischen Verfahren noch abgekürzt ist. Man muss also selbst die Übungen machen, das „Durcharbeiten" (wie der Fachausdruck in der Psychoanalyse heißt) der eigenen Komplexe selbst angehen, den eigenen Organismus als Labor für die Erkenntnisexperimente verwenden. Dabei lege ich in diesem Artikel den Schwerpunkt auch auf die Bildhaftigkeit, während in der klassischen Psychoanalyse der Schwerpunkt zweifellos mehr auf der Worthaftigkeit der Dinge ruht.

„Der zerstückelte Körper"

Die Welt, Gott, wir selbst - alles ist in sich zerstückelt, ist gespalten und so sehen wir die wahren Dinge nicht. Das ist eine alte philosophische Weisheit, die die Psychoanalyse nur auf wissenschaftlichem Wege neu formuliert hat. Deswegen habe ich hier bisher auch Bilder bevorzugt, die diese Zerstückelung etwas wiedergeben. Picassos Bilder brauche ich dazu nicht hier zu zeigen, jeder kennt sie, die Figuren sind fast mehr als zerstückelt und doch setzt der Betrachter sie wieder in irgendeiner, von ihm selbst etwas mit beeinflussten Weise wieder zusammen. Synthese. Doch die Synthese glückt nicht ganz, man müsste noch mehr über den Maler wissen, müsste die Stimme seiner Zeit und noch zusätzlich eines das Ganze abrundenden Gedankens hören, dann wäre die Synthese perfekt. Dann bräuchte man nicht einmal mehr Analytische Psychokatharsis üben. So aber werde ich noch ein paar Bilder und Buchstaben anfügen. Nehmen  wir z. B. einmal dieses hier. Es spricht nicht nur aus, dass es von seinem eigenen Begehren geschützt sein will, es bietet auch noch paradoxerweise seine begehrlichen Lippen an. Das was Lacan das psychische Stadium des „zerstückelten Körpers" nannte (das Kind erlebt sich in frühen Phasen  seiner  Entwicklung  wie  zerstückelt,  es   kann seine Motorik noch nicht koordinieren, seine Wünsche noch nicht gezielt äußern etc.), erleben wir als Erwachsene noch in Form aller möglichen Komplexe (vor allem solcher, die man präödipal nennt, da sie sich vor der Entwicklung des Ödipuskomplexes - Haß, Wut auf die gleichgeschlechtliche, Begehren zur gegengeschlechtlichen Bezugsperson - gebildet haben und somit psychoanalytisch schwerer zu behandeln sind. Dann befinden wir uns vielleicht  in dem dargestellten widersprüchlichen Zustand.

Der Maler R. Magritte war perfekt darin, die widersprüchlichsten Zustände darzu-stellen. Er malte das Bild einer Pfeife und schrieb dazu „Ceci n´est pas une pipe". Oder er malte „persönliche Werte" wie in dem nächsten Bild. Hier finden sich  alle Dinge in einem gewissen Gegensatz zueinander. Die kleinen Gebrauchsgegenstände sind größer, während die großen Möbel kleiner sind. Das Innen ist gleichzeitig das Außen und findet sich zudem noch gespiegelt im Spiegel des Schrankes wieder. Aber so ist auch das Unbewusste, paradox, irrational. Wir legen uns eine künstliche Ordnung zu, an die wir uns gewöhnen und sehen die Dinge nicht so, wie sie sind.

Natürlich sind sie auch nicht so, wie Magritte sie malt. Aber das Bild bewegt das Unbewusste in eine richtige Richtung. Was bedeutet das für die Analytische Psychokatharsis? Reduzier die Dinge bis auf ihr letztes „Strahlt", dann „Spricht" es, auch ohne den Titel, den der Maler gegeben hat (ähnlich ist es, wenn man nur das „Spricht" übt, in einer knappen Schlüsselformulierung „Strahlt" es dann). Gewiss ist Magrittes Methode die Dinge zu vermitteln zu abrupt, zu krass, zu dissonant. Eine Pfeife zu malen und dazu zu sagen, dies sei keine Pfeife, heißt zu sagen kein Haus ist ein Haus, kein Hund ein Hund, kein A ein A. Aber wenn A kein A ist, was dann? Für den Logiker gilt gerade dass A = A, und das ist nicht so dumm wie es klingt. Wir sagen ja auch Krieg ist Krieg, und damit drücken wir sehr wohl eine Meinung aus, denn wir betonen, verstärken noch das erste Wort Krieg durch das zweite. Wird so nicht klarer, warum ich ENS - CIS - NOM sagen kann? Es liegt genau zwischen der Magrittschen Vermittlung und der logischen Tautologie. Denn es sagt etwas, zweifellos. Es ist ein Statement, das jedoch nicht in seiner völligen Paradoxie untergeht wie Magrittes Pfeife. Aber es geht auch nicht über die Tautologie des Logikers hinaus, indem es ein Statement ist, das in Vielem zugleich nicht ganz definitiv Bestimmtes sagt. Es sagt nur, dass es „Sage" ist, „Schreibe", „Spreche". Und eben so etwas benötigt das Unbewusste um selbst etwas zu vermitteln.

Vielleicht hätte Magritte zu einer leicht entstellten Pfeife besser geschrieben: „Ist das eine Pfeife, ein Pfiff, ein Paff?" Schließlich pafft man mit dem Ding und doch ist es nach dem Pfeifen benannt, ein Wortspiel also, das wir in der Psychoanalyse oft benutzen, denn das Unbewusste arbeitet oft mit leicht verschobenen Wort- klangbildern. Dennoch möchte ich noch näher an die Vermittlung des Unbe- wussten heran, indem mich nicht nur das Klangbild, sondern auch das Bild als solches in die Vermittlung mit einbeziehe. Daher gleich wieder ein weiteres Bild, das aus „Spricht" und „Strahlt" zusammen-gesetzt ist. Es handelt sich um eine Skulptur, die anlässlich der Expo im Jahr 2008 in Zaragoza aufgestellt wurde. Es zeigt eine aus Buchstaben zusam-mengesetzte Figur, also wieder ein „Strahlt" / „Spricht" äußerst kompakter Natur. Leider kann man das Geheimnis dieser Gestalt nicht aus den Buchstaben selbst herauslesen. Es ist lediglich die gelungene Art der Gestaltung, die dem Betrachter nahebringt, dass der Mensch ein „etre parlant" ist, ein Sprechwesen, wie Lacan es ausdrückte (oft sprach er - um die Kompaktheit noch mehr zu betonnen - auch vom „Parletre".