Symbolordnung und Lumineszenz

 Symbolordnung und Lumineszenz  – eine Psychoanalyse ‚anders herum‘.

In der Psychoanalyse J. Lacans spielt der Begriff der‚ultrasubjektiven Ausstrahlung‘ oder der Lumineszenz, des Lichthaften, eine bedeutende Rolle. Er hat mit den blick- und bildtheoretischen Erörterungen Lacans zu tun und korreliert eng mit den wortbezogenen, sprachlichen Begriffen,  wie z. B. dem der ‚ultrareduzierten Phrasen‘, dem knappen Worthaften, dem 'Myzelartigen' der Symbolordnung. Beide dieser Ultrabegriffe konstituieren zusammen das Freudsche Unbewusste. Die ‚ultrareduzierten Phrasen‘ aus dem Unbewussten sind nämlich verantwortlich für die sogenannten Freudschen Versprecher. Ein Beispiel: einer meiner Universitätsprofessoren versprach sich einmal in der Vorlesung, indem ihm anstatt der Formulierung ‚fachliche Kompetenz‘ das Wort ‚Kompotenz‘ herausrutschte. Er selbst bemerkte seinen Lapsus gar nicht, obwohl viele Studenten lachten. Es war schon von seiner Art zu unterrichten (deftigen Sprüchen, etwas überschäumenden Vortragen) her klar, dass er sich im Liebesakt mit seinen Zuhörern glaubte und dies auch für ‚fachlich kompetent‘ hielt. In Wirklichkeit war es ein Potenzgehabe, und die ‚ultrareduzierten Phrasen‘ ‚petent‘ und ‚potent‘ waren einfach um die Achse des o- und e-Lautes aus dem oben genannten Grund verrutscht.

 

 

Die drei Begriffe entsprechend der Schnittstelle ihres Wortklang-Bildes untereinander geschrieben.

 

                        Kom  p  e  tenz

                        Kom  p  o  tenz

                                  P  o  tenz

Das derart Wortbezogene spielt in der Psychoanalyse seit jeher eine größere Rolle als das Blick-Bildtheoretische. Viele Psychoanalytiker, so z. B. S. Leikert, bemängeln dies schon seit Jahren. Sie betonen gegenüber dem Wortbezogenem das Rhythmische, Musische und Kreative des Unbewussten und rücken dies auch in die Nähe des ‚Weiblichen‘, das von Freud so vernachlässigt wurde. Die Wortbezogenheit gehört mehr zum Männlich-Väterlichen und der – hinsichtlich des Ödipuskomplexes - damit verbundenen Äußerung gegenüber dem Sohn: „Rühr die Mutter nicht An!“ Doch bevor der Ödipuskomplex sich etwa im Altern von 3-5 Jahren bildet existiert die mehr dem Mütterlich-Weiblichen zugehörige Phase des nunmehr ‚Präödipalen‘, also der Zeit Kleinstkindes, und hier spielt die ‚ultrasubjektive Ausstrahlung‘ eine wichtige Rolle. Hier geht es also um das Feld des Blickens und Angeblicktwerdens, des ‚inner touch‘, der inneren Berührtheit,  wie es der Philosoph D. Heller-Roazen nannte. Dieser ‚inner touch‘ ist rhythmisch, musisch und kreativ.

Mit der herkömmliche Methode der ‚freien Assoziation‘ des Patienten und dem ‚gleichschwebend aufmerksamen‘ Zuhören des Therapeuten bleibt man im Wortbezogenen stecken. Diese Kommunikation „von Unbewussten zu Unbewussten“ wie Freud es noch nannte wird kaum erreicht,  denn niemand assoziiert wirklich so frei, wie es nötig wäre und kein Therapeut kann so ‚gleichschwebend aufmerksam‘ zuhören, weil keiner so in der Lumineszenz gefestigt in sich ruht und so seine eigene Analyse wirklich zu Ende gebracht hat, dass er in dieser Art von 'Versunkenheit' auch noch gut nach außen hin zuhören kann. Gegenüber der Kompetenz im Sprachlichen, gegenüber der mehr lexikalischen Symbolordnung, wäre also das ‚ultrasubjektive Ausstrahlen‘, die Lumineszenz, gefragt, aber was ist das? Für Lacan ist vor allem der Aspekt, dass der Mensch als Subjektwesen unter einem ihm unbewussten ‚Angeblicktsein‘ fungiert, ganz wesentlich. Der subjektbezogene Teil der Wahrnehmung geht nicht von einem Geometralpunkt aus, wie es uns die Theorie des perspektivischen Sehens nahelegt, sondern von einem ‚Strahltpunkt‘, einem ‚Lichtpunkt‘, 'Lumineszenz- oder Spiegelungs-Punkt aus, aus dem sich der Primrvorgang des Wahrnehmungstriebs entwickelt hat. Dieser Trieb, diese Wahrnehmungslust, hat ihre eigenen Gesetze, die der rein physiologischen Wahrnehmung entgegenstehen.

