Epigenetische Medizin

Die Auffassung, dass Gene, die aus DNS-Strängen (DesoxyriboNukleinSäure) in den Chromosomen bestehen und unser gesamtes Erbgut tragen, praktisch unveränderlich sind, wird seit einigen Jahrzehnten durch die Epigenetik erschüttert. Zwar ist dieser DNS-bestimmte Code sehr fest und widerstandfähig und kann eventuell nur durch Zufallsmutationen verändert werden. Darwins evolutionsbiologische Erkenntnisse beruhten darauf, dass die Mutationen sich auch manchmal positiv auswirken können und somit Lebewesen ehrvorbringen, die dann im Überlebenskampf Vorteile habe. Sicher ist dies nicht der einzige Vorteil in der Evolution. Auch durch Nischenbildung können Lebewesen, die sonst für den Überlebenskampf nicht fit genug sind, Vorteile haben. Inseln, die sich vom Festland oder in Flüssen abgetrennt haben, könnten solche Nischen sein. Haben Lebewesen in solchen Nischen sich ausreichend vermehrt, konnten sie den Überlebenskampf z. B. durch ihre Vielzahl auch außerhalb der Nische bestehen.


Doch der DNS-Code kann auch durch körpereigene Eiweißstoffe verändert werden. Zwar wirkt sich diese als Epigenetik bekannte Veränderung nicht so stark aus, dass sie auch weitgehend auf die Nachkommen übertragen werden kann. Dazu müsste der NS-Strang als solcher direkt umgebaut werden. Die Eiweißstoffe haben jedoch weitreichende Möglichkeiten, die Gene jedes einzelnen Lebewesens zum Beispiel an- oder abzuschalten oder ihre Wirkung etwas zu modifizieren. Diese Modifizierungen reichen also meist nicht so weit, den DNS-Strang in allen Zellen, vor allem auch denen in den Keimzellen so zu verändern, dass neue - und natürlich hier positive - Eigenschaften auch auf die Kinder vererbt werden. Diese neben Darwin schon von Lamarck aufgestellte These der Vererbung durch eigene Leistung neu erworbener Eigenschaften, hat wahrscheinlich nur eine sehr begrenzte Tatsächlichkeit vorzuweisen. Vielleicht müssen zahlreiche Generationen an einer Leistung arbeiten, um diese als Vererbung sichtbar werden zu lassen. Der Biologe P. Spork verweist zumindest bei Pflanzen auf derartige Vorgänge.
Für diesen Artikel hier spielt die Frage der realen Vererbung epigenetisch erworbener Fähigkeiten keine Rolle. Hier geht es nur um die Frage, welches Programm, welche Bemühungen sind am effektivsten, um welche Gene an- und abzuschalten oder zu modifizieren. Dazu genügt es erst einmal zu wissen, wie der biochemisch zugrundeliegende Mechanismus aussieht. Hier spielen hauptsächlich drei Vorgänge eine entscheidende Rolle: Die Methylierung, also das Anhängen von Methylgruppen durch die Methyltransferase an gewisse Stellen (ans Cytosin) des DNS-Stranges. Sodann die Histonmodifikation. Histone nennt man die Endstücke bestimmter Proteine, an denen wiederum kleine Proteine anheften können. Auch dies hat Wirkungen auf die Arbeit der DNS. Und schließlich sind es die Mikro-RNAs (RiboNukleinAcids), die ebenso über Eiweiße an den Genen leichte Veränderungen vornehmen können. Dies alles ist jedoch nur der rein biochemische Mechanismus, bezüglich dessen sich die Schulmedizin, die speziell auf chemisch-biochemische Wirkungen bedachte Medizin, Eingriffe durch neue Medikamente erhofft. Die Forschung wird noch einige Zeit brauchen, um solche Substanzen zu entwickeln. Jedoch sind auch Schulmediziner der Ansicht, dass beispielsweise gesunde Lebensführung Einfluss auf diese epigenetisch bekannten Mechanismen haben kann. Doch hier scheiden sich etwas die Geister.
Während der Schulmediziner noch Sport und Ernährung als Faktoren zur gesünderen Lebensführung und damit epigenetisch wirksam voll anerkennt, wird dieser Einfluss durch homöopathische oder rein psychologische Faktoren nicht so gesehen. Überhaupt ist die Anzahl an Methoden, die irgendwie epigenetischen Einfluss haben enorm hoch gerechnet. Es ist ja auch nichts Neues, dass körperliche Bewegung meist in Form vernünftiger sportlicher Betätigung Gesundheit und auch die Lebenszeit etwas verbessert, auch wenn man nichts von den biologischen wissenschaftlich epigenetischen Vorgängen weiß. Bei psychologischen Einflüssen ist dies schon schwieriger nachzuweisen, auch wenn man statistisch sicher belegen kann, dass gute Sozialkontakte beispielsweise hierauf Wirkung zeigen. Nun gibt es Autoren, die sich überschlagen in Zig-Ratschlägen, was man sonst noch alles tun und lassen kann. Man soll gute Gedanken haben, beten, meditieren, Psychotherapie machen (vor allem Traumatherapie), spirituelle Übungen durchführen und vieles mehr. Diese Autoren vergessen jedoch völlig die rein ärztlichen Ratschläge mit zu berücksichtigen, wie ich sie gerade als Sport und Ernährung erwähnt habe. Umgekehrt findet man in naturwissenschaftlichen Arbeiten zur Epigenetik meist kein Wort über die Psyche.
