Hegel und der Andere

Das Tun des Einen, ist das Tun des Anderen, sagte der Philosoph Hegel.

Doch was soll das heißen? Der französische Psychoanalytiker J. Lacan war ein großer Hegelkenner. In seiner Perspektive ist der Sinn dieses Hegelzitats leicht zu erkennen. Der Andere ist bei Lacan eine psychische Instanz, die jedoch weit über den Organismus eines einzelnen Menschen hinausgreift. Er ist ein knotenartiges Gebilde, das jedoch aus Lautzeichen besteht, aus sogenannten Signifikanten (Bezeichnern, Bedeutern). Man kann den Signifikanten nicht selber und nicht weiter signifizieren, da er ja selber der Signifizierer ist,. d. h. der, der am meisten zur Signifikation, zur Bedeutung von Lautzeichen beiträgt. So es denn Lautzeichen sind, es können natürlich auch Buchstaben sein oder Symbole oder sonst etwas Vergleichbares.

Was immer wir also tun, tun wir irgendwie im Namen des Anderen, der ja unser eigenes Bedeutungs-Zentrum, Signifikanten-Schatzhaus ist. Anders gesagt: wir tun alles selbst in der Phase der größten Schlauheit immer noch etwas unbewusst. Man müsste sich schon selbst ständig auch konterkarieren, während man etwas tut und vor allem, während das Tun aus Sprechen besteht. Das Sprechen des Einen ist die Sage des Anderen. Ein Beispiel, das vielleicht nicht das beste ist, aber das verständlichste:

Ich kannte einen indischen Religionswissenschaftler und Yogalehrer, der von seinem eigenen Lehrer Folgendes erzählte. Wenn dieser (der Lehrer meines Lehrers) jemanden etwas Besonderes sagen wollte, sagte er es nicht zu dem Betreffenden selbst. Er sagte es etwas verklausuliert zu einem Danebenstehenden. Er tat so, als würde er den Danebenstehenden ansprechen und ihm Anweisungen geben, die jedoch so klangen, der der eigentlich Betreffende sie verstehen und auch höchstwahrscheinlich auf sich beziehen musste. Die ganze Rede, um die es ging, machte also einen kleinen Umweg über einen Anderen, der aber der Betreffende selber war. Das wirkte viel stärker, als wenn der Lehrer es seinem Schüler direkt mitteilt. Denn der Lehrer hat immer den Nimbus, das Logo des Lehrers, Schulmeisters, ja evtl. gar Moralisten an sich hängen, dessen Botschaften man beim einen Ohr hinein und beim anderen wieder hinausgehen lässt. So aber, so anders herum gesagt, wirkt es wie eine Botschaft aus dem Off, aus dem Geheimen, dem versteckt Wahren heraus. Eben so, wie das Tun des Einen das Tun des Anderen ist.