Um es kurz zu machen: nach meinen eigenen psychoanalytischen Ausbildung und im Beginn meiner diesbezüglichen Berufstätigkeit lernte ich einen vergleichenden Religionswissenschaftler kennen, der schon äußerlich sichtbar über diese ‚ultrasubjektive Ausstrahlung‘ verfügte. Man kann sich jetzt über den Sinn so einer Schilderung streiten, mir jedenfalls erschien der vergleichend religionswissenschaftliche Lehrer total integer, also so, als wäre er wirklich voll analysiert und ohne Komplexe. Es erschien mir so, als ruhte er tatsächlich in der Lacanschen Lumineszenz. Auch über diese Formulierung kann man streiten. Was soll das alles heißen? Ich habe auf jeden Fall aus der Begegnung heraus, die ich mit diesem Lehrer hatte, ein eigenes therapeutisches Verfahren entwickelt (Analytische Psychokatharsis), das die Psychoanalyse um diesen ihr mangelnden Aspekt erweitert. Wenn ich dieses Verfahren schildere, kann ich auf herkömmlich wissenschaftliche Weise das Ganze der blick- und bildtheoretischen Begriffe erklären und zum Beweis bringen. Das Verfahren ist allerdings hier auf dieser Webseite mehrfach beschrieben und in mehreren meiner Bücher ausführlich dargestellt. Vor allem in der hier auch frei herunterladbaren Broschüre „Die körperlich kranke Seele“ findet sich eine Zusammenfassung. Dennoch will ich hier zum dem angeschnittenen Thema des ‚Licht- Lumineszenz-Seins‘ (als Ausdruck der subjektbezogenen Blicktheorie) und der ‚sprachlichen Kraft‘ (als Ausdruck für das innere Wesen der herkömmlichen, klassischen Psychoanalyse) noch weiter Stellung nehmen (worin des genannte Verfahren ebenso zu Wort kommt).

Die Nichtexistenz des sexuellen Verhältnisses und das weibliche Genießen.

Lacan folgert, dass es kein Geschlechtsverhältnis gibt, weil sich davon nichts wirklich, definitiv, logisch und konstruktiv sagen lässt. Die Menschen lassen sich in unterschiedlichster Weise, egal ob als Mann oder Frau oder gar als männliche Frau und weiblicher Mann in ihren Beziehungen täuschen. Nun ist das nichts Neues, man hat sich immer zu arrangieren gewusst oder sich unter das Dach gesellschaftlicher Regeln geflüchtet. Freud hat behauptet, es gäbe bei beiden Geschlechtern in ihrer psychosexuellen Entwicklung doch etwas Gemeinsames, das er die „phallische Phase“ nannte, also eine Phase der Mächtigkeit, erotischer Prahlerei und 'schein-sexueller' Stärke. Das männliche Subjekt glaubt sie zu haben, das weibliche sie zu sein, worin sich erneut die Nichtexistenz eines wirklichen Verhältnisses ausdrückt. Lacan und insbesondere die Psychoanalytikerin R. Golan haben beschrieben, wie der Mann in seinem Haben nie ganz sicher sein kann, weil ihm ja das Sein fehlt, und die Frau sich zu sehr an das vom Männlichen stetig suggerierte "phallische" Erfahren anpasst, anstatt ihr originär Weibliches,  die „jouissance feminine“, das weibliche Genießen in stetige Erfahrung zu bringen. Die „jouissance feminie“ ist eine andere Form des Genießens als die simple phallische Lust. Sie  schließt auch Schmerz und Leid ein, beinhaltet aber auch „Universalität, Höhe, Grenzenlosigkeit, Erkenntnis / Erleuchtung, Wissen, Freiheit und Glückseligkeit“.[1]