Als Arzt und Psychoanalytiker glaube ich jedoch eine einfache, knappe und kompakte Liste der Verfahren aufstellen zu können, die zum großen Teil zwar bekannt sind, aber doch hier auf Wesentliches reduziert vorgetragen werden sollen. Diesbezüglich möchte ich zuerst die richtige Ernährung anführen. In der sich über zehn Jahre erstreckenden Heidelberger Krebsstudie, aber auch in vielen anderen Ernährungsstudien hat sich eine vorwiegend vegetarische Kost mit etwas Fisch am besten bewährt. Herz-Kreislauferkrankungen konnten um bis zu 60 %, Krebserkrankungen um bis zu 30 % vermieden werden. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass Menschen, die sich so ernähren, meistens auch nicht rauchen und wenig Alkohol trinken. Dies wurde in den meisten Studien nicht so genau erfasst. Der epigenetisch wirksame Vorteil derartiger Abstinenz ist jedoch in anderen Studien belegt worden und in der Allgemeinheit kein Geheimnis. Als Punkt Nr. 1 meiner Liste kann also die vorwiegend vegetarische Kost mit etwas Fisch und sehr geringer Nikotin und Alkoholgenuss gelten.
Punkt 2. Betrifft die allgemeine körperliche Bewegung. Leistungssport ist eher gesundheitsschädlich und sicher nicht förderlich für die epigenetische Umschaltung. Das kann man auch schon so aus den Statistiken sagen, dass eine vernünftig, also zwar recht fordernde, aber nicht übermäßig fordernde Sportart zweckmäßiger ist. Eigentlich genügt es, sich fit zu halten, d. h. regelmäßig Gymnastik oder Bewegungsübungen zu machen und nur gelegentlich durch eine Berg-, Radtour oder Ähnliches die volle Fitness zu testen. Denn für die epigenetische Medizin, wie ich sie hier vorschlage, sind eben auch eine psycho-physisches Verfahren wichtig und nicht nur die reine Bewegung. Da viele Menschen heuet wissen, dass Sport selbst bei Depressionen etwas hilft, setzen sie nur auf das körperliche Training und vergessen etwas für die Psycho-Hygiene zu tun. Um für die gesunde Epigenetik etwas zu tun, schlage ich nur drei Punkte vor und eben nicht - wie oben erwähnt - Zig-methoden.
Der 3. Punkt betrifft also die Psycho-Hygiene, wobei ich mich hier auf die Psychoanalyse stütze. Für viele Menschen klingt dies widersprüchlich, weil man glaubt, die Psychoanalyse ist etwas für richtig psychisch Gestörte und betrifft vor allem eine intellektuelle Verarbeitung psychischer Komplexe. Das ist zwar in gewisser Weise richtig, ich habe jedoch selbst ein Verfahren entwickelt, das das Psychoanalytische in mehr psychosomatischer Form einbezieht. Dadurch ist auch der Kontakt und Zusammenhang zu den zwei oben genannten Punkten epigenetischer Medizin hergestellt. Die Wirkung gesunder Ernährung kann man meist nicht so sehr direkt spüren. Bei der körperlichen Bewegung ist dies meist schon anders. Aber die Entspannungs-Wirkung von Sport oder Gymnastik lässt schnell wieder nach. Die psychoanalytischen Einsichten dagegen verbleiben für das ganze Leben. Sie sind jedoch sehr an das Verständnis von Sprache und symbolischer Ordnung geknüpft. So etwas ist in der üblichen Psycho-Hygiene durch spirituelle Übungen, Traumatherapie, Beten oder Entspannungsverfahren jeglicher Art wie ich sie oben zitiert habe, nicht gegeben. Man richtet sich hier nach vorgegebenen Interventionen und nicht nach dem, was jemand selbst ganz eigen für sich aus den Tiefen eines durch die Psychoanalyse gestützten Symbol-Grundes heraufholt. Ich habe mein Verfahren Analytische Psychokatharsis genannt und verweise zur näheren Erläuterung auf meine Broschüre (auch kostenlos von der Webseite >psyche-und-soma.de< herunterladbar) „Die körperlich kranke Seele".