Genau darum ging es auch meinem vergleichenden Religionswissenschaftler, der ja keiner festen, religiösen Konfession anhing, sondern sich an das hielt, was er aus dem Vergleich aller Religionen (oder zumindest einer großen Vielzahl) herausarbeiten konnte. So las er aus der Koran-Sure 5,33 heraus, dass auch der Islam ein Tötungsverbot kenne.[2] Auch gegen Diebstahl und Lüge richten sich alle Religionen. Diesen paar Grundregeln setzte mein vergleichender Religionswissenschaftler noch das meditative Üben hinzu. Darin ließ sich genau diese Lumineszenzerfahrung machen, die mich auch heute noch, lange nach seinem Tod, an ihn erinnern und seine Grundregeln in mir sprechen lässt, ja, die Erinnerung an ihn und seine Meditionsmethodik lösen in mir in mir genau jene „jouissance feminine“ aus, die R. Golan beschrieben hat. Und genau um so etwas geht es eben, das der Psychoanalyse Freuds fehlt. Es fehlt ihr, dass der ‚Lichtpunkt‘, das aus Blick und Gegenblick stammende ‚ultrasubjektive Ausstrahlen‘, der lumineszente ‚inner touch‘ eine geradezu innerlich sprechende Wirkung hat. Was wir also benötigen wäre diese Psychoanalyse ‚anders herum‘, die sich nicht nur auf die  lexikalische Sprechbeziehung stützt, auf die der Sprache innewohnende Fähigkeit, sondern auch auf das ‚Licht-, Lumineszenz-Sein‘ einer derartigen Erinnerung, auf die „jouissance feminine“, die rhythmische Berührtheit, die Katharsis.[3] Damit kann ich wieder zum Verfahren der Analytischen Psychokatharsis zurückkehren.

In diesem Verfahren werden nämlich zwei Übungen gemacht, die eine, die sich auf die sprachbezogene Analyse stützt, die andere, die die Erfahrung der Katharsis ermöglicht. Damit wird dem Subjekt genauso wie in der klassischen Psychoanalyse die Aufgabe der Erkenntnis und Reifung zugewiesen, jedoch mit der Hilfe eines Elements, das beide Bereiche schon einmal vorweg, also rein formal, zusammenführt. Man beginnt zuerst mit der Übung, die die ‚ultrasubjektive Ausstrahlung‘, das ‚Lumineszenz-Sein‘ betrifft. Dazu sitzt man in einer bequemen Haltung und achtet darauf, ob man nicht irgendetwas, was den Charakter von etwas Strahlendem hat, wahrnehmen kann. Wie schon gesagt, kann es sich dabei auch einfach um das Erspüren des „inner touch“, eines Teils des „Körperbildes“, einer Art „Phosphoreszenz“ wie Lacan es auch ausdrückt,  handeln. Es hat nichts mit den Augen zu tun, es tritt spontan auf, wenn man längere Zeit still dasitzt. Man hat dann nämlich immer das Gefühl, dass der Körper sich leicht verändert anfühlt, Arme und Beine werden beispielsweise wie „taub“, leichter oder schwerer, während man am Rumpf vielleicht schon ein kathartisches ‚Durchrieseltwerden‘ spürt oder eben innerlich einen Helligkeitspunkt wahrnimmt. Manchmal macht man derartige Erfahrungen auch beim Einschlafen. Egal, indem man nunmehr gleichzeitig eine Formulierung gedanklich wiederholt, die diese rein formale Zusammenführung der beiden Bereiche darstellt, lässt sich das Ergebnis dieser Übung direkter herstellen und auch wissenschaftlich begründen.

Die wissenschaftliche Begründung ist nicht schwer zu verstehen, dennoch habe ich in den oben genannten Veröffentlichungen sehr viel darüber geschrieben und wiederhole hier nur eine Kurzfassung. Die Formulierung, die im Zentrum des Verfahrens steht, vermittelt präzise das, was Lacan den „linguistischen Kristall“ des Unbewussten nennt. Sprachliche, Wortbezogene und eben auch kristalline, Ausstrahlungsbezogene Aspekte vereinen sich zu dem, was in der nebenstehenden Abbildung gezeigt ist. Der Buchstabenkranz ist aber keine mythische Erfindung. Von verschiedenen Buchstaben aus gelesen ergeben sich immer wieder andere Bedeutungen, und genau dies ist es, was das Unbewusste und den „linguistischen Kristall“ ausmacht: mehrere sich an Schnittstellen überlappende Bedeutungen wie sie in den Beispiel mit der ‚Kompotenz‘ / Kompetenz erwähnt wurden. Das gedankliche Üben einer derartigen Schnittstellen-Formulierung dringt tief ins Unbewusste ein und kann dort die Katharsis, das befreiende Entspannungserleben oder eine Helligkeitswahrnehmung, ein eher ‚durchrieselndes‘ Lösungsgefühl auslösen, das ich verkürzt auch ein Es Strahlt genannt habe, weil es eben irgendwie den Charakter von etwas Strahlendem hat und den Primärvorgang des Wahrnehmungstriebs darstellt.[4] Neben diesem kathartischen Teil des Verfahrens der Analytischen Psychokatharsis gibt es jedoch auch noch den analytischen teil, der mit einer zweiten Übung zusammenhängt.

Während man im Hintergrund noch langsam (evtl. mit kleinen Unterbrechungen) das „R-A-D-I-C-I-T“ wiederholt hat und also die beginnende Katharsis spürt, konzentriert man jetzt darauf, etwas von der Art eines Tones, Verlautens[5], also des eingangs erwähnten Worthaften bzw. der ‚ultrareduzierten Phrasen‘ (so als ‚spräche‘ etwas) zu vernehmen (die Umgebung muss dazu natürlich anfänglich ruhig sein). Dieses Verlauten scheint von tief innen und oben rechts oder zentral im Kopf her zu kommen.[6] Analog zum Es Strahlt der Lumineszenz habe ich dies hinsichtlich der symbolischen Ordnung ein Es Spricht genannt. Auch hier stellt sich eine entspannende Konzentration ein und manchmal kommt es zum Auftauchen einer wirklichen Spricht-Erfahrung: ein Gedanke formuliert sich wie von weit her oder unerwartet spontan. Ich beschreibe diese Erfahrung erst später genauer, denn hierauf liegt ein Schwerpunkt des Verfahrens, der vor allem dem Kranken, Verzweifelten und psycho-physisch in Not Befindlichen helfen wird, während die Strahlt-Erfahrung wichtig für die mehr ‚körperlich kranke‘ Seele, für die Psychosomatik ist.

Dass Es Spricht  korreliert tatsächlich dem Besonderen der psychoanalytischen Auffassung vom seelisch Unbewussten, nämlich dass es nicht etwas ist, das ein  S e i n  hat, sondern das etwas zu s a g e n  hat, das Spricht. Auch ein Symptom drängt dahin, etwas von seiner Art und Ursache her vermitteln zu wollen. Das ist nicht ganz leicht zu verstehen. Ich werde es jedoch noch besser begreiflich machen, dass es tatsächlich diese zwei Kräfte, Triebe in uns gibt: etwas das in uns Scheint, Strahlt (psychoanalytisch: Primärprozess des Wahrnehmungs- bzw. Schautriebs) und etwas, das ständig in uns raunt, verlautet, murmelt und Spricht (Primärprozess des Sprechtriebs). Letzterer ist z. B. ebenfalls oft kurz beim Aufwachen erfahrbar, wenn man noch einen fast wirren Gedanken aus dem Schlaf mit ins Wachsein nimmt. In der Analytischen Psychokatharsis und hier jetzt speziell mittels der zweiten Übung kommt nicht ein wirrer Gedanke zustande, sondern ein zwar meist irrationaler, aber dafür umso mehr bedeutender Gedanke. Ich gebe ein Beispiel.

Erst vor einiger Zeit hatte ich beim Üben dieser meiner Methode plötzlich den Gedanken fast mehr gehört als gedacht: „That-Gott 1“. Seltsam! Noch dazu, was nicht üblich ist, konnte ich diesen Gedanken auf einer Tafel geschrieben sehen. Ich war tatsächlich in eine ‚ultrareduzierte Phrase‘ des Unbewussten hineingesunken (früher sprach man bei der Meditation oft auch von einer Versenkungs-Methode). Auch die Schnittstellen-Formulierung hat ja Form und Charakter einer solchen ‚Phrase‘, was eben das Auftauchen ebensolcher bei der zweiten Übung begünstigt. Mir war sofort klar, was das „That-Gott 1“ bedeutete, und ich erwähne gleich hier, dass dies fast immer der Fall ist, dass diese auftauchenden ‚Phrasen‘, die ich wegen ihrer Bedeutung auch Identitäts- oder Pass-Worte nenne, für den Betreffenden schnell klar sind. Ich hatte mich mehrere Tage lang mit dem Psychoanalytiker N. Sygmington beschäftigt, der sich auf etwas Meditatives bezieht, das er in Bezug auf Ursprüngliche Naturreligionen als direkte „Wahrnehmungsliebe“ bezeichnet.[7] Während die monotheistischen Allmächtigkeitsreligionen einen Halt und auch einen gewissen Realitätszugang nur durch das Dogma geben, das starr und eng begrenzt ist – so Symington -  identifiziert sich der naturreligiöse Mensch aus Liebe mit allem Sein seiner Umgebung und bekommt dadurch ebenso einen Halt und Realitätszugang. Symington beschreibt also genau das, was T. v. Aquin und später auch Lacan mit dem mit dem Begriff der Konnaturalität beschrieben haben: eins mit der Natur sein. Allerdings musste dieser naturreligiöse Mensch viele Höhen und Tiefen, viel Lust und Leid seiner Umgebung mittragen, was wieder an diese umfassendere „jouissance feminine“ erinnert, in der der Frühmensch lebte. Trotzdem möchte Symington an diesem religiösen Zugang anknüpfen und ihn mit der Psychoanalyse verbinden, weil dies für die heutige Zeit der einzig wissenschaftliche Weg sei, so konstatiert er.

Doch das ist nicht so leicht. Wo bei der rigiden Offenbarungsreligion ein sprachlich formuliertes Gewissen gegenüber dem autoritativen Schöpfergott besteht, sieht Symington zu recht in der Naturreligion die Kreativität im Menschen selbst aktiv und liebevoll wirken durch das, was er die „Dasheit“ nennt, die „Thathood“. Diese frühen, einfachen Menschen praktizieren sozusagen ständig ein gemeinsames „Das“, was man psychoanalytisch ein positives Selbstobjekt nennen würde und was dem Gespür, dem , dem „inner touch“ ähnlich ist. Es geht also um ein inneres Selbstverständnis, eine unmittelbare Vertrautheit, mit der die Menschen direkt kommunizieren konnten. Sie haben sich sozusagen mit ihren inneren Berührtheiten, von Getast zu Getast, von „Haut zu Haut“ verständigt. Ganz klar, dass mein „That-Gott 1“ damit zusammenhängt. Denn ich verstand, dass die Thathood Symingtons praktisch wie ein Gottesbegriff funktioniert, nur wollte Symington es nicht so nennen, weil er wohl zu Recht fürchtete, die wissenschaftlichen Anspruch seiner Aussagen zu verlieren. Er wollte ja genauso wenig wie ich nicht im Sinne herkömmlicher Konfessionen missverstanden werden. Andererseits ist der Begriff der „Dasheit“ auch nicht ganz ideal.

Damit die „Dasheit“ in die Psychoanalyse eingebaut werden kann, schlägt Symington vor, sie durch eine Übung zu stützen. Hier greift Symington auf das altbewährte Meditieren, auf das „Inner Imaging“ zurück, wie es in vielen asiatischen Religionen und auch bei dem Psychoanalytiker C. G. Jung als „aktive Imagination“ bekannt ist. Doch hier liegt der Haken. Wie imaginiert man innere Bilder oder auch sonst Vorgänge wissenschaftlich exakt? Wie kommt man trotz Erhalt der „wahrnehmungsliebenden“ Innigkeit gleichzeitig zu präzisen Aussagen? Hier liegt ja das Problem das auch der Psychoanalytiker S. Leikert konstatiert. Er sagt, dass das Rhythmische der klassischen Psychoanalyse fehlt, weiß aber ebenfalls keinen Ausweg und verweist auf die Musik.[8] Aber die Musik ist „sinnfreier Sprachklang“ und in einer Symphonie – so Leikert weiter – begegnen sich der Klangleib des Orchesters mit dem undefinierbaren Klangpunkt im Hörer, so dass man immer denken kann, die Töne kämen eigentlich von irgendwoher, aus dem nicht bestimmbar Unbewussten, sagen jedoch nichts. Doch auch hier muss man sich die Frage stellen:  Wie kann man die Wahrheit des Rhythmischen, des „inner touch“ in der Therapiestunde umsetzen? Dies ist in der Analytischen Psychokatharsis dank der phrasenhaften Formulierungen besser gelöst.  

Denn hier erreicht man in der Katharsis, im Es Strahlt der Lumineszenzerfahrung und in dem Es Spricht des Pass- bzw. Identitäts-Wortes die perfekte Kombination beider Ultrabegriffe, also des Strahlt/Spricht. Dabei war„That-Gott 1“ nur für mich der entscheidende Schlüssel. Einem anderen Leser kann dies nicht viel helfen. Er muss selber sehen, wie er zu Pass-Worten kommt, die ihm etwas sagen, und selbst dies Gesagte muss er noch rational hinterfragen, so wie ich meinen „That-Gott 1“ ja als etwas erkannt habe, das im Zusammenhang mit dem Studium von N. Symington stand, mit Erklärungen für mein Verfahren der Analytischen Psychokatharsis und der Lehre Lacans. So ein aus der Tiefe auftauchendes Identitätswort ist eindrucksvoll und „That-Gott 1“ hätte leicht dazu verführen können, sich selbst für diese 1 zu halten. Ich kann trotzdem ein Neurotiker sein oder einem Wahn anhängen. Erst wenn ich meine Methode ausführlich und wissenschaftlich belegt habe und sie sich auch in der Praxis bewährt hat, kann ich hoffen, keinem wissenschaftlichen, religiösen oder sonstigen Wahn verfallen zu sein. In diesem Dilemma war auch mein vergleichender Religionswissenschaftler. Denn auch wenn er fundiert aus allen wichtigen Religionen die gemeinsame Essenz extrahiert hat, steht doch die Frage im Raum, was davon in heutiger Zeit noch genau so gelten kann, wie vor hunderten oder tausenden von Jahren. Ich habe ihn ja auch nur erwähnt, weil man sich gut an ihn und seine ‚ultrasubjektive Ausstrahlung‘ erinnern konnte. Die ‚ultrareduzierten Phrasen‘ musste man sich dagegen von Lacan besorgen. So ist an alle gedacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1]  Golan, R. Loving Psychoanalysis, Karnak (2006)

[2]  Wortlaut der Sure: „Wenn jemand einen Menschen tötet (ausgenommen Vergeltung oder Krieg), so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so ist es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten“ .Darüber existieren hitzige Diskussionen, weil das Töten damit eventuell doch relativiert sei, speziell hinsichtlich der Juden. Moses wird jedoch samt seinen Geboten als Prophet anerkannt, es werden jedoch nur diejenigen ‚Schriftbesitzer‘, die sich selbst nicht an ihre eigene Schrift halten, als ‚Ungläubige‘ bezeichnet, gegen die sich dann die häufigen Tötungsgebote im Koran richten. Wer sich aber an die in allen Religionen geltenden Regeln hält, fällt nicht darunter.

[3] Der Philosoph J. F. Lyotard beschreibt diese rhythmische Berührtheit als primär weibliches Unbewusstes in Form einer pulsierenden ‚Matrix Figure‘ (K. Bamford, Lyotard and the figural in Performance, Art and Writing).

 

[4] Manche sagen, sie sehen Licht, doch dies ist verwirrend. Weder ist es ein Sehen, noch echtes physisches Licht. Wenn ein Helligkeitspunkt auftaucht, muss man sich diesem immer wieder neu innerlich zuwenden und nichts mit Auge oder Stirne verkrampft zu holen versuchen. Da es sich aber um einen Grundtrieb handelt, ist dieser immer auch automatisch wahrnehmbar, wenn man entsprechend darauf achtet.

[5] Ich verweise bezüglich des Tones, Verlautens, darauf, dass die Psychoanalytiker hier auch vom „Klang-Objekt“ sprechen, einem innerpsychischen Objekt, das in der frühesten Kindheit auch von der Stimme der Mutter her mit aufgebaut wird. Lacan spricht hier auch vom „universellen Gemurmel“, also einem raunenden Verlauten im Unbewussten, auf das man sich wie auf einen Klang, Ton, konzentrieren kann.

[6] Diese Anweisung hat unter anderem etwas mit der Linkshirnigkeit und dementsprechend mit dem „Rechts-Echo“ des generell Sprachlichen zu tun.

[7] Symington, N., The Blind Man Sees: Freuds Awakening and Other Essays , Karnac Books (2004) Der Autor erwähnt diesen Begriff nicht explizit,  dieser erfasst jedoch implizit und direkt sehr vieles, was Symington sonst ausführlich beschreibt.

[8] Leikert, S., Die vergessene Kunst, Psychoanalyse der Musik, Psychosozial Verlag (2005) S. 25 - 44